Die Kaiserpfalz zu Goslar ist im Wesentlichen ein langgestreckter Querbau aus Natursteinquadern mit einem spitzen Dach. Auf der Mitte der Längsseite trägt sie einen flachen Giebel, der das Dach nicht überragt. Auf halber Höhe des Gebäudes erstreckt sich eine Galerie romanischer Rundbögen über die Vorderseite. Zu dieser gelangt man über eine Freitreppe unter dem Giebel, die von zwei bronzenen Löwen bewacht wird. Unter dem Rundbogen sitzend, die streitenden Parteien auf der Freitreppe, tagte hier sozusagen das oberste Gericht, wenn der Herrscher anwesend war.
Von hier aus herrschte von 1056 bis 1062 die erste weibliche Regentin Deutschlands, Agnes von Poitou. Aber sie herrschte nicht nur Deutschland, denn sie war auch Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches, welches zu dieser Zeit außer dem Königreich Deutschland noch die Königreiche Italien, Böhmen und Burgund umfasste, die Benelux-Länder und die Alpenländer Schweiz und Österreich waren ohnehin noch Bestandteile des deutschen Königreichs, zu welchem allerdings die meisten heutigen ostdeutschen Länder zu dieser Zeit nicht gehörten, lediglich Thüringen und der Westen Sachsen-Anhalts. In den anderen hatten nach einem großen Aufstand die Vorfahren der heutigen Lausitzer Sorben und Wenden ihre Freiheit ersteinmal wiedergefunden. Aber sogar die Könige von Polen und Ungarn waren gewissermaßen ihre Untertanen, denn sie hatten ihrem verstorbenen Gatten den Lehnseid geschworen. Theoretisch zumindest war sie die mächtigste Person Europas, wenn nicht der ganzen Welt. Wie war es dazu gekommen?
1039 hatte hier in Goslar König Heinrich III. Seine Regentschaft angetreten, da sein Vater, Kaiser Konrad II. verstorben war. Dieser hatte ihn schon als Kind zum deutschen König krönen lassen, so dass es keiner Formalitäten, wie der Königswahl auf einem Reichstag, mehr bedurfte. Seine erste Frau stirbt früh und er beschließt sich wieder zu verheiraten. Seine Wahl fällt auf die Tochter des Herzogs Wilhelm V. Von Aquitanien, eben jene Agnes von Poitou. Das Poitou ist eine Landschaft im Süden Frankreichs, gekennzeichnet u.a. durch die Zucht besonders großwüchsiger und zotteliger Esel, welche man auch im Berliner Tierpark besichtigen kann. Die erste weibliche Regentin Deutschlands war also Südfranzösin, oder richtiger Provenzalin, denn das damals zu Burgund gehörige Aquitanien sollte erst in der späteren Geschichte mit Frankreich verschmelzen. Das alles soll aber nicht heißen, das Agnes eine besonders große Eselin war! Im gegenteil, die Zeitgenossen beschreiben sie ganz anders: Da ist die Rede, dass sie edel, verständig und lebensfröhlich war. Von ihrer Schönheit und von ihrem anmutigen Wesen ist ebenso die Rede. An anderer Stelle wird sie als freigiebig, nachsichtig und herzgewinnend liebenswürdig beschrieben. Auch als die gescheite und heitere Tochter des Südens wird sie gern bezeichnet.
Der dritte Heinrich begab sich jedenfalls 1043 ins burgundische Besancon, um mit Agnes die Ehe zu schließen. Es soll ein sehr buntes Fest gewesen sein. Die Provenzalen waren bekannt für ihre Troubadure, Musiker, Joglers (Jongleure), Tänzer und Tänzerinnen, Seiltänzer und Clowns. Heinrich, der nüchterne Niedersachse, hatte aber nicht so viel Freude daran, jedenfalls verweigerte er den Gauklern das übliche Geschenk. Er gab das Geld lieber den Armen von Besancon, da die Gegend gerade von einer Hungersnot heimgesucht wurde.
