Die Kreuzfahrt vor der Haustür – Kontrastreiche Kreuzfahrt von Stralsund nach Stralsund mit MS Swiss Diamond

Liegeplatz in Greifswald-Wieck mit Segelschulschiff Greif. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Schauplatz Steinerne Fischbrücke. Ein makelloser Spätsommerhimmel signalisiert schönstes Reisewetter. Nach einem Rundgang durch die Stralsunder Altstadt samt Ozeaneums- und GORCH FOCK (I)-Besuch trifft sich die Gästeschar auf dem langgestreckten Oberdeck zum Auslaufmanöver.

Das Ozeaneum und die Gorch Fock I mit der Stralsunder Speicherkulisse. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Das Schiff ist – trotz Corona – ausgebucht, nicht zuletzt wegen der einmaligen Route. Kreuzfahrten sind in, vor allem auch seekrankheitsfreie auf einem Flusskreuzfahrtschiff. Rund 500.000 Menschen entscheiden sich jährlich für die familiäre Binnenvariante ohne Massenbetrieb – mit zunehmender Tendenz. Der Ostseehafen Stralsund profitierte besonders davon: über 150 Flusskreuzer-Anläufe pro Jahr konnte er zeitweilig verbuchen – das ist fast doppelt so viel wie Rostock-Warnemünde Hochseekreuzfahrtschiffe ansteuern – und ist seitdem auf diesem Gebiet Spitzenreiter in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Route der Swiss Diamond von Stralsund nach Stralsund. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Aus Fährdorf hervorgegangen

Es geht los in Stralsund. Im Schutz von Rügen gelegen, Deutschlands größter Insel, gilt sie als besonders reizvolle Hansestadt. Vor allem die Lage ist es, die viele Schriftsteller inspirierte, so zum Beispiel auch Ricarda Huch:

„Meerstadt ist Stralsund,

vom Meer erzeugt, dem Meere ähnlich.

Auf das Meer ist sie bezogen, in ihrer

Erscheinung und ihrer Geschichte.“

Aus einem slawischen Fährdorf hervorgegangen, so hat es der in historische Tracht gewandete Stadtführer seinen Zuhörern berichtet, hielt Stralsund 1234 lübisches Stadtrecht, ist also heute 783 Jahre alt.

Die Meeresorientierung der Hansestadt resultiert nicht nur aus ihrer hervorragenden Lage am Strelasund; während der Blütezeit der Hanse stieg sie zur klassischen Zwischenhandelsstadt auf, wurde doch der Handel von und nach Russland, Skandinavien und Westeuropa überwiegend auf dem Seeweg abgewickelt. Bis zu 300 Schiffe führten damals die sundische Flagge.

Glanz und Reichtum von damals manifestieren sich noch bis heute im historischen Stadtkern sowie in den mittelalterlichen profanen und sakralen Bauten. Unzweifelhaft hat zu diesem einstigen blühenden Glanz das Schutz- und Trutzbündnis Hanse beigetragen. An dessen Zusammenhalt hatten überwiegend Kaufleute Interesse. Dass dabei auch der Glaube eine Rolle spielte, zeigt ein Schnitzwerk in St. Nikolai: das Nowgorodfahrer-Gestühl, Spende der Hanse. Die Reisen ins russische Nowgorod sollten immer unter einem guten Stern stehen. Nicht nur das, ist doch zusätzlich noch diese älteste Pfarrkirche der Stadt dem Schutzpatron der Seefahrer geweiht. Der heilige Nikolaus sollte auch seine schützende Hand über den Rat halten, der in der Kirche wichtige Sitzungen abhielt und Gesandte empfing.

Wie die mittelalterliche Wirtschaft konzipiert war – von Anfang an zum Wasser orientiert -, ließ sich auch aus der Stadtanlage ablesen: Die dekorativsten Tore standen an der Wasserseite in Hafennähe, an der auch die größten Straßen endeten.

Blick von der Jacobi-Kathedrale auf den Stettiner Hafen, die Oder uind das Pommernschloss. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Maritimer Mittelpunkt

Als die Hanse im 14. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, existierten allein 13 Schiffbauplätze in Stralsund, denn der Hafen war günstig von zwei Seiten aus anlaufbar. So kam viel Geld in die Stadtkasse: durch Tuche, Vieh, Erze, Getreide, Pelze, Bier und Fisch.

