Berlin, BRD (Weltexpress). Wenn man die öffentlich-rechtlichen Sender einschaltet, Zeitschriften wie den Spiegel aufschlägt oder auch nur in die Blätter der Journalistenverbände blickt, ist klar: Nur sie betreiben Journalismus, alles andere ist böse Propaganda.
Man gewöhnt sich daran im Lauf der Jahre – an diesen endlosen Strom der abwertend gemeinten Bezeichnungen wie Putintroll, Russlandversteher oder, wie das zuletzt lautete, Verbreiter von Desinformation.
Dass selbst die Journalistenverbände in Deutschland da ganz auf Linie sind, die unzähligen Zensurbemühungen der Bundesregierung gerne mittragen und mitnichten Probleme mit halb geheimdienstlichen Medien wie Correctiv haben, aber ganz große, wenn man für ein Medium wie RT arbeitet, ist schon schwerer nachzuvollziehen. Auch wenn beispielsweise die Stellungnahme des Deutschen Journalisten-Verbandes zum Compact-Verbot (das man auch dann als schweren Angriff auf die Meinungsfreiheit erkennen können sollte, wenn man die Positionen des Blattes nicht teilt) schon in den Untertönen erkennen ließ, worauf diese Position beruht: „Um es klar zu sagen: Compact ist bzw. war zu keinem Zeitpunkt journalistisch, es ging nie um Aufklärung, recherchierte Informationen und Fakten. Compact verbreitete Hetze pur, Propaganda in Reinform. Die etablierten Medien wurden denn auch als Systemmedien und Lügenpresse verunglimpft. Mit dem Verbot gibt es eine Hetzmaschine weniger.“
Das relevante Stichwort lautet hier „etablierte Medien“. Die müssen einfach recht haben, und um sie zu schützen, wirft man sich gern in die Bresche. Und selbstverständlich ist die Verunglimpfung aller „alternativer“ Medien ein Teil dieser Absicht. Weshalb man auch ganze „Recherchen“ über diesen Wildwuchs verbreitet.
Der Kern des ganzen Theaters ist dann immer: Wir machen Journalismus, und die da, diese anderen, machen Propaganda. Was dann insbesondere im Falle von RT geradezu die unabweisbare Schlussfolgerung aus der Tatsache ist, dass hier Mittel des russischen Staates einfließen.
Interessant ist jedoch, was herauskommt, wenn man diese so gern wiederholte Behauptung einmal auf ihre logischen Voraussetzungen hin überprüft. Der Vorzug dieser Argumentation ist klar – man spart sich die Mühe, auf einzelne Argumente überhaupt reagieren zu müssen. Wie beispielsweise die Vorhersage, der Verlust der russischen Erdgaslieferungen und insbesondere jener der Nord-Stream-Pipelines werde katastrophale Folgen für die deutsche Volkswirtschaft haben, bis hin zur Deindustrialisierung – wie lange war das „russische Propaganda“? Ungefähr bis zu dem Moment, als der Bundesverband der Chemischen Industrie anfing, genau das Gleiche zu sagen. Inzwischen muss selbst Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eingestehen, dass die Gesamtlage miserabel ist, umkurvt aber nach wie vor geschickt jedes Eingeständnis eigener Verantwortung.
Nun, indem man pauschal alles zur „russischen Propaganda“ erklärt, macht man sich das Leben viel einfacher. Aber man behauptet damit nicht nur, dass jede Information in den entsprechend etikettierten Medien nicht einmal der Überprüfung wert sei, man behauptet auch pauschal, dass sämtliche dort Beschäftigten das schreiben, was sie schreiben, weil sie dort beschäftigt sind.
