Mühldorf, Deutschland (Weltexpress). ‚Lost in Oberbayern‘ könnte man den Tag benennen, an dem ich nachmittags im dicken Nebel in Mühldorf am Inn einen Termin verpasste, dann auch noch in eine falsche Richtung geschickt wurde und irgendwie doch das Dorf Mettenheim fand, mit einem schönen, zum Kulturzentrum ausgebauten Gehöft, dort sollte die Verleihung des ‚Mühldorfer Kulturpreis‘ stattfinden. Beachtlich die Auflistung der nominierten Künstler aus der Region, doch meine Aufmerksamkeit galt letztendlich einem Kontrabass, ein Instrument, das ich schon immer faszinierend fand. Leider durfte sein Besitzer Claus Freudenstein an diesem Abend nicht musizieren, doch man erfuhr, dass er auch einen Mini-Bass für Kinder hatte konstruieren lassen und schon eine recht beachtliche Zahl junger Menschen darauf unterrichtet. Mit seinem Unterricht in der Musikschule Mühldorf begeistert er, Vierjährige spielen und singen mit einem bunten Mini-Bass im Arm. Der warme, tiefe Ton scheint Kinder ebenso wie Erwachsene zu betören. Der Star ist hier offensichtlich ein Instrument, das bis heute von vielen Konzertbesuchern oft noch übersehen wird. Der Kontrabass wirkt wie maßgeschneidert für Claus Freudenstein, der ihm eine Palette von überraschend kraftvoll schwingenden Tönen entlocken kann. Zudem besitzt er die Gabe wunderbar mit den kleinen Musikern zu kommunizieren, sie zu motivieren. Die Kinder reagieren extrem sensibel auf dieses Instrument, fiddeln mit strahlenden Augen, von Zwang oder Drill kann hier wirklich nicht gesprochen werden.
Lokal und international
Der Künstler setzt sich mittlerweile weltweit mit viel Energie und Zeit für einen größeren Bekanntheitsgrad des Kontrabasses ein, da der prägnant tiefe Klang nach neuesten Erkenntnissen auch als eine Art heilende Frequenz angesehen werden kann. Dabei hat der Erfinder des Minibasses selbst erst sehr spät zur Musik gefunden.
Seine Kindheit verlief ohne musikalische Aktivitäten und sein Berufsleben führte ihn zuerst in das Finanzamt Mühldorf, bis er mit 22 Jahren einen Kontrabass live erlebte. Ein urplötzliches Erkennen schien in ihm aufzuflackern, das mit dem Kauf eines Instruments dann zur Erkenntnis führte, das er Musiker werden müsse. Nach nur zwei Jahren Unterricht erreichte er Hochschulreife und setzte sein Studium an der Münchner Hochschule für Musik und Theater fort. Wenngleich er am Anfang seiner Karriere auch in Sinfonieorchestern spielte, positionierte er sich im Laufe der Jahre mehr zu einer Solistenlaufbahn hin. Für den Kontrabass war es ihm ein Anliegen Grenzen zu überwinden und neue Weg zu finden, um das Instrument wieder in den Fokus der Konzertwelt zu stellen.
Ein Quartett und internationale Basstage
Mit seinem Quartett ‚The Bassmonsters‘ – zusammengesetzt aus prominenten Spitzenbassisten- bricht er Genreabgrenzungen auf, mühelos entsteht dabei eine einzigartige Synthese aus Rockmusik und klassischer Musizierkunst. Auf internationaler Ebene ist das Ensemble viel unterwegs, kürzlich ist auch eine zweite CD erschienen. Zudem sind weltweite Masterclasses ein weiteres Standbein, Freudenstein ist durch sein international geprägtes Wesen überall willkommen und sein kreatives Musikempfinden wirkt bereichernd auf die internationale Bassszene.
Aber nicht nur das, stolz erklärt Freudenstein: „Seit dem Jahr 2014 organisiere und leite ich die Bayerischen Basstage mit der Konzertreihe „Masters of Bass“, die sich nicht zuletzt durch die Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk und durch die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung und des Mühldorfer Anzeigers zu einem überregional herausragendem Kulturereignis entwickelt haben.“ Gerade gingen die Basstage 2019 zu Ende und die Liste des Who is Who in der Basswelt konnte sich sehen lassen. Die großen Namen treffen sich gerne in der Entspanntheit der bayerischen Provinz, täglich wird unterrichtet und diskutiert. Auch Kompositionen von Claus Freudenstein wurden von den zirka 60 Bassisten aus aller Welt aufgeführt.
Zukunftsvisionen
Was hier in Mühldorf geschieht, kann der aktuellen etwas ins Stocken geratenen Klassikwelt helfen alte Strukturen aufzubrechen und neue Weg zu gehen. Jung und Alt zusammenzubringen ist ein wichtiges Anliegen. Ein kreatives Miteinander, in einer von Technik kontrollierten Umwelt, zeigt sich als absolutes Muss. Claus Felsenstein betont immer wieder, dass dieses Instrument noch lange nicht an seine Grenzen gelangt ist, die dynamische Entwicklung der Musik sei nie abgeschlossen. Ein Nachwuchsproblem ist hier nicht zu verzeichnen und dafür darf man Claus Freudenstein sehr dankbar sein. Auch kompositorisch wird von Claus Freudenstein noch viel Interessantes zu hören sein. Der Mann ist ein Glücksfall für das Instrument sowie für die aktuelle Musikszene.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Midou Grossmann wurde im KULTUREXPRESSO am 6.12.2019 erstveröffentlicht.