Das Haus der Schiffer – Compagnie in der Frankenstraße weist noch heute darauf hin, dass sich die Fahrensleute zusammenschlossen, um ihre Rechte zu verteidigen.

Die Meer- und Hafenstadt Stralsund mausert sich wieder zum maritimen Mittelpunkt des Nordostens. In Parow, nördlich der Stadt, hat sich nach der Wende die Marinetchnikschule (MTS) etabliert, modernste Einrichtung der Deutschen Marine, die 1848 auch am Sund gegründet wurde.

Mit Blick auf Stralsunds „Schokoladenseite“ zeigen sich die meisten Gäste beeindruckt von den Aufbauleistungen. „Wissen Sie, was wir früher gesagt haben? Ruinen schaffen ohne Waffen“, weiß ein Magdeburger über das Desinteresse der DDR-Regierung, die alle Baukapazitäten auf Berlin konzentrierte, an der Erhaltung von historischen Gebäuden. Stralsund hat über 800 davon. Die meisten erstrahlen bereits in neuem Glanz. Inzwischen ist das Flächendenkmal als Welterbe unter den Schutz der UNESCO gestellt zu worden.

Stürmische Fahrt über den Bodden. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Seefahrt mit Wellengang

„Erstaunlich“, meint ein Relings-Nachbar mit Revierkenntnis, „was man hier in kurzer Zeit alles zu sehen bekommt, sogar richtige Seefahrt mit Wellengang über Sund und Bodden!“ Wobei man nicht nur schöne Landschaften sieht, sondern auch den beiden Schiffsführern bei der Arbeit über die Schulter schauen kann. Ihr Arbeitsplatz Steuerhaus ist von allen Seiten einsehbar.

„Klar vorn und achtern!“ Der Kapitän lässt nach der obligatorischen Seenotrettungs-Übung die Leinen einholen. Er manövriert die 101 Meter lange Swiss Diamond aus dem Hafen. Das sieht eher spielerisch aus, setzt aber eine Menge Erfahrung voraus. „Bei entsprechendem Wind und unserem geringen Tiefgang haben die 1050 PS im ´Keller` es auch nicht ganz einfach“, weiß er aus langjähriger Bord-Praxis.

Sein Kollege überwacht das Ablegen. Zusammen bringen es die Schiffer auf eine jahrzehntelange Berufserfahrung, so dass sich der Gast bei ihnen wie in Abrahams Schoß fühlen kann.

Abendhimmel über dem kleinen Hafen Greifswald-Wieck. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Caspar David Friedrich lässt grüßen

Nach der Passage der Rügendammbrücke geht es in geruhsamer Fahrt durch die Wasser-Landschaften von Strelasund und Greifswalder Bodden.

„Gletscher und Schmelzwasser brachten vor rund 10.000 Jahren die See zum Überlaufen, so dass sie in die Grundmoränenlandschaft schwappten“, schildert Kreuzfahrtdirektor Christian anschaulich die flachen Wassermulden der Küstenlandschaft.

Ein dreistündiger Wassersprung über den sonnenbestrahlten Bodden mit Abendessen vor Sonnenuntergang.

In der Hafeneinfahrt von Wieck wird um 21 Uhr festgemacht. Die einladenden Kneipen des herausgeputzten Dörfchens Wieck locken danach zum Absacker.

Die altehrwürdige Hansestadt Greifswald am Flüsschen Ryck, Hanse-Schwester von Stralsund, steht am nächsten Vormittag auf dem Programm der Stadtführung. Gründungsväter waren Mönche des Zisterzienser-Klosters in Eldena, dessen Ruine Caspar David Friedrich, Sohn der Stadt, in einem berühmten Gemälde verewigte. Wohlstand brachte der Stadt, so hört man, sein ausgedehnter Seehandel. Daher auch die prächtigen Bürgerhäuser, das Rathaus und seine drei großen Kirchen St. Marien, Nikolai und Jakobi.

