Berlin, Deutschland (Weltexpress). Es mutet schon etwas komisch an. Während viele Filme des Wettbewerbs der Internationalen Filmfestspiele Berlin sich oft mit gesellschaftlichen Problematiken befassen, meistens etwas arg kopflastig und mit einer gewissen Ernsthaftigkeit daher kommend, laufen diesmal vorwiegend sehenswerte Wettbewerbsbeitrag außer Konkurrenz. Das gilt auch für die „Horrorkomödie“ mit dem Originaltitel „El Bar“ (Englischer Titel: „The Bar“).
Irgendwie wünscht man sich, sie würden im Kampf um die Bären teilnehmen. War „Viceroy’s House“ ein Film, der in epischer Weise die Teilung Indiens im Jahr 1947 zum Inhalt hatte und nie mit dem Anspruch daherkam ein Kandidat für den Goldenen oder die Silbernen Bären sein zu wollen – und es doch ist -, kann das gleich für den spanischen Festivalbeitrag „El Bar“ gelten. Auch dieser Film aus Spanien überzeugt, weil er klar ein bestimmtes Genre bedient. Dieses geschieht in seiner Erzählweise konsequent ohne dass das Ganze am Ende mehr sein will, als es ist.
Den spanischen Berlinale-Beitrag „El Bar“ bezeichnet sein Regisseur Álex de la Iglesia nach eigenen Aussagen als Horrorkomödie. Er kann zumindest als Horrorfilm mit komischen Element und einer Portion spanischer Überdrehtheit charakterisiert werden. Dabei ist der Film doch ein bisschen mehr als nur das. „El Bar“ lässt uns – wie eingangs schon erwähnt – in keiner Weiser spüren, das er unbedingt als gesellschaftlich relevantes Werk zu gelten beabsichtigt. Im Gegenteil, der Film unterhält, baut klar auf Spannungsmomente und sein Figuren, die allesamt als Archetypen unserer Gesellchaft portraitiert, auf. Und mit den Typen kann man sich auch noch identifizieren.
Einige Charaktere werden in der ersten Einstellung gleich vorgestellt. Auf einem belebten Madrider Platz folgt die Kamera den Figuren wie der schönen Elena (Blanca Suàrez), die mit ihrer Freundin über ihr bevorstehendes Date telefoniert, um dann zur nächsten Figur, dem Penner Israel (Jaime Ordenonez), zu schwenken und dann zur älteren Dame Trini (Carmen Machi), die gerade einkaufen geht, wechseln. Das Wechselspiel geht weiter. Alle Teilnehmer treffen sich kurz darauf in einer auf dem Platz gelegenen Bar wieder. Allen Charakteren, denen wir die nächsten zwei Stunden folgen, finden sich in dieser Bar zusammen. Der die Bibel zitierende Israel, die ältere Trini, der freundliche und zuvorkommende Barmann Satrur (Secun de la Rosa), ja, auch die schöne Elena. Alle. Am Ende sind es acht Menschen, denen wir folgen, denen die Kamera folgt, und die in gewisser Weise durch ein Fegefeuer gehen.
Alle zusammen sind sie in dieser Bar eingesperrt. Als ein Gast der Bar, genervt vom Penner Israel, den Laden verlässt, wird er kurzerhand vor dem Lokal von einem Scharfschützen erschossen. Einem ihm zu Hilfe eilenden Gast ergeht es nicht besser. Mit einem Mal ist der Platz vor der Bar menschleer. Im Fernsehen findet sich kein Wort über die sich draußen und drinnen abspielenden Geschehnisse.
Die acht Gäste, eingeschlossen in der kleinen Kneipe, überlegen, sinnieren und streiten darüber, was passierte und was zu tun ist. Sie können nicht hinaus. Draußen wartet der Tod. Sie sind eingeschlossen, sich selbst überlassen. Für acht Menschen beginnt eine Odyssee, eigentlich ein blanker Überlebenskampf, in der sie sich ihren Weg aus der Bar bis in die Kanalisation Madrids hinab bahnen und, so viel sei verraten, von denen nur einer überleben wird.
In diesem Kampf ums Überleben werden acht Menschen mit ihrem wahren Ich und mit ihrer nackter Angst konfrontiert. Die Rollen, wer das Sagen hat, wer der Feigling ist, wer über sich hinaus wächst oder vor Angst gelähmt ist, wechseln sich im Verlauf des Geschehens ständig. Die Handlung springt von einer extremen Situation zur nächsten.
Das ganze Elend hat klare Elemente eines Horrorfilms und erinnert in seiner Ausgangslage an John Carpenters „The End/Assault on Precinct 13“. Bei diesem Geschehen ist das Ganze aber mit einem ordentlichen Schuss Schwarzen Humor, dem eine Prise des absurden Humors von Luis Bunuel anhaftet, gut gewürzt. Übrigens sei Regisseur Iglesia, pfeifen es die Spatzen von den Dächern Berlinsn, ein bekennender Bewunderer von Bunuel. Mit seiner Struktur, seinen archetypischen Figuren, die sich im Kampf ums Überleben von einer Extremsituation in die nächste mit sich selbst konfrontiert sehen und über sich selbst hinaus wachsen müssen, um dann doch die Nerven zu verlieren, bietet er eine sehr universellen Darstellungsform, mit der wir uns alle ohne Probleme identifizieren können. Erinnert er hier doch ein wenig an das Katastrophendrama „The Poseidon Adventure“ von Ronald Neame. Auch da eine Gruppe von Menschen, eingeschlossen im Bauch eines gekenterten Ozeanriesen, die sich den Weg in die Freiheit bahnen und Extremsituationen standhalten müssen. Gerade weil „El Bar“ so universell und archetypisch gezeichnet wurde, ist es ein Vergnügen, ihn zu sehen und mit seinen Akteuren mitzufiebern und am Ende auch etwas mitzunehmen.
„El Bar“ könnte sich gerade deswegen zu einem Kultfilm entwickeln. Das Zeug dazu hat er und zwar in jeder Hinsicht. Er ist von seinen Grundelementen nicht unbedingt neu, aber originell allemal. Einziger Wermutstropfen: beim Hinausgehen aus dem Kinosaal erinnert ein Blick ins Programm der Berlinale, dass der Film außer Konkurrenz läuft. Schade eigentlich.
* * *
Originaltitel: El Bar
Englischer Titel: The Bar
Land: Spanien
Jahr: 2017
Regie: Álex de la Iglesia
Buch: Jorge Guerricaechevarría
Kamera: Ángel Amorós
Schnitt: Domingo González
Musik: Joan Valent, Carlos Riera
Darsteller: Blanca Suárez, Mario Casas, Carmen Machi, Secun de la Rosa, Jaime Ordenonez, Terele Pávez
Dauer: 102 Minuten
Produzenten: Carolina Bang, Kiko Martínez, Mikel Lejarza, Mercedes Gamero, Álex de la Iglesia