Berlin, Deutschland; San Marino, Italien (Weltexpress). Note 3 – mit dieser Beurteilung dürfte selbst der Betroffene einverstanden sein. Mario Götze hatte nach Meinung eines News-Portals also „genügend“ zum 8:0-Erfolg der Fußball-Nationalmannschaft am Freitag im WM-Qualifikationsspiel in San Marino beigetragen. Keinen Treffer erzielt wie die anderen Offensivkräfte Ilkay Gündogan (mit 2 zensiert) und Thomas Müller (auch 3) oder der wiederum glücklose „gelernte“ Stürmer Mario Gomez (nur 4), aber am Torsegen indirekt beteiligt.
Dass Götze aber mit kritischen Äußerungen aller Couleur leben muss wie derzeit wohl kein anderer Spitzenfußballer hierzulande, wurde dabei deutlich. Vor der Partie hatte sich der 24-Jährige in einem Interview („Bild“) vehement über oft ungerechte Kritiken und Vorwürfe beklagt. Er müsse auch „absoluten Quatsch“ über sich ergehen lassen.
In der Tat hängt ihm die Rolle eines Talentverschleuderers oder Gescheiterten fast latent wie Blei an den Socken. Was vor allem mit drei Ereignissen zusammenhängen dürfte: Da war 2013 der Wechsel von Borussia Dortmund zum Branchenprimus Bayern München, der die nationale Fußballgemeinde ähnlich spaltete wie nun US-Präsident Trump sein Wahlvolk.
Götze war 21, hatte in allen Auswahl-Nachwuchsmannschaften geglänzt und maßgeblich zu zwei Meisterschalen und einem Pokalgewinn für die Schwarzgelben beigetragen. Mit 18 war er einer der jüngsten Debütanten in der Nationalelf, einer der jüngsten Torschützen im Auswahltrikot und in der Bundesliga. Vom „Jahrhunderttalent“ war die Rede.
Dass ausgerechnet er, bestärkt durch seinen Vater als Berater, den Schritt vom einstigen Malocher- und Arbeiterverein (der Borussia schon längst nicht mehr war) zum bei weiten Teilen im Fußballvolk angefeindeten Moloch Bayern machte, hat ihn bei vielen zu einem Unsympathikus werden lassen.
Im Kohlenpott agierte der Liebling der Fans unbekümmert, von Erwartungen unbelastet, anerkannt und unterstützt von Mitspielern, Trainer und Vereinsführung.
Er hatte aber nicht gelernt – weil es dort nicht nötig war – gegen Konkurrenten die Ellenbogen zu gebrauchen. Sich in jeder Weise gegen Egozentriker wie Arjen Robben oder Franck Ribery zu behaupten oder durchzusetzen.
Beide ähneln Götze als Spielertyp im Offensivbereich – wie auch Bayern-Identifikationsfigur Thomas Müller, der Spanier Thiago und der junge Franzose Kingsley Coman -, prägten meist nachhaltiger das Ballbesitz-Spiel der Bayern.
Zumal Götze eher nicht der Anführer ist, der auf dem Rasen die Ärmel hochkrempelt, wenn es mal nicht läuft, oder die Kollegen verbal in den Hintern tritt.
Bei diesem Überangebot allein im Offensivbereich des Mittelfeldes wollte ihm der vormalige Trainer Pep Guardiola nicht die Bestätigung liefern, in entscheidenden Begegnungen erste Wahl für die Bayern zu sein.
An dieser Einordnung mochte auch der aktuelle Trainer Carlo Ancelotti nichts ändern, zumal der portugiesische Europameister Sanches den Wettbewerbsdruck im Kader noch verstärkte.
Nach langem Zögern entschied er sich für den von Ancelotti empfohlenen Vereinswechsel…nach Dortmund. Wo er den Aufstieg und den Durchbruch geschafft hatte. Wo alles problemlos und erfolgreich gelaufen war.
Auch diese Rochade retour in den Ruhrpott wurde von heftigen Diskussionen begleitet.