Die Herrscher jener Zeit damals heirateten selten aus Liebe, eher aus Gründen der Standesehre oder politischen Interessen, aber zwischen Heinrich und Agnes scheint die Chemie gestimmt zu haben, jedenfalls bekommt sie von ihm gleich ein großes Geschenk, nämlich die reichhaltigen Einkünfte der Abtei St. Maximin in Trier.
Heinrich III. War ein mächtiger Herrscher, der sich von Päpsten, Herzögen, Grafen und anderen Großen im Reich nicht auf die Füße treten ließ. Das Volk liebte solche Herrscher, so wie auch wir uns heute eine Regierung wünschten, die Geldaristokraten, Banker, Manager und das ganze Zeug, in die Schranken weist. Heinrich setzte jedenfalls Herzöge, die nicht spurten, ab und neue ein, wie es ihm beliebte.
Im Vatikan herrschte gerade mal wieder die allergrößte Lotterei: Papst Benedikt IX. War schon als Kind zum Papst geweiht worden, gab sich als Jüngling allen erdenklichen Ausschweifungen hin und verkaufte schließlich sein Amt, als er heiraten wollte. Den Papsttitel aber führte er weiter. Papst Gregor IV. War der Käufer, der sich damit einen Großteil der vatikanischen Einkünfte sicherte. Papst Sylvester III. Schließlich war vom rebellischen Volke Roms auf den Stuhl Petri gesetzt worden, konnte sich aber gegenüber der Adelspartei, die Gregor IV. Unterstützte, nicht durchsetzen. So hatte Rom denn der Päpste drei und niemand wusste, wer denn nun eigentlich der Oberhirte der westeuropäischen Christenheit sei.
Der gläubige, aber von der kirchlichen Korruption angeekelte, König Heinrich beschloss einzugreifen: Mit seinen Rittern und seiner Frau Agnes zieht er über die Alpen nach Rom. Zu Weihnachten 1046 spricht er im Vatikan ein Machtwort: Alle drei Päpste fliegen raus. An ihre Stelle setzt er seinen Landsmann und guten Vertrauten Snidgar, Bischof von Bamberg, als Papst Clemens II. ein. Dieser revanchiert sich noch am selben Tage, indem er Heinrich zum Kaiser und Agnes zur Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches krönt.
Clemens II. begann, mit der Korruption und der Sittenlosigkeit der Kirche aufzuräumen, starb aber schon im Oktober des nächsten Jahres. Kaiser Heinrich setzt wieder einen ihm vertrauten Deutschen zum Papst ein, Damasius II. Dieser verstarb nach wenigen Wochen. Der nächste Deutsche, den der Kaiser auf den päpstlichen Stuhl setzte,zum Zwecke des Aufräumens, nannte sich Leo X. Er starb im folgenden Jahr. Erst der vierte Deutsche, den der Kaiser als Papst einsetzte, Viktor II. , erwies sich als schneller bzgl. der Entfernung von kriminellen Seilschaften aus dem Vatikan, als diese zuschlagen konnten und so blieb er vom Giftmord verschont.
Leider verstirbt der tatkräftige und redliche Kaiser Heinrich III. Bereits am 8. Oktober 1056, erst 39 Jahre alt. Zwar hat auch er schon seinen Sohn Heinrich, als Heinrich IV. ,zum deutschen König gemacht. Aber der war erst 6 Jahre alt. Als sein Vormund wird Kaiserin Agnes nun zur Regentin Deutschlands und des Heiligen Römischen Reiches.
Agnes war Heinrich immer eine treue und liebende Frau gewesen. Noch kurz vor seinem Tode hatte er ihr seine Wertschätzung dadurch ausgedrückt, dass er ihr das Herzogtum Bayern verlieh. Dies war etwas völlig Neues in Deutschland. Natürlich hatte es auch zuvor schon Herzoginnen gegeben, insofern als dass Herzöge in der Regel Ehefrauen hatten. Aber dass eine selbst mit einem Herzogtum belehnt wurde, war ein Novum. Nun, nach Heinrichs Tod, wurde die geistreiche und heitere Tochter des Südens wohl eine recht lustige Witwe. Sie wird nun beschrieben als eine „schöne und schwache Frau, dem Lebensgenuss, den Huldigungen und Schmeicheleien der Männer offen“.
