Die Jobkrise – John C. Reilley und Seann Scott kämpfen um den “Top Job”

“Top Job” soll komisch sein. Steve Conrads Drehbuch hat den intellektuellen Gehalt dazu. Es ist bissig, hintersinnig und milieubewandert. Die Darsteller machen zwar keinen “Top Job“, aber sie sind glaubwürdig, ohne zu übertreiben. Gerade in diesen positiven Qualitäten liegt der Haken. Betreten und ein wenig verlegen verlässt man das Kino. Denn der Konkurrenzkampf der beiden Kollegen Doug und Richard ist so realitätsnah, dass er fast unheimlich wird. Wer in einem Supermarkt arbeitet, fühlt mit den Hauptpersonen und wird ein bisschen ärgerlich. Ja, das muss man wochentags mitmachen. Wer nicht im Supermarkt arbeite, amüsiert sich hämisch und fühlt sich später ein bisschen schuldig. Versehentlich etwas umgestoßen und so getan, als wäre nichts gewesen? Regelmäßig mit Parfum aus der Probeflasche eingesprüht? Na gut, soweit wie der übergewichtige Kollege von Doug und Richard, der sich am Drogerieartikelregal rasiert, ist man nicht begangen. Die Mitarbeiter spielen die wichtigste Nebenrolle in “Top Job”. Hispanische Angestellte haben die niedrigsten Positionen, in den Chefetagen sitzen eisige Anzugträger, die tolerant wirken wollen, es aber nicht sind. Dazwischen auf der Karriereleiter stehen Doug und Richard. Erster ist noch in mittleren Jahren, hat noch kein Kind und die sympathischere Freundin (Jenna Fischer). Richard hingegen ist ein dicklicher ehemaliger Alkoholiker mit peinlichen Tätowierungen, einem Kleinkind und mangelndem Taktgefühl. Zudem ist er Kanadier. In Kanada sind alle herzlicher, erläutert der Film. Für Richard wird es ein kurioses Happy End, dass er schließlich dorthin zurückkehrt. Doug kriegt die “Promotion”. Doch die Frage in “The Promotion” ist nicht wer, sondern wie. Schon an Richards erstem Tag beäugt Doug ihn skeptisch. Beide benötigen dringen die Beförderung. Nicht für hochtrabende Zukunftspläne, sondern um ihren bescheidenen Lebensstandard  beizubehalten.

Steve Conrads Tragikkomödie durchzieht bedrückender Pragmatismus. Eigentlich haben Doug und Richard nichts gegeneinander, sie empfinden sogar Sympathie für die Probleme des anderen. Der Kampf um die Beförderung bringt ihre verschlagene Seite zum Ausbruch. Dabei hassen beide ihre monotone Tätigkeit zwischen unzufriedenen Kunden und provozierenden Jugendlichen. Es fängt mit verkappter Feindseligkeit an, wenn Doug absichtlich Richard in Blamagen rennen lässt. Es gibt keine wilden Schlägereien zwischen Regalen, keine Geiselnahme im Einkaufszentrum, bei der einer sein Heldentum beweist. Den “Showdown im Supermarkt”, den der Untertitel androht, erspart Conrad seinem Publikum. Doug trifft Richard mit einem gefrorenen Kartoffelstück und beschimpft ihn, statt sich zu entschuldigen. Richard kämpft von da an mit härteren Bandagen. Er legt sich eine solche ums getroffene Handgelenk und meldet den Vorfall der Betriebsleitung. Dabei spielt “The Promotion” mit den Vorurteilen des Publikums. Man gönnt Richard die Peinlichkeiten, denn irgendwie ist er schmierig, dümmlich, taktlos. Bis man sich freut, dass er zum Alkohol greift und damit genau wie Doug realisiert, dass man zum Widerling geworden ist. Was Richard so unangenehm macht, ist seine Bemühtheit. In ihm erkennt Doug die eigene verzweifelte Anbiederung an die unsympathischen Vorgesetzten eines mickrigen Supermarktes. Dass die Stellung darin für ihn so bedeutsam ist, beleuchtet die Jämmerlichkeit seiner Existenz und macht den Kampf um den Posten umso erniedrigender. Ein guter Ausgang wäre, wenn Doug und Richard ihre ungeliebte Stellung hinschmeißen und weit weg von vorne beginnen würden. Doch dann wäre “The Promotion” kein passender Film zur Krisenzeit und zu den Arbeitsbedingungen im entwickelten Kapitalismus. Mal eben auf das Einkommen zu verzichten, können sich Normalsterbliche nicht erlauben.

Unter den trockenen Witzen wartet die ernüchternde Realität. Die dümmliche Werbezeile “Zwei Trottel. Ein Job. Keine Regel” lenkt von der Hintersinnigkeit von “Top Job” ab, der im Herzen eine verbitterte Satire ist. Weder Richard noch Doug sind Trottel, beide halten bemüht jede Vorschrift ein, beide haben einen Job. Conrads Drehbuch veralbert seine Figuren nicht. Es nimmt sie ernst.
Wer am Ende der Sieger im Stellungskampf ist, bleibt vage. Richard erhält wenigsten die Chance auf einen Neuanfang. Doug zementiert seine Kleinbürgerexistenz und hängt von der gehobenen Stellung noch stärker ab. Vielleicht steigt er weiter auf, bis er als aalglatter Anzugträger im Betriebsvorstand endet. Mit dem “Top Job” als Widerling.

Titel: Top Job – The Promotion
Start: 4. Juni
Regie und Drehbuch: Steve Conrad
Darsteller: Seann William Scott, John C. Reilly, Jenna Fischer, Lili Taylor
Verleih: Senator

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