Hamburg, Deutschland (Weltexpress). Die Bilanz des deutschen Vorsitzes in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) fällt dürftig aus. Die OSZE hat zwar an Bedeutung gewonnen, diese Chance hat die deutsche Politik aber nicht ausreichend genutzt. Was fehlte, war der Mut zu einer politischen Neubestimmung, zum Bruch mit einer auf militärische Stärke ausgerichteten Außenpolitik, die Anknüpfung an die Traditionen von Egon Bahr und Willy Brandt. Heute beginnt in Hamburg die Tagung des OSZE-Ministerrats.
Der deutsche OSZE-Vorsitz hat weder der Stationierung von NATO-Truppen in den baltischen Ländern widersprochen, noch den NATO-Großmanövern bzw. den von der NATO unterstützten Militärübungen etwa in Polen Widerstand entgegengesetzt. Russische Gegenaktionen auf russischem Territorium waren danach zu erwarten. Das Vorrücken der NATO hat das gegenseitige Vertrauen verringert, dabei ist es eine der Kernaufgaben der OSZE, Vertrauen aufzubauen.
Die OSZE hat unter deutschem Vorsitz Aufgaben bei der Umsetzung des Minsker Abkommens zur Befriedung des Ukraine-Konfliktes übernommen. Das war und ist richtig. Den Beitrag der deutschen Außenpolitik zu Minsk II bewerte ich nach wie vor positiv. Er könnte größer und effektiver sein, wenn Deutschland und Frankreich sich nicht immer wieder auf die Kiewer Konteraktionen eingelassen hätten.
Der Einfluss der OSZE in Europa wäre tiefgreifender und stärker, wenn sich die Organisation unter deutschem Vorsitz der Sanktionspolitik gegen Russland widersetzt hätte. Doch Deutschland hat die Sanktionspolitik wesentlich mitgetragen. Die Widersprüchlichkeit, für einen deutsch-russischen Dialog zu werben, ihn aber gleichzeitig zu blockieren, hat die Handlungsmöglichkeiten der OSZE in Mitleidenschaft gezogen. Dass Russland in der OSZE nicht wie im Europarat mit zusätzlichen Sanktionen belegt worden ist, war vernünftig, aber nicht ausreichend.
Erst in der letzten Phase des deutschen OSZE-Vorsitzes hat Außenminister Steinmeier das Thema Abrüstung in Form einer Initiative für Rüstungskontrolle aufgerufen, die allerdings weite Bereiche der Rüstungspolitik, an denen die USA ein großes Interesse hat, ausblendet. Zudem sind deutsche Abrüstungsvorschläge, wenn sie nicht den Bereich deutscher Rüstungsexporte umfassen, weniger glaubwürdig. Trotzdem sollten Abrüstungsinitiativen die OSZE stark prägen.
Es bleibt dabei: Statt Geld, Politik und Kraft in die NATO zu investieren, sollte die OSZE gestärkt werden. Dazu ist auch eine selbstkritische Bilanz des deutschen Vorsitzes nötig. Dass die Tagung in Hamburg, die unter massivem Polizeischutz stattfinden muss, dafür das richtige politische Klima bietet, darf bezweifelt werden.