MS Swiss Diamond in Lauterbach Hafen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Wer individuell über die Holzkonstruktion einer holländischen Zugbrücke auf die andere Flussseite läuft, stößt schnell auf den Eingang zum städtischen Freibad. Hinter dem Deich ein weißer Strand, dessen Flachwasser zum Bad einlädt. Kutterfrischer Bodden- und Ostseefisch steht hier selbstverständlich auf allen Speisekarten.

High noon: zwölf Uhr mittags und Leinen los zur dreistündigen Fahrt nach Lauterbach. Die See ist spiegelglatt und gesprenkelt mit Dutzenden von Sonntagsseglern. Die Gäste strecken sich genüsslich in den Liegestühlen aus zum Mittagsschläfchen mit Bräunungseffekt.

Landschaft mit Fachwerkhof bei Vilmnitz. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Kleines Paradies für Bonzen

Voraus taucht am nächsten Nachmittag die naturgeschützte Insel Vilm auf. In ihren Reetdachhäusern urlaubten einst die Spitzenkader der Ex-DDR-Staatspartei, unter anderen auch Erich Honecker. Vom Hafen Lauterbach, den die Swiss Diamond ansteuert, besteht eine Fährverbindung (nur nach Voranmeldung) auf das Eiland. „Früher waren´s die Bonzen, die das kleine Paradies ungewollt bewahrten, heute macht´s der Naturschutzbund“, vergleicht der Kreuzfahrtdirektor, „mit dem Unterschied, dass jetzt Führungen erlaubt sind.“ Wie zur Bestätigung und Begrüßung pfeift der „Rasende Roland“ über den südrügenschen Hafen. Der dampfende Schmalspurzug hält mit quietschenden Bremsen gegenüber des JUNKERS Liegeplatz im ältesten Seebad Rügens, das Fürst Malte zu Putbus 1816 aus der Taufe hob. Im nahen Badehaus Goor vergnügte sich einst die adlige Elite. Nur drei Kilometer weiter davon das Dörfchen Vilmnitz, 1967 Hauptdrehort der deutsch-deutschen Filmkomödie „Die Heiden von Kummerow“.

Die Stubbenkammer mit Königsstuhl auf Rügen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Mit Rasendem Roland zur Bäder-Architektur

Schon der Dichter Ernst Moritz Arndt schwärmte von seiner Heimat: „Oh, Rügen! Liebliche Insel, wohin ewig die Liebe sich sehnt…!“ Hinter Sassnitz recken sich die weißen Kalkklippen der Stubbenkammer, von sattgrünem Buchenwald umkränzt, in den blauen Himmel. Die Krönung ist der 118 Meter hohe Königsstuhl. Der gehört zum Nationalpark Jasmund, mit 3003 Hektar kleinster Deutschlands. Busausflügler werden am Abend von der Aussicht schwärmen, die schon der Romantiker Caspar David Friedrich gemalt hat; aber auch von der fürstlichen Residenz zu Putbus mit seiner zirkusförmigen Ortsanlage oder den seit eh und je beliebten Seebädern Binz und Sellin mit ihrer berühmten „Bäder-Architektur“. Andere lockt der „Rasende Roland“, dessen Dampf- und Rauchschwaden sie vom offenen Aussichtswaggon begierig einsaugen wollen. Vom Hafen Lauterbach geht´s im 30-km/h-Zuckeltempo, immer wieder untermalt von markanten Lok-Pfiffen, über die Insel bis nach Göhren und zurück.

Eine V-1-Rakete im Museum Peenemünde. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

V-1- und NVA-Geschichte

Der Wind frischt am nächsten Morgen ordentlich bis auf 7 Bft auf, so dass die See sich hinter den Restaurantfenstern schäumend auftürmt. Nach drei Stunden stürmischer Tonnen-Slalomfahrt durch den Greifswalder Bodden taucht voraus an Backbord ein ehemaliger Wachtturm auf, schließlich eine dunkelgraue Röhre mit schlankem Turm. Von der russischen Marine ausgemustert, fristet das mit 4000 Tonnen einst größte dieselgetriebene U-Boot der Welt jetzt sein Dasein als Besuchermagnet im Peenemünder Hafen. Ansonsten heißt es hier: Wernher von Braun lässt grüßen. Das Dorf im Norden der Insel machte Weltgeschichte, als 1942 in der Heeres-Versuchsanstalt die ersten V1- und V2-Raketen abgefeuert wurden. Grundlage für die spätere bemannte Raumfahrt von USA und UdSSR.

