Mit der Kopie der »Arzneimittelrichtgrößenvereinbarung § 84 Abs 6 SGB V – gültig vom 1.7.2011« beantwortete auch der Kardiologe meine Bitte um ein Rezept. Er gab es mir/bzw. der Hausärztin schriftlich: »Ich bin in die Honoraruntergruppe HUG 2011 eingeordnet worden. Praxisbesonderheiten sind für uns nicht ausgewiesen. Solange die aktuelle Vereinbarung gilt, stehen mir pro Patient pro Quartal 31,78 EUR zur Verfügung. Ich bitte Sie, das bei der medikamentösen Patientenversorung zu berücksichtigen. Sobald wieder etwas mehr Vernunft einzieht, stehe ich Ihnen wieder zur Verfügung.«
Das kann dauern. Und was macht der Patient bis dahin?
Ich eilte zu »meiner« BARMER am Alex und hörte mir den Vortrag eines frisch geschulten Mitarbeiters an. Erkenntnis: Die Neuordnung der Budgets war notwendig! Blablabla. Aber: Hausärztin und Kardiologe müssen sich einigen, einer muss mir die Medikamente verschreiben. Da bei meinem Gesundheitszustand jederzeit begründet werden könne, weshalb das Budget überschritten wird, dürfte es keine Probleme geben. Und wenn doch, so stünde mir der Weg der Beschwerde bei der Kassenärztlichen Vereinigung offen. Er und die BARMER könnten leider, leider nichts für mich tun. Blablabla. Und alles Gute!
Zufällig versorgt die Kassenärztliche Vereinigung Berlin mich regelmäßig per mail mit allerhand Erkenntnissen. Die jüngste (vom 17.8.) lautet: »Berliner Patienten nicht vom medizinischen Fortschritts abschneiden. Neue Regelungen zu Arzneimittelrichtgrößen in Berlin gefährden langfristig die Medikamentenversorgung und belasten Arzt-Patientenverhältnis.«
Das muss nicht sein. Ich schaute abermals bei der Hausärztin rein, und kam gerade recht, um ihre Tränen zu trocknen: Sie hatte einem todgeweihten Patienten ein linderndes Medikament verschrieben – trotz ausgeschöpften Budgets. Als sie sich höheren Orts dafür rechtfertigen musste – Ordnung muss sein! – hatte ihr ein Schreibtischtäter erklärt: »Und der Mann ist trotzdem gestorben – nur etwas später.« Verständlich, dass sie vor der Verschreibung meiner Medizin zurückschreckte und auch keine Lust hatte, sich mit dem Kardiologen verbal zu duellieren.
Der war – als ich ihn besuchte – gerade dabei, sich auf seinen x. Regressstreit vorzubereiten. Er wusste den Justiziar seiner Klinik an seiner Seite und erklärte mir fröhlich: »Und wenn ich Sie mit Chappi gesund machen könnte (Nobelpreisverdächtig! K.Sch.), ich dürfte es nicht. Der Preis für Chappi überschreitet mein Budget.«
»Und was mache ich nun?«
»Versuchen Sie’s in Polen!«
Wir wechselten noch einige wenig druckreife Gedanken über das aktuelle Gesundheitswesen und schieden als Freunde. Aber ich fürchte, demnächst bleibt auch mir nur der Griff zur Pulle statt zur Pille. Doch ob das mein Herz mitmacht?