Sicher, dieser gedankliche Schritt ist gewissermaßen die notwendige Absicherung für die Behauptung der Propaganda. Sonst müsste man schließlich dennoch im Einzelfall überprüfen, ob die Aussagen Sinn ergeben, was viel zu viel Arbeit macht für die Copy-and-Paste-Generation. Einer der hübschesten Fälle absoluter Rechercheschwäche kreuzte meinen Weg ab dem Sommer 2014. Als der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier irgendwann sagte, die „Rebellen“, also die Truppen der Volksrepublik Donezk, dürften auf keinen Fall Mariupol einnehmen, weil sie dann eine Landbrücke zur Krim hätten. Ein halbes Jahr lang tauchte diese Aussage immer wieder auf, mal im Spiegel, mal in der Süddeutschen Zeitung, längst nicht mehr mit der Person Steinmeier verbunden. Es war gewissermaßen Konsens, dass von Mariupol eine Landbrücke zur Krim führt. Über Monate hinweg warf keiner der Kollegen auch nur einen schnellen Blick auf eine Landkarte, die sofort verraten hätte, dass es von Mariupol bis zu einer Landverbindung zur Krim noch glatte 270 Kilometer sind. Das nur als Illustration, was ich mit Copy-and-Paste meine.
Interessant ist jedoch, dass ihnen dieser Gedankenschritt absolut logisch scheint, weit über das pragmatische Bedürfnis hinaus, nicht argumentieren zu müssen. Denn die Kernbehauptung, so man sie freilegen will, lautet doch: Der Journalist denkt und schreibt, was ihm sein Brötchengeber vorgibt.
Zugegeben, das deutsche Arbeitsrecht sieht, bezogen auf journalistische Tätigkeiten, genau so aus. Tendenzbetrieb, und die Möglichkeit fristloser Kündigung bei allem, was der Besitzer als Verstoß empfindet. Allerdings gibt es, zumindest in einer Medienlandschaft, die eine gewisse Vielfalt aufweist (ja, das ist bei der deutschen nur begrenzt der Fall), auch noch die eigene Entscheidung, für wen man arbeiten will. Dieser Aspekt verschwindet nicht, so, wie er auch beispielsweise bei Ingenieuren nicht verschwindet, die sich durchaus selbst überlegen müssen, ob sie in einem Rüstungsbetrieb arbeiten wollen oder nicht.
Es gibt natürlich noch einen Blickwinkel, unter dem es fast geboten ist, so zu tun, als könne es keine freie und bewusste Entscheidung sein, für ein russisches Medium zu arbeiten. Auch wenn das angesichts der aktuellen deutschen Politik schon fast an schwarzen Humor grenzt – der Vorwurf der „russischen Propaganda“ soll immer auch die Idee des Verrats mit transportieren. Die Behauptung, das, was da geschrieben wird, sei keinesfalls im deutschen Interesse. Schwarzer Humor wird das dann, wenn man Nord Stream und alles drum herum in das Bild einbezieht – weil es objektiv die derzeitige deutsche Politik ist, die gegen das Interesse der Deutschen gerichtet ist, und das noch deutlich; aber auch diese Überlegungen lassen sich abwehren, wenn man nur laut und oft genug die Behauptung der „russischen Propaganda“ aufstellt.
Aber zurück zur Frage der Gewissensentscheidung, der Aussage, die in diesem ganzen Zusammenhang am tiefsten verborgen ist. Es ist tatsächlich der alte Spruch „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Was im Falle der „etablierten Medien“, also der als schutzwürdig betrachteten Mischung aus Konzern- und Rundfunkgebührenmedien heißt, das zu schreiben, zu sagen und zu drehen, was einem der nur noch fünf deutschen Medienkonzerne oder eben der öffentlich-rechtlichen Senderhierarchie so genehm ist.
Nun gibt es, oder gab es, auch in diesen Umgebungen Journalisten, die sich für ihre Umsetzung der Vorgaben zumindest entschuldigt haben – „das ist halt mein Job“. Oder argumentierten, sie könnten anders eben nur gar keine Filme machen, da nähmen sie die Einschränkungen in Kauf. Doch selbst mit dieser Kategorie hat man es nicht mehr zu tun, da ist ja noch ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass es eine Widersprüchlichkeit gibt, und solange noch Kompromisse eingegangen werden, gibt es noch etwas, das für diese Kompromisse teilweise geopfert wird.
