Die IAA ist eröffnet! – Serie: Unterwegs auf der 63. Internationalen Automobilmesse (IAA) im September 2009 (Teil 1/6)

VDA-Präsident Matthias Wissmann

So etwas will gelernt sein, die Grußformeln erstens fehlerlos herunterzulesen und zweitens das Interesse des sehr gut gefüllten Auditoriums im Congress Center der Frankfurter Messe dabei noch wachzuhalten. Matthias Wissmann, dem Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Ausrichter der IAA, gelang dies zur Eröffnung der Messe am 17. September 2009, auf die schon tagelang durch journalistische Berichterstattung über die Autoneuheiten hingearbeitet wurde. Mit dem Schlußsatz der Bundeskanzlerin, sie erwarte, daß alle hoffnungsvoll aus der IAA herausgehen und dem Dank „an die Unternehmer und Arbeitnehmer der Automobilbranche für die Ruhe, Kraft, Gelassenheit und Zielstrebigkeit für das letzte so schwierige Jahr“, war die Messe – endlich – eröffnet.

Dazwischen lag eine perfekte Inszenierung der Eröffnungsveranstaltung, bei der man sich nur manchmal dachte, kann denn gar nichts mehr einfach normal eröffnet werden, muß überall die Schau so inszeniert sein, daß man sich im Theater oder dem Filmsaal wähnt. Dunkel war es, aus zwei Gründen. Es lief auf der meterhohen und breiten Leinwand ein Film ab, in dem das graphische Gewerbe zu tun hatte. Meterhohe Begriffe schrieben sich von alleine, denen dann Bilder folgten, die diese Begriffe visualisieren sollten. Das sah so aus: INNOVATION, INSPIRATION, wobei ein gläsernes Auto zu sehen war und Kinder, immer wieder Kinder. Es ging weiter mit MOBILILITÄT, EFFIZIENZ, NACHHALTIGKEIT, wozu Energieträger, vor allem Wasser über die Leinwand flutete, energiefreies Tanken, ein Auto gleitet durch die Landschaft und wieder Kinder, Kinder, dann die Schriftzüge SICHERHEIT, VERANTWORTUNG. Jetzt sind es Spielszenen von Kindern, in denen Mädchen Spielzeugautos über Berg und Tal bringen, mit begeisterten Augen die Spielzeugautos kippen lassen, den Berg herunterfallen, aber auch hochkraxeln. Bis dann zum Abschluß die Brille kommt, die keine Brille ist, wenn zwei Hände etwas formen, was eine Abgrenzung zeigt und eine Innenseite: die Windschutzscheibe soll es sein, das diesjährige Signum der Automobilmesse.

Und nun kommt in der Inszenierung, noch im Dunklen, der Tusch, die Bundeskanzlerin mit ihrer Entourage zieht ein, das vermutet man auch deshalb weil man den Troß dunkel gewandeter Gestalten mit einem roten Widerschein als Angela Merkel identifiziert und Matthias Wissmann beginnt: „ Einen ganz besonderen Gruß möchte ich an Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, richten. Wir freuen uns über Ihre Anwesenheit. Denn diese IAA fällt in eine wirtschaftlich turbulente Zeit. Wir haben die größte Talfahrt der Weltwirtschaft seit 1945 erlebt. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr brach das Bankhaus Lehman Brothers zusammen. Auch die Automobilmärkte sind in den Strudel der Finanzkrise gerissen worden. Wir müssen in diesem Jahr mit einem weltweiten Nachfragerückgang um 10 bis 15 Prozent rechnen.“ Nach dem Hinweis auf die für die Automobilindustrie entscheidende Exporterwartung: „Die von Ihnen geführte Bundesregierung, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, hilft entscheidend mit, die Folgen der kritischen Situation abzumildern. Hier möchte ich vor allem die Maßnahmen zur Stützung des Bankensektors und die beiden Konjunkturpakete nennen, die die Koalition auf den Weg gebracht hat. Beispielhaft nenne ich das erweiterte Kurzarbeitergeld und die Entlastung bei den Sozialbeiträgen. Hier unterstützen Sie uns bei unserem Ziel, so weit wie irgend möglich, auch in schwierigen Zeiten, unsere Stammbelegschaften zu halten.“

In der Rede bündelt Wissmann das, was man von einem VDA-Präsidenten erwarten kann, in dem Ansprüche an die Politik mit Lob und nur einem ganz kleinen Tadel formuliert werden. „Ich begrüße ganz besonders unsere Gastgeberin hier in Frankfurt am Main. Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Frau Dr. Roth. Sie sind nicht nur als Oberbürgermeisterin, sondern auch als Aufsichtsratschefin der Messe Frankfurt in doppelter Form unsere Gastgeberin. Sie sind uns bei der Vorbereitung und Planung der IAA ein Garant dafür, daß wir uns immer wieder aufs Neue und gewiß auch in Zukunft hier in Frankfurt zu Hause fühlen. Dafür danke ich Ihnen, auch und insbesondere im Namen der Aussteller sehr herzlich.“