Ex-DDR-NVA-Raketenschnellboot Hans Baimler in Peenrmünde. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

In der Nachkriegszeit mutierte das Zentrum der deutschen Raketenforschung zur Flottenbasis der ehemaligen DDR-Volksmarine. Seit der Wende hingegen präsentieren sich die maroden Gebäude als viel besuchtes Museum mit Raketen- und Flugzeugexponaten sowie die NVA-Raketen-Korvette Hans Beimler.

Die berühmte Brücke vom Seebad Ahlbeck © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Zu den Kaiserbädern

Weiter geht es über die 66 Kilometer lange Insel Usedom, nach Rügen Deutschlands zweitgrößte Insel und einziger Insel-Naturpark, zu ihren mittlerweile schon wieder mondänen Bädern an der Seeseite. Heringsdorf, Bansin, Ahlbeck und Zinnowitz – vor dem letzten Krieg auch die „Badewanne Berlins“ genannt, stehen natürlich auf dem Besuchsprogramm der Busausflügler obenan. „Bei gutem Wetter und der entsprechenden Sondergenehmigung könnte man vielleicht auch die Seebrücken ansteuern“, sieht ein Gast hoffnungsvoll mögliche neue See- und Seh-Ziele an der Zukunfts-Kimm.

Bereits im 19. Jahrhundert war Usedom wegen seiner 42 Kilometer langen und bis zu 700 Meter breiten feinsandigen Strände mit „Südseequalität“, Wälder, kleinen Seen und stiller Haff-Landschaft ein beliebtes Sommerziel, nicht nur der „besseren Gesellschaft“: wohlhabendes Bürgertum und Adel, die hier das Leben genossen. Auch den Sonnenschein, der heute noch mit 1900 Jahresstunden deutscher Spitzenreiter ist.

Heute ist es nicht wesentlich anders, wenn man an den wie an einer Perlenkette aufgereihten Villen in typischer „Bäderarchitektur“ vorbei promeniert. In einer davon, der Villa Staudt, traf Kaiser Wilhelm II. einst die Frau Konsulin, seine Geliebte, zum Tee, so wird augenzwinkernd geschmunzelt. Auch Österreichs Kaiser Franz Joseph zog es hierher. Damit war der Name „Kaiserbäder“ geprägt.

Die an Bord gebliebenen Passagiere lassen sich derweil dem Hafen des ehemaligen Residenzstädtchens der Herzöge von Pommern-Wolgast entgegenfahren. Wobei das „Blaue Wunder“ passiert wird, die Brücke nach Usedom.

Die ehemalige Eisenbahnbrücke von Karnin voraus. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Zur Badewanne Berlins

Wolgasts Stadtsilhouette wird überragt von den blauen Hallen der Peene-Werft, die zum Bremer Lürssen-Konzern gehört und jetzt in erster Linie Marineschiffe baut und überholt. Kurzer Halt, um die Busausflügler wieder aufzunehmen.

Historischer Segler begegnet auf dem Stettiner Haff. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Der Peenestrom, ein Oder-Arm, und das Achterwasser von Usedom verbinden Greifswalder Bodden und Stettiner Haff. Vor der Zecheriner Brücke mündet an Steuerbord die Peene, der mit 150 Kilometern längste Fluss Mecklenburg-Vorpommerns. Wegen seiner Ursprünglichkeit auch „Amazonas des Nordens“ genannt. Swiss Diamond gleitet seitlich am hochauf ragenden, rostverkrusteten Stahlskelett der zerstörten Karniner Eisenbahnbrücke vorbei. Sie verband von 1870 fast bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Berlin in zwei Stunden mit Swinemünde und den „Kaiserbädern“, auch „Badewanne Berlins“ genannt. Pläne für einen Wiederaufbau werden schon eifrig geschmiedet.

Die Gittermast-Leuchtfeuer der Kaiserfahrt zwischen Swinemünde und Stettin. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Irgendwann weitet sich der Blick aufs Oderhaff mit seinen charakteristischen Gittermast-Leuchttürmen noch aus der Kaiserzeit. Deswegen bekam die Fahrrinne auch ihren Namen „Kaiserfahrt“.

