So schreibt Johann Hari im The Independent: “Wir alle finanzieren die Bigotterie der Saudis!” Seiner Meinung sind es nicht die großen Marken wie Coca Cola, Apple oder Nike, die weltumspannende Karrieren gemacht haben, sondern der Champion sei ein puritanischer Wüstennomade aus Arabien, der schon seit 1765 tot ist. Die Rede ist von Muhammad Ibn Abd-al Wahhab. Der nämlich hatte einen Traum. Er wollte die reine und puritanische islamische Religion und studierte in Bagdad einen Gelehrten aus dem 8. Jahrhundert, der alle Hadith (Wissenschaft) verwarf und den Koran als monolithisches Werk des Himmels erscheinen ließ, dem Menschen nichts hinzufügen dürften. Diese Lehren fasste Wahabb im Buch der Einheit (kitab at-tauhid) zusammen, in dem er eine einfache Natur Gottes und seiner Offenbarung verkündete. Hinzu fügte er noch die Lehren Ibn Taimiyas, der sich gegen eine Schwächung des Islam durch fremde Einflüsse wandte und die Logik, die empirische Wissenschaft Griechenlands sowie die islamische Mystik geißelte, die er für ein feindliches, dem christlichen Glauben entlehntes, Element hielt. So entstand die “Reformation” des Islam. Die Wahhabiten betrachten sich als die einzig wahren Muslime und lehnen alle anderen Richtungen des Islam, insbesondere den Sufismus und die Schia ab. Talibane und ein Teil von El Kaida sollen sich auf diese Lehre berufen haben.
Als es 1744 zu einer Vertragsunterzeichnugn zwischen Abd al-Wahhab und Ibn Saud kam, in dem sich Wahhab die religiöse und Ibn Saud die militärische Macht im “heiligen Krieg” teilten und die Saudis 1786 den gesamten Nadschd eroberten, gründeten sie das erste Reich der Saud Dynastie. Wahhab und seine Anhänger kontrollierten immer mehr Volksstämme und ihr Reich wurde groß und mächtig. Mehrere Male griffen sie Mekka und Medina und blockierten Pilgerwege und versuchten die Imame von ihrer Lehre zu überzeugen. Die wahhabitischen Feldzüge gelten als die schrecklichsten und unheiligsten Kriege der Moslems.
Die endgültige Eroberung Mekkas und Medinas machte Saudi-Arabien mit der Gründung 1932 zu einem starken Staat. Der Wahhabismus ist heute Staatsreligion und wird durch die Religionspolizei, die Mutawas, gestützt. Auch die Justiz, wie in vielen anderen arabischen Ländern, untersteht den Religionsgelehrten, also den Wahhabiten und der saudi-arabische Staat fördert wahhabitische Organisationen in allen Teilen der Welt.
Gemäßigte Muslime warnen seit Jahrzehnten vor dem Überschwappen des Wahhabismus auf die islamische Welt und davor, dass Kinder in Koranschulen von dieser Lehre indoktriniert werden. Johann Hari schreibt in seinem Artikel, in Groß-Britannien gebe es wenigstens 120 Koranschulen, die ohne saudische finanzielle Unterstützung nicht existieren könnten und der britische Staat denke daran, mehr von diesen Schulen zu bauen. Ganz abgesehen von den Imams, schreibt er, von denen niemand wisse, wie viele von ihnen von den Saudis ausgebildet würden. In einer Birminghamer Moschee hätte ein in Riyadh ausgebildeter Imam Juden und Christen als „Feinde“ bezeichnet und Homosexuelle als „perverse, verlauste Hunde, die getötet werden“ müssten. Schon länger diskutiere die britische Regierung darüber, britische Imame auszubilden, aber ihre Energie dafür sei offenbar verpufft. Hari warnt davor, dass -wenn wir den Wahabbismus weiterhin zuließen, andere Formen des Islams schlichtweg weg gebügelt würden. Der große Traum von Wahhab sei schon jetzt Realität geworden: für Millionen von Muslimen sei der Wahhabismus bereits der einzig wahre Glaube.
Und warum stoppen unsere Regierungen diese „Hass-Maschine“ nicht? fragt er. Die Antwort sei ganz einfach, schreibt Thomas Friedman von der New York Times: „Junkies reden auch nicht schlecht hinter dem Rücken ihres Dealers.“ Wir sind abhängig vom Saudi-Öl: jedes Mal, wenn wir unseren Tank füllen, ein Flugzeug besteigen oder uns Waren aus aller Welt liefern lassen, werden unsere demokratischen Prinzipien immer ein bisschen glitschiger vom Öl. Und so lange wir nicht endlich vom Öl aus dem Nahen Osten unabhängig werden, so lange unterstützen wir indirekt an der Zapfsäule diese Propaganda der Wahabbisten. Grüne Energie würde uns nicht nur vor einem entarteten Islam retten, sondern uns außerdem näher an den Umweltschutz bringen.“ Ob das nicht alleine schon Grund genug wäre, fragt er.
Welch ein Zynismus: Demokraten aus London oder Berlin bezahlen indirekt an der Zapfsäule für eine fanatische arabische Propaganda, mit der Kinder in Pakistan oder an Hunderten von anderen Orten indoktriniert werden, von denen uns dann einige als Terroristen oder Selbstmordattentäter heimsuchen!
Mit Material von Wikipedia