Der Glacier National Park – Serie: Am Fuß der Blauen Berge in Montana/USA (Teil 1/2)

Am Ostrand der Rockies liegt der tiefblaue St. Mary`s Lake.

Das Restaurant ist klein, aber gemütlich. Der richtige Rahmen für homemade soup und selbst gebackenen  Pie. Mittelpunkt dieses zusammen gewürfelten Gebäudes, das je nach Bedarf immer mal erweitert wurde, ist die Küche. Es zischt und dampft, Köche verständigen sich lautstark über das Gebraus hinweg. Man sitzt auf Plastikstühlen an stabilen Holztischen. Jetzt, gegen 18 Uhr, zur Hauptessenszeit Nordamerikas, findet man keinen freien Platz mehr. Doch jeder wartet geduldig, bis er an die Reihe kommt. Eine in Plastik eingeschweißte Speisekarte ist übersichtlich: Rind, Schwein und  Geflügel in verschiedenen Portionsgrößen, Nachspeisen mit eigenwilligen Namen, die einem Holzfällerappetit gerecht werden, unter anderem auch den zu dieser Zeit aktuellen Huckleberry-Pie. Diese wilde Variante der Blaubeere lässt sich sehr vielseitig verarbeiten: Vom Honig bis zur Seife findet sie allerlei Anwendungsmöglichkeiten.

Dann betritt ein neuer Gast das Lokal. Nein Wyatt Earp kann es nicht sein. Die hoch gewachsene Gestalt mit den stahlblauen Augen mustert  alle anwesenden Gäste: Der gesuchte Will ist noch nicht wie vereinbart eingetroffen. Auf dem grau melierten Haar den Stetson, die zerschlissenen Jeans, dazu Stiefel, vorne spitz zulaufend, hinten mit Absatz, man ahnt, dieser Mann ist es gewohnt über Rinderherden zu herrschen. Doch vor der Tür steht kein gesattelter Mustang, sondern einer dieser prachtvollen, Benzin fressenden, amerikanischen Trucks mit Zwillingsbereifung, stark genug schwere Lasten über lange Strecken zu ziehen. Fast jeder der Gäste scheint ein ausgeprägtes Individuum zu sein, angepasst an die Landschaft, angepasst an das oftmals schwierige Leben.
East-Glacier ist eher beschaulich und landschaftlich nicht so dramatisch wie die Westseite des Nationalparks. Dafür ist es authentisch geblieben, hier trifft man auf Montanas Lokalkolorit. Dieser Bundesstaat, im mittleren Westen der USA hat so ziemlich alles zu bieten, was ein Besucher erwartet: Hohe, zerklüftete Gebirgszüge, sich weit ausdehnende Prärien, einsame Farmen mit Luxus-Blockhäusern, alte verfallene Homesteads, breite Täler, Flüsse und lange Seen, quirlige Städte und verschlafene Ortschaften.

Zeugen des Klimawandels

Die winzigen Lämpchen auf dem Reliefbild im Visitor-Center zeigen die Wahrheit: In absehbarer Zeit wird es so gut wie keine Gletscher mehr im Glacier-Nationalpark geben, der dieses Jahr sein 100jähriges Bestehen feiert. Selbst ohne die eisigen Riesen ist die Bergwelt mit ihrer vielseitigen Flora und Fauna großartig. Der Name des Parks  bezieht sich auf die Eiszeitvergletscherungen, deren Massen dem scharfkantigen und steilwandigen Gebirge sein heutiges Aussehen verliehen, indem sie weicheres Gestein abtrugen. Zahlreiche kleine Schmelzwasserseen und U-förmige Täler bildeten sich. Die lang gestreckten Seen McDonald Lake und St. Mary ´s Lake sind gefragte Urlaubsziele. Während sich die meisten Touristen in den Andenkenläden tummeln, ist man mit seinem Kanu oder Kajak beinahe alleine auf dem Wasser unterwegs. Die beiden Eckpunkte des Nationalparks, West-Glacier und East-Glacier, werden durch den über 2000 Meter hohen Logan Pass verbunden. Der erste Superintendant des 1910 etablierten Glacier Nationalparks hieß William R. Logan. Er machte sich mit der touristischen Erschließung und dem Bau der nach ihm benannten Straße verdient. Dem anderen Namen Going-to-the-Sun-Road, wie diese Straße meist genannt wird, liegt eine alte Indianer-Legende zugrunde. Sie ist ein straßenbauliches Meisterwerk und ist insgesamt 80 Kilometer lang. Mit nur einer Spitzkehre und mäßigem Anstieg, ist sie mit dem Auto gut zu bewältigen. Für längere Wohnmobile und Wohnwagen gilt ein Fahrverbot.

