Der Geisterseher – „Wie durch ein Wunder“ kann „Charlie St. Cloud“ in Burr Steers Fantasy-Melodram in eine andere Welt sehen

Hätte sich Bella Swan aus „Twilight“ nicht in Forks in Edward verliebt, wäre sie wohl Charlie (Zac Efron) erlegen. Vielleicht sind Charlies malerischer Küstendorf und Forks auch „Wie durch ein Wunder“ identisch und Steers Filmteam drehte in den ungenutzten Kulissen der Vampir-Romanze. „Soos süß…!“ und „witzig“ finden die einheimischen Mädchen den von allen „missverstandenen“ Charlie. Der Friedhofsgärtner schon mal nackt zwischen Grabsteinen und unterhält sich ebenso rege mit Gänsen wie mit Verblichenen. Der junge Mann mit dem Wolkenkuckucksheim im Namen hat für abgesagte Verabredungen eine bessere Entschuldigung als M. Night Shyamalans „Ich sehen tote Menschen“. „Ich kann nicht, weil ich jeden Abend mit meinem toten Bruder Baseball spiele. Auf dem Friedhof.“ Seit Charlies kleiner Bruder Sam (Charlie Tahan) bei dessen Autounfall starb trifft Charlie den Quälgeist allabendlich zum Baseballtraining.

Wenige Wochen vor Halloween bringt die Kinoverfilmung von Ben Sherwoods Roman „The Live and Death of Charlie St. Cloud“ das pure Grauen ins Kino. Fatal nur, dass Steers mit religiöser Botschaft verbrämtes Melodram ein tiefschürfendes Drama über Schuld, Vergebung, Trauer und Neubeginn sein will. „Es geht darum, sich Dinge zu trauen.“, verkünden Tess und Charlie, die sich „Wie durch ein Wunder“ ineinander verlieben gleich doppelt, damit nur niemandem entgeht, dass mit Schuldgefühlen zu leben nicht gut ist. Letzte kennt das Drehbuchautoren-Quintett augenscheinlich nicht. Noch linkischer als die Geister auf der Leinwand bemühen sie die Geister verflossener Filme. Der Plot ist eine krude Mischung aus „The Sixth Sense“, „Field of Dreams“ und der zuckerigen Grabromantik einer Stephanie Meyers. Deren Prüderie ersetzten in „Wie durch ein Wunder“ rassistische Zwischentöne. Der einzige farbige Charakter ist ein Widerling zwischen Gutmenschen, dem Charlie zur Häme der Hinterwäldler niederschlägt. Zu solchen Geschmacklosigkeiten passt die christlich-fundamentale Heilsbotschaft, getreu der ein Himmel für all die guten amerikanischen Soldaten und braven Bürgerkinder ganz selbstverständlich existiert.

Der angerufene Judas ist natürlich nicht zu verwechseln mit seinem prominenteren Namensvetter Judas Ischariot. Tatsächlich handelt es sich um Sankt Judas Thaddäus, der Heilige der Verzweifelten und Hoffnungslosen. Wer sich das prätentiöse Fantasy-Drama im Kino ansehen muss, sendet sicher manches Stoßgebet zu ihm.

Titel: Charlie St. Cloud – Wie durch ein Wunder

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Fantasyfilm

Kinostart: 7. Oktober 2010

Regie: Burr Steers

Drehbuch: Craig Pearce, James Shamus, Lewis Colick, Burr Steers, Ben Sherwood

Darsteller: Zac Efron, Charlie Tahan, Amanda Crew, Ray Liotta, Dave Franco, Donal Logue, Kim Basinger, Augustus Prew

Kamera: Enrique Chediak

Musik: Rolfe Kent

Schnitt: Padrai McKinley

Laufzeit: 99 Minuten

Verleih: Universal

www.charliestcloud.com

www.universal-pictures.de

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