Ihre Regierung stand allerdings unter keinem guten Stern: In ihren ersten beiden Regierungsjahren wüteten gleichermaßen Hungersnot und Pest. Im dritten Jahr wuchsen zwar wieder reichlich Weizen und Wein, aber die Pest wütete immer noch. Die Pestilenz wurde beendet durch einen Besonders harten Winter, der jedoch erstmal den Hunger zurückbrachte.
Wie auch heute die neoliberalen Geldbonzen einen starken Staat ablehnen und ihn durch permanente Steuergeschenke arm und schwach machen wollen, waren damals auch die großen Feudalbonzengegen eine starke Staatsgewalt und schon bald nach dem Tode Heinrichs, der sie in die Schranken zu verweisen gewusst hatte, sahen sie ihre Stunde gekommen. Schon bald begannen sie eine Hetzkampagne gegen Kaiserin Agnes: „Dass sei doch bei den Deutschen unerhört, dass eine Frauenhand die Zügel des Reiches führe, da doch bekannt sei, dass Weibertreue flüchtiger sei als Wasser und Wind, bald ja bald nein sage, und hasse und liebe wie ihre Laune wechsle. Der junge König werde für den Spinnrocken erzogen, nicht für das Reich, und mädchenhaft verweichlicht. Der Bischof Heinrich, der Kaiserin Buhle, verkaufe Ehren, Ämter, Recht und Gerechtigkeit, und verfüge willkürlich über die Einkünfte des Reiches.“ Die Korruptionsvorwürfe gegen den genannten Bischof waren wahrscheinlich unberechtigt, da gerade der verstorbene Kaiser solche Menschen wohl nicht in seiner Umgebung duldete. Andererseits waren indes derartige Praktiken wohl so weit verbreitet, dass man sie noch nahezu jedem anhängen konnte, ohne dabei an Glaubwürdigkeit einzubüßen.
Schon bald traf sie die erste Gewalttat: Ihre elfjährige Tochter Mathilde befand sich beim Bischof von Constanz zum Zwecke ihrer Ausbildung. Der unbedeutende schwäbische Graf Rudolf von Rheinfelden entführte diese Tochter. Um sie wiederzusehen, musste sie sie ihm anverloben und ihn zum Herzog von Schwaben erheben, nachdem er sich mit seinem nun auch schon zum Schwager des künftigen Königs gemacht hatte.
Der nächste Gewaltakt traf noch härter. Hanno, Erzbischof von Köln, war das Haupt der Verschwörer. 1062 luden sie die Kaiserin und den jungen König zu einem Festmahl auf die Rheininsel zu Kaiserswörth. Während noch die ganze Gesellschaft fröhlich tafelte, lockte Hanno den unmündigen König Heinrich in ein neues, prächtig geschmücktes Schiff. Kaum hatte Heinrich dieses Betreten, wurde der Anker gelichtet und wurden die Leinen losgemacht. Der junge König springt in den Rhein, um sich zu befreien, aber Egbert, Graf von Braunschweig, zerrt ihn brutal wieder in das Boot. Er muss mit nach Köln; Bischof Hanno hat ihn in seiner Gewalt. Kaiserin Agnes legt daraufhin ihre Regentschaft nieder und verschwindet aus der Geschichte. Hanno übernimmt nun als neuer Vormund Heinrichs die Regentschaft.
Die Kaiserin des Heiligen Römischen Imperiums erwies sich als praktisch machtlos, weil die Feudalbonzen eine Frau, zumal noch eine fremdländische, einfach nicht respektieren. Auch vor der Misshandlung eines noch unmündigen deutschen Königs schreckten sie nicht zurück. In späteren Jahrhunderten werden in solchen Situationen die deutschen Könige und Kaiser in solchen Situationen einen wichtigen Verbündeten in den erstarkenden Städten finden. Die Handwerker und Kleinhändler, die einen starken Staat gegen die Übergriffe der Feudalbonzen, sichere Wege und Straßen brauchen, werden sich in vergleichbaren Situationen gegen den Übermut von Bischöfen, Herzögen und Grafen stellen. Aber in dem finsteren Jahrhundert der Agnes von Poitou bleibt das Volk noch ein stummer Zuschauer.