Der Jammer mit dem roten Bus

Vor der alt ehrwürdigen McDonald Lodge wartet schon die Flotte roter Busse. In der Zeit zwischen 1936 und 1938 baute die White Motor Company Fahrzeuge mit denen man im Vergleich zu einer Fahrt mit der Kutsche bequem die Landschaft dieser ursprünglichen Bergwelt erkunden konnte. Man konstruierte robuste Fahrzeuge, die für mehrere Passagiere Sitzplätze boten. Auch heute noch, nach fast 70 Jahren, befinden sich die Oldtimer in technischem Bestzustand und sind die Attraktion des Parks. Dazu bieten sie eine umweltfreundliche Beförderungsmöglichkeit: 17 Passagiere werden pro Bus transportiert. Außerdem sind sie eine Augenweide. In den rot lackierten und polierten Kotflügeln und Seitenteilen kann man sich spiegeln. Das schwarz glänzende Oberteil ist ein geschmackvoller Kontrast. Inzwischen sind die Busse mit einem Kanvasdach ausgestattet, das sich bei gutem Wetter einrollen lässt und dadurch einen grandiosen Rundumblick während der Fahrt gewährt. Ihren eigenartigen Namen: „Jammer“ erhielten die Busfahrer, -innen in der Zeit, als die Gänge bei einem Hand geschalteten Getriebe während Bergauf- bzw. Bergabfahrten mit einer speziellen Schalttechnik  eingelegt wurden, die ein lautes mechanisches Geräusch verursachten: To jam into the next gear. „Links sieht man nun die weinenden Wände, „the wheeping falls“,  erklärt Colleen, und deutet auf eine Felswand direkt neben der Straße, über die in gleichmäßigen Strömen Wasser läuft, Wasser, das sich über mehrere Kilometer seinen Weg unterirdisch durch das Gestein von der Ostseite der Berge bis auf die gegenüber liegende Seite hierher bahnte. Colleen ist „Jammer“ von Bus 102. Die junge Dame, die schon in vielen Teilen der Welt und in der Antarktis gearbeitet und studiert hat, erklärt mit sehr viel Charme und noch mehr Wissen die geologischen und biologischen Besonderheiten des Parks.  Die Westseite des Parks erhält von den feuchtwarmen pazifischen Luftmassen wesentlich mehr Niederschläge als die östliche Seite. Das hat zur Folge, dass bis auf eine Höhe von 1800 Metern dichte Wälder mit Lärchen, Douglasien gedeihen. Besonders im Lake McDonald Valley kann man riesige Lebensbäume und Hemlocktannen bestaunen. Dagegen liegt auf der trockeneren Ostseite auch der Übergang vom Gebirge in die weitläufige Prärie. Hoch liegende Bergwiesen verwandeln sich in den kurzen Sommermonaten in ein Blumenmeer mit einer Vielfalt von Blüten. Besonders herausragend ist der imposante Wuchs des Bärengrases, ein Zwiebelgewächs mit einer hoch aufragenden weißen Blütendolde. In dieser Landschaft haben die für die Rocky Mountains üblichen Säugetiere ihren Lebensraum. Auf Hochgebirgswanderungen ist es schon möglich auf einen Grizzly- oder Schwarzbären zu treffen. Häufiger sind weiße Bergziegen und graubraune Dickhornschafe zu sehen, die sich schon zu gut an den Menschen gewöhnt haben.

Abseits der Hauptstraße führen zahlreiche, teilweise ungeteerte Sackstraßen zu Ausgangspunkten für weitläufige Berg- und Wandertouren. Lohnende Ziele sind z. Beispiel die Strecke von Babb an der Ostseite entlang des Lake Sherbourne nach Many Glaciers, oder von East-Glacier zu den Two-Medicines-Lakes. Es gibt übrigens auf allen Seen, zu denen man per Straße Zufahrt hat, während der Sommermonate einen regelmäßigen Schiffsverkehr.

Informationen:

Reisezeit in den Glacier- Nationalpark ist von Mitte Juni bis Ende September.

Anreise erfolgt z.B. mit der Lufthansa via Denver, www.lufthansa.de

Auskünfte über den Glacier National Park über www.nps.gov/glac

Reiseprogramme für Gruppen, bzw. Selbstfahrer bietet z. B. CRD International; hier können auf Flüge und Mietwagen günstig gebucht werden, z.B. mit Camperpreisvergleich für ein Wohnmobil in 2011, www.crd.de

Reiseliteratur aktuell z.B. Die schönsten Reiseziele USA/Kanada, ISBN:    978-3-89944-142-0, 320 Seiten, Format: 23,4 x 29,7; Preis:EUR 29,90; www.kunth-verlag.de

Auskünfte: in Deutschland gibt es gratis Informationsmaterial über Montana bei www.rmi-realamerica.de, Tel.: (0)69 – 25538 – 230

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