Dann gibt es aber noch die Gruppe der Kenner und die wissen um die Widersprüche, die sich spätestens seit Vasari, dem Maler und Kunstgeschichtler, der als erster auch rückwirkend die Künstler in Biographien zwang (um 1550) und unser Bild von ihnen bis heute prägt. Demnach ist Sandro Botticelli im März 1445 in Florenz geboren und im Mai 1510 dort gestorben. Aha, die Ausstellung in Frankfurt ist auch eine, die als aktuellen Anlaß den 500sten Todestag begeht. Botticelli war sein Spitzname, er lernte bei Frau Filippo Lippi, einem gelernten Mönch, der in der Manier der Frührenaissance sehr schöne zarte Madonnen malte, die man im Geiste bei Botticelli wiederfindet. Aber er lernte auch von seinen Kollegen Antonio Pollaiuolo und Andrea del Verrocchio die handfesteren Versionen. Und alle hatten von Masaccio, dem frühen Meister der Perspektive, den Umgang mit dieser in Bildern gelernt.
Botticelli eröffnete schon 1470 eine eigene Werkstatt und die Verbindung mit den Medici, der berühmtesten und mächtigsten Bankiersfamilie des Stadtstaates, und die exzessive Förderung durch Lorenzo de Medici machten in zum Modemaler von Florenz. Solange die Medici an der Macht blieben, war auch Botticelli ungefährdet. Und das war eine lange Zeit. Aber das wußte man in Florenz nie so genau, wohin die Fahrt politisch geht und die Rätsel um den Maler beginnen da, wo die Medici aus Florenz vertrieben werden. Denn wir alle hatten immer wieder eingebleut bekommen, daß aus dem neuheidnischen Maler, der die Antike in mythologischen Bildern feierte und dem Kreis der Neuplatoniker (Ficino/Mirandola) nahestand, nach dem Zusammentreffen mit dem Dominikanermönch Savonarola, der Florenz mit Peitsche und Moral reinigte und zum Christentum zurückbekehren wollte, Botticelli sein Leben änderte und fortan in Buße seine allzu weltlichen Bilder verbrannt hätte und nur noch christliche Motive in ’anständiger` Manier gemalt habe, was zumindest mit Kleidung bedeckt hieße.
Alles nicht wahr, sagt heute die Kunstgeschichte und beruft sich auf die Quellenlage, die bisher einseitig dem späten Vasari angedichtet wurde, der diese Lebensgeschichte aber nicht nur erfunden hatte, sondern auch gute Gründe dafür hatte. Doch, doch, das Verbrennen von Bildern durch Savonarola hat es 1497 in Florenz gegeben, nur verbrannte Botticelli mitnichten dort seine Werke. Warum Vasari dies seinem Vorgänger – denn auch Vasari war ein Maler der Medici, allerdings der späteren herzoglichen Linie und damit Hofmaler – unterstellte, liegt auf der Hand. War doch Savonarola genau derjenige, der die Medici vertrieben hatte, jemand, der ihm nahestand also des Teufels, wofür auch sprach, daß Botticelli nicht mit den Medici ins Exil ging, was guter Brauch bei Künstlern war. Es gab also nur noch einen wirklichen Maler der Medici und der hieß Vasari.
Wir sind nicht abgekommen von Botticelli, sondern hingekommen zu dem, was bis heute diesen Maler zu diesem rätselhaften Maler macht, der in der Jugend Madonnen und christliche Motive im Stile der Spätgotik malt, dann mit Altarbildern und christlichen Darstellung in Florenz reüssiert, die ihn als Maler so begehrt machen, daß jeder von ihm Porträts gefertigt haben möchte, im besonderen die Medicis, die ihn ihre Schönen abbilden ließen, in richtigen Porträts, aber auch verbrämt in mythologischen Darstellungen; später sind es die mythologische Akte, und dann wiederum schon vor Savonarola die großen Altarbilder einschließlich dieser Verkündigung von Cestello von 1489/90, die fast einem Beschwörungsritual gleicht, sanft und verführerisch. Aber auch antike Themen kommen wieder und nach und nach bleibt gar nichts mehr übrig von dem Savonarolanhänger, denn seine Werkstatt malt weiter, auch ’unanständige` Bilder, und als der mönchische Volkstribun 1498 von den Florentiner verbrannt wird, sind die Zeichnungen des Botticelli zum 28. Gesang von Dantes Paradies beendet.