Leute, die ihm wohlgesonnen sind, halten diese Entscheidung für richtig. Und glauben, wie die Vereinsführung und die sportliche Leitung, dass er hier Nestwärme, Wertschätzung und das Vertrauen von Klopp-Trainer-Nachfolger Thomas Tuchel bekommen wird. Und dann der Mannschaft helfen kann, den Bayern wieder auf die Pelle zu rücken.
Denjenigen, die das umstrittene Wechselspiel als Eingeständnis seines Scheiterns in München betrachten, hielt er im erwähnten Interview entgegen: „Ich habe inzwischen fast 60 Länderspiele, sechs Jahre Erfolg bei Bayern und Dortmund gehabt, bin fünfmal Meister geworden – das sind Fakten.“
Götze steht damit, inklusive des WM-Titels, in Deutschland auf einer Stufe mit einem halben Dutzend anderer Ausnahme-Fußballer: Neuer, Müller, Boateng, Hummels, Lahm, Kroos, Schweinsteiger.
Tatsache aber dürfte indes auch sein, dass ein Teil der Dortmunder Ultras ihren Groll über die Wiederkehr des „Verräters“ (wegen Geld nach München gegangen) nur schwer beilegen dürfte.
Der Hauptgrund dafür jedoch, dass die Fußballanhänger, Medien und Öffentlichkeit Mario Götze kritischer sehen als andere Mitspieler, hängt mit der WM-Entscheidung 2014 zusammen. Und einem „Fluch der guten Tat“ – wenn es einen solchen Zusammenhang überhaupt gibt!
Sein Geniestreich in der Final-Verlängerung gegen Argentinien – Ballannahme in vollem Lauf links am Strafraum der Südamerikaner mit der Brust, das seitliche Drehen des Körpers zum Torschuss, das perfekte Treffen der Kugel und der Flug des Balles aus spitzem Winkel am Torhüter vorbei ins Netz – war der Moment in der Karriere des Mario Götze, der ihn im Bewusstsein der Fußball-Gemeinde in den Fußball-Olymp katapultierte. Es bescherte den Deutschen das 1:0 und zugleich den vierten Weltmeister-Titel im populärsten Mannschafts-Ballsport der Welt.
Götze hatte in einem besonders wichtigen Moment als Einwechselspieler etwas einmalig Besonderes kunstvoll und mutig und entscheidend vollendet.
Der hart erkämpfte WM-Sieg 2014 ist ebenso untrennbar mit seinem Namen verbunden wie der Name Götze gleichbedeutend ist mit WM-Tor (zum Tor des Jahres in deutschen TV-Stuben gewählt) und WM-Triumph!
Eine Verbindung von Sportler und Ereignis, die beispielsweise den deutschen WM-Torschützen Helmut Rahn 1954 zeit seines Lebens begleitete oder Oliver Bierhoff als Vollstrecker des Golden Goal im EM-Finale 1996.
Auch sie mussten danach mit den unrealistischen Erwartungen der Fußballfreunde auskommen, dass man von ihnen immer wieder ähnlich großartige Momente sehen wollte. Aber die nicht mehr in dieser Tragweite und Bedeutsamkeit bekam.
Fußballerische Heldentaten am laufenden Band produzieren nur die ganz Großen der Branchen. Von Pele bis Beckenbauer, von Messi bis Ronaldo. Von Mario Götze Ähnliches zu verlangen, ist unseriös.
Er ist ein großartiger Fußballer mit vielen herausragenden Eigenschaften. Auch mit jener, im Spiel auch mal abzutauchen, sich zu verstecken, wie ihm mitunter vorgeworfen wird, und nicht mit jenem manischen Ehrgeiz, sich immer und überall ins Rampenlicht zu drängen.
Seinen großen Moment kann auch die unsachlichste Kritik nicht beschädigen.
Marktwerte und Transfers von Mario Götze:
Marktwert 2010 eine Million Euro
2013 Marktwert 45 Millionen Euro – für 37 Millionen von Dortmund nach München
Marktwert nach dem WM-Finaltor 55 Millionen Euro
2016 Marktwert 35 Millionen – für 22 Millionen von München nach Dortmund
Marktwert aktuell etwa 28 Millionen Euro
Derzeitiges Jahresgehalt etwa 7 Millionen Euro
Sein Vertrag in Dortmund ist bis 2020 gültig