Der Weg und das Ziel – Alpines Wintervergnügen im Tiroler Oberland

© Foto: Dr. Bernd Kregel

„Als die Römer frech geworden, zogen sie nach Deutschlands Norden ”¦“ Sicherlich kein Kinderspiel, wie das kecke Lied suggerieren mag. Denn lange nach Hannibal war es auch ohne Kriegselefanten immer noch schwierig genug, die mächtige Barriere des Alpen-Hauptkamms zu überwinden. Klaffte hier bislang doch eine empfindliche Lücke in dem sonst so perfekten römischen Wegenetz, die es nun schleunigst zu schließen galt.

Blick für das Durchgangsland

Heraus kam bei diesen Bemühungen die „Via Claudia Augusta“, die seit der Zeitenwende Abhilfe schuf. Entlang der Etsch führte sie von Süden her hinauf zur Wasserscheide der Hochalpen, um dann auf der Rückseite des Reschenpasses dem reißenden Inn in Richtung Donau zu folgen. Von nun an erwies sich die Alpen-Überquerung auf der neuen Passstraße nicht mehr ganz so schweißtreibend wie zuvor. Allein dieser Umstand begründete einen nicht zu unterschätzenden Motivationsschub für die römischen Legionäre, die ihren Militärdienst im feuchtkalten Germanien oftmals nur mit Widerwillen ableisteten.

Hätten sie damals auch nur im Geringsten ahnen können, dass einst sonnenhungrige Nordeuropäer in rollenden Blechlawinen genau die Gegenrichtung einschlagen würden? Dabei stets beflügelt von einer in Jahrhunderten gewachsenen Italiensehnsucht und zudem in ihrer romantischen Vorstellungswelt berauscht von der roten Sonne, die bei Capri stimmungsvoll im Meer versinkt. Doch mit den Jahren weitete sich ihr Blick. Und dieser Umstand führte zu der folgenschweren Erkenntnis, dass bereits das alpine Durchgangsland mit respektablen Attraktionen aufwartet. „So wurde der einstige Weg immer mehr zum eigentlichen Ziel.“

Von der Wildspitze zur Königsspitze

© Foto: Dr. Bernd KregelFür einen Moment hält Skilehrer Hely Wolf aus Nauders inne. Denn die gemeinsame Schneeschuhwanderung auf einem verharschten Schneefeld oberhalb seiner Heimatgemeinde fordert ihren Tribut bei den Wintersport-Neulingen. Aber Hely verschwendet keine weiteren Worte, um seine Behauptung zu begründen. Reicht doch sein ausgestreckter Arm als Beweis völlig aus. Der beschreibt einen weiten Bogen von der Wildspitze in den nahen Ötztaler Alpen bis hin zur Königsspitze in der weiter südlich gelegenen Ortlergruppe. Allesamt Bergriesen, die die viertausend Höhenmeter nur knapp verfehlen.

Sie markieren das Dreiländereck von Österreich, Italien und der Schweiz, deren Außengrenzen hier am oberen Inn mit den Landschaften Tirol, Südtirol und Engadin unmittelbar aneinander stoßen. Und dabei ein Wintersportgebiet von riesigen Ausmaßen erschaffen, in dem bis weit in den Frühling hinein alle Wintersport-Disziplinen nach Herzenslust zelebriert werden können.
   
Grenzfestung zur Abschreckung

© Foto: Dr. Bernd Kregel„Italien allerdings stieß erst relativ spät zu diesem Dreierclub hinzu, musste ihm doch nach dem Ersten Weltkrieg erst der geographische Teilbereich Südtirol zugesprochen werden.“ Wanderbegleiter Hermann Klapeer kennt sich bestens aus mit den einstigen Grenzstreitigkeiten in dieser politisch hochsensiblen Gegend. Und natürlich auch mit den östereichisch-schweizerischen Scharmützeln, die hier das grüne Wasser des Inns zuweilen rot färbten.