Lange wird indes der Triumph der Verschwörer und Gewalttäter nicht währen. Schon drei Jahre später ist Heinrich IV. Immerhin schon 14 Jahre alt und nimmt die Regentschaft in die eigenen Hände. Ein halbes Jahrhundert lang wird er den Kampf seines Vaters gegen machlüsterne, verkommene Päpste und verschwörerische Herzöge und Grafen, die immer mehr Macht an sich reißen möchten, fortsetzen. Einmal wird er sich vor der Bergfeste Canossa vor einem Papst demütigen müssen, aber letztlich doch obsiegen. Dieser Kampf wird als der sogenannte Investiturstreit in die Geschichte eingehen, Heinrich selbst, obwohl er sehr viel älter geworden ist, als sein Vater, mit dem Beinamen Heinrich IV. , das Kind. Das nationalistische 19. Jahrhundert wird aus ihm einen Nationalhelden machen, Nachfolger Herrmanns des Cheruskers und Vorläufer Luthers im Kampf gegen Deutschlands Beherrschung durch Rom. Dazu musste man aber seine Mutter gründlich vergessen, denn die kam ja vom Erbfeind Frankreich, was dann auch geschah.
Heute nun regiert uns wieder eine Regentin und da das letzte Mal so lange her ist, glauben die Meisten, es sei das erste Mal. ( Zwischendurch gab es noch eine Kaiserin Maria-Theresia, die zwar praktisch nur in Österreich Nacht besaß, nominell aber auch gesamtdeutsche Regentin war. ) In diesem Herbst muss der Souverän entscheiden, ob die Kanzleri
Wahrscheinlich darf sie es, denn die SPD schwächelt, nicht ganz unverdientermaßen, gewaltig, sie hat gute Umfragewerte und selbst bei einer Mehrheit von SPD, Grünen und LINKEN ist es eher unwahrscheinlich, dass diese sich auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen können. Sicher, sie mit ihrer Mimik und Gestik medial gut rüber. Sicher, gegenüber Kohl, der die innere Einheit Deutschlands vermasselt hat, mit der Treuhand die gigantische Sockelarbeitslosigkeit im Osten schuf und dann noch die Geldkofferaffäre draufsetzte und gegenüber Schröder, der als einer der größten Wahlversprechensbrecher aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird und mit der Agenda 2010 vorzugsweise den eigenen Wählern in den Hintern trat, bislang vergleichsweise weniger Schaden angerichtet. War aber auch nicht sehr schwer, etwas besser abzuschneiden, als diese beiden Vorgänger. Sicher, man kann nun nicht sagen, Ostdeutsche und Frauen machen es grundsätzlich schlechter als westdeutsche Männer. Darin mag immerhin ein Verdienst liegen. Sicher, ihre „Reformpolitik“ hatte mehr Augenmaß als die ihres Vorgängers.
Aber im Grunde hat sie doch jene neoliberale Politik fortgeführt, die uns, nahezu weltweit betrieben, in die gegenwärtige Krise geführt hat. Und erinnern wir uns auch daran, dass sie noch vor der letzten Bundestagswahl davon träumte, nach einem Traumergebnis für die CDU, neoliberal „durchregieren“ zu können. Am Wahlabend sah man sie denn nicht als strahlenden Sieger, sondern den Tränen nah: Die Union war zwar etwas stärker als die anderen politischen Kräfte, hatte aber erheblich eingebüßt. Die SPD hatte unerwartet aufgeholt und vor allem das Bündnis aus PDS und WASG war in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen und hatte damit die Alleinherrschaft der neoliberalen Blockparteien in diesem beendet. Da entwickelte sie dann dieses gewisse Augenmaß. Wenn sie dieses behalten soll im Falle einer Wiederwahl, muss die linke Opposition bei den kommenden Bundestagswahlen weiter zulegen, um so deutlicher, um so besser. Egal, was sie selber will oder nicht, sie wird sonst dem Druck der Großen im „Reich“ der Kapitalbonzen erliegen, die Krisenlasten auf die Mehrzahl der Bevölkerung abzuwälzen.