Vor Stettin bläst sich der Fluss zum Trichter auf. Sogar eine Wiedervereinigung findet etwas später statt: die von Ost- und West-Oder der in der Nähe des Dammschen Sees. Hier ziehen noch Seeadler ihre Kreise und führen vor, wie man im Flug Fische fängt.

Blick von der Jacobi-Kathedrale auf den Stettiner Hafen, die Oder uind das Pommernschloss. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Pommersche Hauptstadt voraus

Gegen den träge fließenden polnischen Oderstrom schiebt sich die Swiss Diamond der alten Hansestadt Stettin entgegen, die 200 Jahre lang bis 1945 pommersche Hauptstadt war. Mit Kraftwerksschloten, Kränen, Werkshallen, Speichern, Schiffbaubetrieben, darunter die frühere Vulkan-Werft, und Plattenbauten kündigt sich die Halbmillionen-Metropole an. Viele ehemalige Stettiner an Bord sind gespannt auf „ihre“ Stadt.

Neben haushohen Überseefrachtern im Stettiner Hafen schrumpft Swiss Diamond auf Spielzeuggröße zusammen. Der Hafenkapitän weist ihm jedoch den attraktivsten Liegeplatz zu: direkt vor der berühmten Haken-Terrasse, wo auch größere Kreuzfahrtschiffe anlegen. Stettin spiegelt sich abendlich bunt schillernd im Flusswasser.

Am nächsten Tag locken die ansehnlich restaurierte mittelalterliche Altstadt, das Schloss der Pommernherzöge samt ihren Sarkophagen, der rostrote Backsteinbau des Altstädter Rathauses, die gotische Jakobi-Kathedrale, das Schloss der Herzöge von Pommern und last but not least das Seefahrtsmuseum alle unwiderstehlich für ein paar Schau-Stunden an Land. Wobei Reiseleiter Bogdan, das Original, allem die Show stiehlt: Sein Feuerwerk – übrigens in bestem Deutsch – aus Geschichte, Witzen und Anekdoten ist unübertroffen und hält seine Zuhörer ständig in Atem. „So macht Geschichte Spaß und man merkt sie sich“, meint jemand anerkennend.

Swinemünde beim abendlichen Einlaufen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Einst exklusivstes Seebad

„Das mit dem Spaß gilt im Übrigen auch für die ganze Reise“, kommentiert das sein Relingsnachbar, während MS Swiss Diamond in der Oder dreht, um am nächsten Mittag flussabwärts in vier Stunden durch die Kaiserfahrt übers Haff Swinemünde anzulaufen. Begleitet von himmlischen Trompetenklängen hunderter Kraniche. Die Gäste sind entzückt von dem Schauspiel über ihren Köpfen. Einige ornithologisch Interessierte haben die Reise auch deshalb gebucht. Sahnehäubchen sind dann für sie die See- und Fischadler, die über der Swine kurven. Bis die 40.000-Einwohner-Stadt in Sicht kommt. Sie ist natürlich geteilt, weil sie zur einen Hälfte auf der Insel Usedom, zur anderen auf der Nachbarinsel Wollin liegt. Zwischen beiden verläuft die Swine, ein Mündunsgsarm der Oder. Er wurde ab 1818 im Stadtgebiet als Hafen, heute viertgrößter Polens, ausgebaut. Heute ist sie darüber hinaus der wichtigste Fähranleger Polens mit Verbindungen nach Schweden und Bornholm.

Im 19. Jahrhundert war Swinemünde das bedeutendste und exklusivste Seebad an der Ostseeküste, wegen des ab 1824 einsetzenden Badebetriebes und der Entdeckung heilkräftiger Mineralquellen 1897 auch „Perle der Ostsee“ genannt.