Spätestens hier fällt einem auf, daß alle vier Redner der CDU angehören und für sie und in ihr Politik gemacht haben und machen. Repräsentativ für die Automobilindustrie oder eher Zufall? Zufall und nicht repräsentativ ist auf jeden Fall, daß von den vier Rednern zwei eine Frau sind. Denn diese Pari-Situation findet sich bei den Zuhörern nicht, in denen manche Reihe frauenlos besetzt ist, so überwiegen die dunklen Anzüge und die graumelierten Herren. Für sie und fürs Fernsehen stellt Wissmann die Zahlen der internationalsten Autoschau erneut zusammen: „781 Aussteller aus 30 Ländern, davon 62 Automobilhersteller, zeigen ihre neuesten Produkte. Die Ausstellungsfläche von 190.000 Quadratmetern liegt deutlich über unseren eigenen Erwartungen. 14.000 Journalisten aus 90 Ländern werden in den kommenden eineinhalb Wochen von dieser Großveranstaltung berichten. Wir erwarten über 750.000 Besucher auf dem Frankfurter Messegelände. Mit exakt 100 Weltpremieren bei Autos, davon mit 55 mehr als die Hälfte aus Deutschland, übertreffen wir sogar unseren Rekord-Höhenflug der IAA von vor zwei Jahren. Hinzu kommen 87 Premieren von Automobil-Zulieferern, davon 53 von deutschen Firmen. Das unterstreicht die Innovationskraft dieser Branche. Was unseren Erfindergeist angeht, lassen wir uns von keiner Krise beeindrucken!“

Was die Kinder in dem Film angeht, auf die der Präsident nicht einging, und die man mit ihren Spielzeugautos als emotionalen Filmanteil hätte werten dürfen, ergeben sich seit der neuesten Meldung aus Rußland ganz ungeahnte Konsequenzen für die Automobilindustrie. Dort nämlich sollten aufgrund des dramatischen Einbruchs im Verkauf von Autos Zehntausende von Autobauern entlassen werden, was erst einmal storniert ist, auf jeden Fall sehr viel geringer ausfällt, weil diese umgeschult werden auf die Produktion von Spielzeugautos. Und Kinder gibt’s genug und auch Kinder, für die Eltern teures Spielzeug kaufen. Wenn auch nicht mit Blick auf die Kinder, dann doch auf die nächste Halbgeneration sagte Wissmann: Es „freut mich sehr, daß sich schon jetzt zur Messe auch 550 Lehrer mit mehr als 11.000 Schülern angemeldet haben. Das zeigt, wie ungebrochen groß die Neugier unter jungen Menschen ist, alle Aspekte rund um das Automobil kennen zu lernen.“

Der Punkt, der dann auch bei den weiteren Reden der wichtigste wurde, war: „Wir zeigen die neuesten Entwicklungen bei Mild-Hybrid und Full-Hybrid. Wir zeigen das Plug-in-Elektroauto, das an der Steckdose „tankt“. Wir wissen aber auch alle, daß das Elektroauto nicht sofort ein Massenprodukt werden kann”¦“ Daß Deutschland dennoch führend in den neuen Technologien ist, zeigen die deutschen Autos: „ Sie liegen in diesem Jahr bei den durchschnittlichen CO2-Emissionen in neun von zehn Fahrzeug-Segmenten vor der Konkurrenz! Die Zahlen kommen von neutraler Stelle, vom Kraftfahrtbundesamt aus Flensburg. Schon 2007 habe ich von einer ’grünen IAA` gesprochen. Gemessen daran kann ich sagen: Die IAA ist ’noch grüner` geworden!“

Petra Roth sprach anschließend über die Anstrengungen der Stadt Frankfurt, mit dem neuen Portalhaus und der Halle 11 der Messe erneut ein Forum moderner Architektur gepaart mit sinnvoller und umweltfreundlicher Nutzung übergeben zu haben und die kommunale Umweltpolitik mit vielen Versuchen ernst zu nehmen. Ministerpräsident Koch verwies auf 1100 Unternehmungen in Hessen, die der Autobranche zukommen und bei denen die Kombination von mittelständischen und Großbetrieben Hessens Stärke seien. Zudem habe die Aktion „Staufreies Hessen“ in Verbindung mit dem Hessischen Rundfunk ein tolles Ergebnis erreicht, denn 70 Prozent der Stauzeiten seien in Hessen schon bisher durch frühzeitige Meldungen und Umleitungsvorgaben abgebaut worden.

Die Bundeskanzlerin gab einen allgemeinen Abriß der Wirtschaftspolitik unter besonderer Berücksichtigung der Automobilbranche und der staatlichen Unterstützungsaktionen für die Jahre 2009 und 2010 in Höhe von 80 Milliarden Euro, in der sie auch auf die Lösung für Opel einging und mehrmals betonte, es ginge darum, „Opel solle ein faire Chance bekommen“, wobei sie – anders als in anderen Passagen – keinen Beifall erhielt, brausenden allerdings, als sie bemerkte: „Wir waren die ersten, die ein Auto produziert haben“ und deshalb Deutschland auch eine Vorreiterfunktion für das umweltadäquate Auto zukomme.

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