Bei den Gemälden wird immer unklarer, welcher Anteil ihm noch zusteht oder ob es Werkstattarbeiten sind und ein Bild wie „Mystische Geburt“ von 1501, heute Nationalgalerie London, ist bis heute inhaltlich nicht überzeugend erschlossen. Später malte er nicht mehr, er sei krank gewesen, sagen die einen, eindeutig behindert. Außerdem war seine der Spätgotik verhaftete Malweise nicht mehr modisch, die Hochrenaissance war angesagt mit Raffael, Michelangelo und da Vinci. Aber das ist so nicht richtig, denn mit seinem Tod gibt es längst den Beginn des Manierismus, der auf die wirklichkeitsgetreue Darstellung der klassischen Renaissance folgt und erneut Längungen der Figur, ihre Verdrehungen und Frauentypen präsentiert, die man aus der Spätgotik kennt. In der exquisiten und sehr umfangreichen Ausstellung in Frankfurt sind aus allen Perioden und aus allen Genres seine Gemälde nun zu sehen, auch die großen Prachtbilder.
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Ausstellung: bis 28. Februar 2010
Bücher zur Ausstellung
Katalog: Botticelli. Bildnis. Mythos. Andacht, hrsg. von Andreas Schumacher, Verlag HatjeCantz 2009
Da dies die erste monographische Schau in unseren Ländern ist, ist der Katalog wichtig, um all das, was sich an falschem Wissen festgesetzt hatte, herauszubekommen und mit heutiger Erkenntnis anzureichern, denn er steckt voll kluger Essays und Anmerkungen zu den Bildern. Das gilt für die, die zum Schauen der Bilder auch lesen wollen. Aber wer nur den Eindruck aus der Ausstellung von Schönem und Eindringlichem mit nach Hause nehmen möchte, erwirbt auch dieses mit diesem Katalog.
Kunst zum Hören; Botticelli, HatjeCantz 2009
Kinderbuch zu Botticelli, HatjeCantz 2009
Aktuelle Bücher zu Botticelli
Damian Dombrowski, Botticelli. Ein Florentiner Maler über Gott, die Welt und sich selbst, Verlag Wagenbach SALTO 2010
In ungewöhnlicher Art setzt sich der Autor mit dem Maler auseinander, die für Leser natürlich hinreißend ist: Er läßt die Bilder sprechen, siebzehn an der Zahl, die quer durch die Genres religiöse und mythologische Malerei, Altarbilder und Porträts ausgewählt sind. Natürlich ist es der Autor, der seine Reflexionen einbringt. Sehr interessant.
Frank Zöllner, Sandro Botticelli, Prestel Verlag 2005, Neuauflage 2009
Nach Michelangelo und Leonardo legt Frank Zöllner, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, mit diesem überdimensionierten Prachtband seinen dritten Renaissancemeister vor, wobei dieser eben aus der frühen Zeit der Wiedergeburt der Antike kommt, die im übrigen kontinuierlich über das Mittelalter vorhanden blieb. Der Band ist chronologisch aufgebaut und verbindet die Bilder mit dem Leben des Malers. Auch Simonetta Vespucci bekommt ihren Raum.
Frank Zöllner, Botticelli, Verlag C.H.Beck
In dem kleinen Bändchen faßt Zöllner seine Erkenntnisse in der ähnlichen Gliederung wie im Band von Prestel zusammen, wobei gerade die Funktion des Malers als Porträtmaler der Medicis ausgebaut wird. Ein Buch, das man sogar in der Handtasche unterwegs zur Ausstellung sehr gut lesen kann.
Internet: www.staedelmuseum.de