Die Rolle als Marinestützpunkt, heute für die polnische graue Flotte, wurde der Stadt 1945 zum Verhängnis, als durch Bombenangriffe 23.000 Menschen ihr Leben verloren und Swinemünde dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Schon viel gesehen

Nach dem Einlaufen ist Zeit, Swinemünde bis zum nächsten Mittag zu erkunden, geführt oder auf eigene Faust. Wobei der Polenmarkt, das Kurviertel mit seinen Bäderarchitektur-Relikten, die weite Strandpromenade, der weiße Windbaken-Leuchtturm auf der Mole oder der backsteinerne gegenüber auf Wolliner Seite, einst mit 68 Metern höchster an der Ostseeküste, und das Fort Gerhard auf dem Programm stehen sollten. Per Taxi – die Fahrer sprechen meistens gut Deutsch – lässt sich das in einer Vierergruppe relativ preiswert bewältigen. So haben es auch einige Gäste in Stettin gemacht.

Wieder zurück im Stralsunder Nordhafen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Oktober 2021

Nachts kommt wieder Stralsund in Sicht, Endstation der einwöchigen Reise von Stralsund nach Stralsund. Für einige Hansestädter und andere Gäste aus Mecklenburg-Vorpommern ist das „eine Kreuzfahrt vor der Haustür“: „Keine weite Anreise, fußläufig an Bord und alles mal aus einer anderen Perspektive erleben“, sind sie angetan von dieser neuen Möglichkeit.

Am nächsten Vormittag meint der Kreuzfahrtdirektor: „Ich habe schon viel gesehen, aber dieses Sund- und Bodden-Revier gehört für mich zu den schönsten, die ich kenne.“

Müde von so vielen Eindrücken am letzten Tag, wiegen einen die an der Bordwand leise glucksenden Sund-Wellen in den Schlaf. Mit Traumerlebnissen von einer Nach-Wende-Reise, wie sie davor niemals möglich gewesen wäre: zwischen Vor- und Hinterpommern.

Informationen:

Schiffsdaten : MS SWISS DIAMOND; Baujahr: 1996, Umbau/Renovierung: 2006 u. 2020; Bauwerft: SCN SA, Oltenita/Rumänien, Kasko, Den Breejen/Hardinxveld/NL: Innenausbau; Länge: 101,20 m; Breite: 11,60 m; Tiefgang (max.): 1,60 m; Decks: 3; Sonnendeck mit Whirlpool, Aufzug durch alle Decks; Kabinen 61, Kabinenkategorien: 4 (12 – 18 qm, jeweils 2 separate Betten; Panoramafenster, TV, Minibar, Safe, Haartrockner, Klimaanlage, Dusche/WC; Internet: WLAN; Restaurant 1 (eine Sitzung); Bibliothek; Whirlpool/Sauna; Sonnendeck; Kleidung: sportlich-leger; Crew: 31; Pass.: 123 (max.); Maschinen: 2 x Deutz je 552 kW; Propeller: 2; Geschw. (max.): 20 km/h; Bugstrahlruder; Reederei: Scylla AG, Basel; Flagge: Schweiz; Heimathafen: Basel; Sterne: 3

Route der achttägigen Reise: Stralsund-Greifswald-Wieck-Lauterbach/Rügen-Peenemünde/Usedom-Wolgast-Stettin-Swinemünde-Stralsund.

Infos, Veranstalter: www.viva-cruises.com

Reisezeit: Normalerrweise Fahrten zwischen März und Ende Oktober (geplant ist ein ganzjähriger Betrieb, um vom Niedrigwasser auf der Elbe unabhängig zu sein).

Bewertung: einmalige Route; günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis; sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen Fahrt- und Landgangsabschnitten (keine Nachtfahrten); viel Raum für individuelle Unternehmungen; geräumige Kabinen (ohne französische Balkone, aber mit großen Fenstern) und Bäder; flexible Essenszeiten für individuelle Landgänger und Längerschläfer über den Ausflugsbeginn hinaus; viel Platz auf dem Sonnendeck; sehr abwechslungsreiche, schmackhafte Küche; freie Tischwahl; sehr freundlicher und aufmerksamer Service; Fahrräder können mitgebracht oder ausgeliehen werden; viele Repeater; sehr gepflegtes Schiff; schlichte, aber ansprechende und funktionale Einrichtung; keine Vibrationen oder zu laute Maschinengeräusche; sehr freundliches und bemühtes. Z. T. deutschsprachiges internationales Personal; hoher Zufriedenheitsgrad bei den Gästen. Bewertung: 4 Sterne.

Anmerkung:

Die Recherche wurde von der Viva Cruises GmbH unterstützt.

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