Vom 1. Oktober 2014 bis 1. März 2015 bietet das Museum einen fesselnden Einblick in die über 4.000 Jahre alten Bestrebungen von Bildhauern verschiedenster Stilepochen, möglichst lebensnahe skulpturale Wiedergaben des Menschen zu schaffen. Die Bandbreite der präsentierten Werke reicht von der ägyptischen, griechischen und römischen Antike über mittelalterliche Skulpturen – so von Michel Erhart (um 1440/45–nach 1522) – und Beispiele aus der Renaissance – etwa von Guido Mazzoni (um 1445–1518) – und dem Barock – wie von Pedro de Mena (um 1628–1688) – bis hin zu Arbeiten aus dem 18. Jahrhundert – u. a. von Luigi Dardani (1723–1787) – und, mit Arbeiten von Jean-Léon Gérôme (1824-1904) und Charles-Henri-Joseph Cordier (1827-1905), dem 19. Jahrhundert. Zudem spannen hyperrealistische Skulpturen von zeitgenössischen Künstlern wie Duane Hanson (1925–1996), John De Andrea (*1941) oder Ron Mueck (*1958) einen Bogen bis in die Gegenwart.
Der Kreation einer natürlich wirkenden Hautfarbe galt das Interesse genauso, wie dem Einsatz von echtem Menschenhaar und echtem Schmuck. Der Kurator der Ausstellung, Dr. Stefan Roller, wies darauf hin, dass man nicht verwundert sein dürfe, wenn man immer wieder auf Christusfiguren mit kahlem Kopf stoße – dort saß ursprünglich eine Perücke! Da die Fassungen der nicht zeitgenössischen Werke natürlich Veränderungen unterlagen, hilft das Museum unserer Phantasie durch einen genialen Kunstgriff: Nach ausführlichen Analysen wurden zu einigen Exponaten Repliken geschaffen, die den ursprünglichen Zustand verdeutlichen. Mit naturwissenschaftlichen Materialanalysen und praktischen Versuchen wurde eigens für die Sonderausstellung die ursprüngliche Farbfassung einer Büste der heiligen Barbara (Liebieghaus Skulpturensammlung) des Bildschnitzers Michel Erhart (um 1440/45–nach 1522) sowohl in technischer als auch optischer Hinsicht minutiös rekonstruiert. Nicht nur die erstaunlich echt anmutende Imitation von Haut konnte dabei nachvollzogen werden, auch die verschiedenen Applikationen und die starke Farbigkeit wurden wieder hergestellt.
Den Wendepunkt dieser Praxis und den folgenden Verlust der Materialvielfalt markiere, so der Kurator, ein Edikt Kaiser Josef II, der trotz oder wegen seiner Aufgeklärtheit 1784 verfügte, dass Skulpturen nur aus einem Material bestehen sollten. In der Umsetzung dieser Forderung verlor die figurative Darstellung des Menschen viel von ihrem emotionalen Gehalt. Die lebendigeren Formen verließen die musealen Räume und retten sich in die Wachsfigurenkabinette.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog im Hirmer Verlag, herausgegeben von Stefan Roller, das Städel Museum kommuniziert die Ausstellung auch in den sozialen Medien mit den Hashtags #diegrosseillusion und #liebieghaus.