Angesichts der beschämenden Tatsache, dass 42% der Deutschen kein einziges Menschenrecht benennen können und 28% noch nie etwas von der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen gehört haben, tut Aufklärung Not. Den Herausgebern gelingt es, dieses Unterfangen kurzweilig und tiefgreifend zu bewältigen. Von der Gründungsgeschichte der ersten Amnesty-Gruppe über einzelne Erfahrungsberichte bis zu aktuellen Problemen kommen mehr als zwanzig Aktive oder Betroffene zu Wort – und diese Texte gehen teilweise heftig unter die Haut. Da erzählt einer der Herausgeber die Geschichte von Mario, der 1976 in Argentinien verhaftet worden war, und dessen Freilassung aus der Folterhaft durch Amnesty bewirkt wurde. Die Darstellung seines Leidensweges und die erwirkte Freilassung endet mit einem Brief, den Mario im Januar 1979 verfasste:
„Liebe Amnesty-Freunde, seit mehr als einem Monat bin ich nun in Deutschland. Dass ich hier sein kann, dass ich nach all den Jahren endlich frei bin, habe ich euch zu verdanken, Euer Einsatz hat mir das Leben gerettet. In dem Gefangenenlager wurde ich fast täglich gefoltert. Ich weiß gar nicht mehr, welche Grausamkeiten sie mit mir angestellt haben, ich will jetzt auch nicht daran denken. Überleben wollte ich die Zeit, aber ich wusste nie, ob und wie lange ich das noch durchstehen würde”¦“
Was bedeutet Straflosigkeit im Völkerrecht, was sind aktuelle Probleme der Asyl-Gesetzgebung, was entscheidet der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag? Diese Fragen beantwortet das Lesebuch. Es erzählt von Kindersoldaten und unendlichem Leid, einer Reise nach Israel, einer einzigen Postkarte und einer Spurensuche auf Mallorca”¦ Jederzeit und überall auf der Welt kann Menschen geholfen werden, die Opfer von Ungerechtigkeit, Folter, Missbrauch und Verfolgung sind. Wer ihnen hilft und wie sie dazu gekommen sind, ist auch Thema dieses vielseitigen Buches. Eine Frau, die als Kind in einer erzgebirgischen Stadt miterlebt, dass ein Jugendlicher zum Tode verurteilt wird, soll den Schrecken dieser Nachricht in der elterlichen Küche niemals vergessen. Zum Glück wurde das Urteil damals nicht vollstreckt, aber Rosida Eickelpasch setzt sich seit dreißig Jahren für Menschrechte ein und betreute mit ihrer Gruppe zwölf Fälle; zwölf Menschen, die verfolgt oder verschwunden waren, konnte geholfen werden. Dafür wurden tausende Briefe, Mails und Faxe an das jeweilige Land geschickt, an Regierungs- und Justizbehörden, an Institutionen und die Presse.
Eine Gruppe der 600 Amnesty-Gruppen in Deutschland besteht aus etwa zehn Personen. Auch Schüler und Abiturienten können bei Amnesty mitarbeiten, eindrucksvoll schildert Florian Robbert die ersten zwei Monate seines freiwilligen Jahres bei Amnesty in Mexiko, wo er Flüchtlingen und Migranten hilft, Fuß zu fassen.
Dieser Leseband ist nicht nur für Jugendliche eine wunderbare Einführung in die unerlässliche Arbeit der größten unabhängigen Menschenrechtsorganisation, die weltweit über eine Million aktiver Mitglieder zählt. Eine weiterer Grund, das Amnesty-Lesebuch zu erwerben und weiterzuempfehlen, ist folgender: Herausgeber, Autorinnen und Autoren verzichten auf alle Honorare und Tantiemen aus diesem Buch und lassen sie amnesty international zufließen.
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Urs M. Fiechtner, Reiner Engelmann (Hrsg.), Dass wir heute frei sind …, Menschen schützen Menschenrechte, Ein Amnesty International-Lesebuch, 221 S., Sauerländer, März 2011, 16,95 EUR
* Zitat: Uschi Flacke aus dem Text „Es