Die gemeinsame Wanderung entlang dem reißenden Gebirgsfluss endet an der Feste Altfinstermünz. Einem trotzigen Wehrturm inmitten der schäumenden Gischt, der aufflammenden Begehrlichkeiten zur Abschreckung einen Riegel vorschieben sollte. Und der aus Sicherheitsgründen mit der Burganlage auf der anderen Seite des Flusses lediglich durch eine schmale Holzbrücke verbunden ist. Versehen nur mit einem extrem engen Durchschlupf, der die Händler früherer Zeiten dazu zwang, an diesem verkehrstechnischen Nadelöhr die eisenbeschlagenen Reifen ihrer Pferdefuhrwerke aufwändig zu wechseln.  
 
Kulturraum Ostalpen

Heute jedoch dient die von Grund auf renovierte Grenzfestung vor allem als Denkmal für den Kulturraum der Ostalpen. Denn nach aktueller Sichtweise überwiegen vor dem Hintergrund der individuellen Landesunterschiede an dieser zentralen Stelle die Gemeinsamkeiten alpenländischer Kultur. Dieser Eindruck verfestigt sich sogleich bei der Burgbesichtigung, die beim Abschreiten der Säle, Gänge und Türme einer Zeitmaschinen-Reise in Richtung Vergangenheit gleichkommt.

Ganz ähnlich wie im Schloss Nauders oberhalb des österreichischen Grenzortes. Schlossführer Ludwig Thoma hat sich wie kein Zweiter mit der Funktion und Bedeutung dieses wehrhaften Gebäudes beschäftigt. Und weiß daher ausführlich zu berichten über dessen einstige Funktion als Sitz des Tiroler Obergerichts, in dem durch die Jahrhunderte hindurch Recht gesprochen wurde: „Mit teilweise abartigen drakonischen Strafen, deren abschreckende Wirkung noch zur Zeit Maria Theresias die Untertanen das Fürchten lehrte“.

Eigenwilligkeiten der Natur

© Foto: Dr. Bernd KregelWie befreiend dagegen die Wanderung hinauf zum Hochtal der Pfundser Tschey oberhalb der Gemeinde Pfunds. Hirtin Anita Gnigler mit ihren vier lebhaften schwarzweiß gescheckten Hirtenhunden erweist sich dabei als eine ideale Begleiterin. Als Betreuerin von 700 Schafen kennt sie die Natur und ihre Eigenwilligkeiten nur zu genau und weiß über den Alltag inmitten der alpinen Bergwelt ausführlich zu berichten. Über versprengte Schafe und Unwetter im Sommer sowie Schneeverwehungen und Lawinenabgänge im Winter.

Es ist ein strahlender Sonnentag, bei dem der Abschied von den mit Schnee gepuderten schlichten Almen-Holzhütten schwerfällt. Und auch von der kleinen Kapelle, die hier unerwartet mit ihren bunten Glasfenstern zur inneren Einkehr einlädt. Eine zünftige Jause im Tal jedoch, das lehrt die alsbaldige Erfahrung, hilft bei heimischem „Schmugglerkäse“ und pikant geräuchertem Schinken- und Hartwurst-Kreationen wirkungsvoll über diesen Trennungsschmerz hinweg.

Informationen „Tiroler Oberland / Nauders“
:

Anreise: Mit dem Auto über München – Kufstein – Innsbruck; mit dem Flugzeug und der Bahn über Innsbruck. Weiter nach Ried, Pfunds oder Nauders mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Einreise: Im Schengen-Gebiet Österreich ist ein Personalausweis für Reisezwecke ausreichend.

Reisezeit: Wintersaison von Mitte Dezember bis nach Ostern; Sommersaison von Mai bis Oktober

Unterkunft: Ried: Hotel Belvedere, Website: www.hotel-belvedere.at; Pfunds: Hotel Kreuz, Website: www.hotelkreuz.at; Nauders: Abenteuerhotel Astoria, Website: www.astoria-nauders.com

Auskunft: Tourismus Information Tiroler Oberland, Kirchplatz 48, 6531 Ried i.O., Tel. +43-(0)50-225100, Website: www.tiroler-oberland.com, Email: office@tiroler-oberland.com; Nauders: www.nauders.com

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