Die lieben Kollegen der „etablierten Medien“, die das Verb „einordnen“ so lieben und für ihre vornehmste Pflicht halten und aus vollen Rohren auf alles feuern, was ihnen als „Propagandist“ bezeichnet wird, sind da ein anderes Kaliber. In ihrer Welt scheint es völlig logisch, dass jemand, der für ein durch Russland finanziertes Medium schreibt, nur beauftragte russische Propaganda schreiben kann, denn sie kennen nicht einmal mehr den Zwiespalt zwischen einer persönlichen und der veröffentlichten Meinung; sie haben keine Meinung. Es ist schon das Wort „einordnen“, dass das verrät, weil es voraussetzt, es gäbe eine klare, unzweifelhafte Ordnung der Dinge, die sie einfach ausführen, nicht in Frage stellen, nicht einmal leise anzweifeln.
Sie bringen die angeordneten Vorwürfe (oder „Einordnungen“) ohne Zögern über die Lippen oder die Tastatur, weil nichts selbstverständlicher scheint, als sich die Simulation einer Gesinnung bezahlen zu lassen. Sie suchen nicht nach einem Arbeitsort, einem Medium, das ihren Überzeugungen entspricht, denn sie haben keine und können sich nicht einmal vorstellen, welche zu haben. Wenn sie darüber nachdächten, käme ihnen eine Überzeugung vermutlich vor wie eine Art körperlicher Behinderung, die der karriereförderlichen Flexibilität nur im Weg ist. Man betrachtet ihre Opfer vielleicht mit einem gewissen Bedauern, ist aber froh, dieser Last entronnen zu sein.
Und es ist ja wahr, wer wirklich seine Überzeugungen ausdrücken will, muss dafür oft Opfer bringen, in manchen Zeiten kleine, in anderen große. Auch wenn das eigentliche Motiv, überhaupt zu schreiben, darin liegt, etwas mitteilen zu wollen – kaum einer der wirklich großen deutschen Journalisten lebte ein geruhsames Leben mit gesicherter Karriere zum Chefredakteur oder Intendanten. Die Zeitungen, für die sie schrieben, wurden oft zensiert, wenn nicht gar verboten, und die Texte, die wir Nachgeborenen in Werkausgaben lesen, erschienen oft in obskuren Blättern mit kleiner Auflage. Nicht die Weltbühne eines Carl von Ossietzky prägte die öffentliche Meinung in der Weimarer Republik, das tat die Hugenberg-Presse.
Nur wenn man es für selbstverständlich hält, das eigene Schreiben nach der Arbeitsstelle auszurichten, und nicht, die Arbeitstelle danach auszusuchen, wo das eigene Schreiben eine Heimat findet, kann man die Behauptung der „russischen Propaganda“ im Brustton der Überzeugung vortragen. Nur wenn man Käuflichkeit für völlig normal hält, kann man jedes andere Motiv derart konsequent verleugnen.
Es gibt immer wieder genug bizarre und lächerliche Punkte in den Geschichten, die erzählt werden. Der Geisteszustand von US-Präsident Joe Biden war „russische Propaganda“ genau bis zu dem Tag, an dem ihn seine eigene Partei aus der Kandidatur putschte. Immer wieder bricht ein weiteres Steinchen aus der Mauer. Aber dennoch wird die gleiche Platte weiter gespielt, von „Coronaleugner“ bis „Putintroll“.
Und es gibt ja, genau betrachtet, gar keine andere Option für unsere lieben „Einordner“. Denn nichts wäre schlimmer für sie als ein Moment, in dem ihnen das präzise Drehbuch entzogen würde und sie plötzlich selbst über die Weltläufte nachdenken müssten. Sie stünden nackt und bloß in der Landschaft, ohne die geringste Ahnung, wohin sie gehen und was sie sagen sollten. Schlimmer noch, womöglich müssten sie sogar erkennen, das kein Gewissen zu haben nicht vor Verantwortung bewahrt und auch die bedingungslose Käuflichkeit einen Preis einfordert. Weil vieles von dem, was sie so eifrig beworben haben, als Verbrechen erkannt wurde.
Bis dahin jedoch werden sie weiter darauf pochen, man habe sich an die „etablierten Medien“ zu halten und ihre „Einordnung“, und sie werden weiter erklären, alles nicht Genehme sei „russische Propaganda“, und dabei völlig übersehen, welche unangenehmen Wahrheiten sie bei dieser Gelegenheit über sich selbst preisgeben.
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde unter dem Titel „Die gekaufte Meinung – Was ist Journalismus, was Propaganda?“ am 21.10.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.
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