Wenn der Regen fällt, dann weine nicht – Entfesselte Gefühlsstürme im Episodenfilm „Typhoon Club“ von Shinji Somai

Szene im Film "Typhoon Club". © Rapid Eye Movies

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Eine Hand voll wie wild tanzende Mädchen im Mondschein in Badeanzügen und ein Junge, der in einem Schwimmbecken einer Schule treibt. Damit beginnt der Film „Typhoon Club“ von Shinji Somai und dann wird auch noch gelaufen, immerhin im Gleichschritt. Akira liegt mittlerweile am Beckenrand, aber der Spanner, der untergetaucht wurde, lebt. In der Schule kommt’s noch schlimmer.

Szene im Film „Typhoon Club“. © Rapid Eye Movies

Doch dort ist nicht Tragödie angesagt, sondern Farce. Der 115 Minuten lange Film aus dem Jahr 1984 galt einst als Kilometerstein des Kinos des Staates der 14.125 Inseln im Pazifik. Nun wird der Langfilm der Kurznasen wieder aufgeführt. Zu diesem Zweck wurden die alten Original-Netative eingelesen und restauriert

Szene im Film „Typhoon Club“. © Rapid Eye Movies
Szene im Film „Typhoon Club“. © Rapid Eye Movies

Der Regisseur gönnt sich genug Zeit, lange Einstellungen, eine standhafte Kamera, die auch auf Distanz bleibt, lange Pausen in den Dialogen. Die Schauspielerei der Darsteller wirkt einerseits wie gewollt, andererseits rau wie ein Rohdiamant und das alles in einer bäuerlichen Kulturlandschaft, die sehenswert ist, wenn sie gezeigt wird. In der Geschichte, die eine Abfolge von Episoden ist, wird getaucht und getanzt, geraucht und gepißt, gerauft und gerangelt, gelehrt und gelernt oder auch nicht, zudem geliebt. Zwischen Pythagoras und Pubertät fahren allerlei Leute auf dem Land Achterbahn, aber in aller Ruhe… vor dem Sturm, der im Nordwest-Pazifik Typhoon genannt wird.

Szene im Film „Typhoon Club“. © Rapid Eye Movies
Szene im Film „Typhoon Club“. © Rapid Eye Movies

Daß fünf Tage, während ein Taifun aufzieht, wütet und abzieht, den zeitlichen Rahmen für dieses Schul-Schauspiel im ländlichen Raum vor den Toren der Mega-Metropole Tokio bildet, das muß einem aber auch gesagt werden. Sachdienliche Hinweise wie diesen, daß „die Mutter und der Onkel einer Kollegin, mit der“ ein Lehrer namens Umemiya „ein Verhältnis“ hat, „ihn zur Hochzeit zwingen wollen“, sind angebracht, denn bei den drögen Dialogen übers Leben und Lieben sowie über Lesben, den Tod und die Wiedergeburt geht das unter. Land unter herrscht auch, wenn der Regen fällt. Weine nicht, kleiner Japaner. Dam-dam, dam-dam!

Szene im Film „Typhoon Club“. © Rapid Eye Movies

So wie Drafi Richard Franz Deutscher mit seinem Nummer-ein-Hit „Marmor, Stein und Eisen bricht“ wahre Gefühlsstürme entfesselte, so auch im Episodenfilm „Typhoon Club“. Da bricht es wie aus allen Wolken auch aus dem einen oder anderen heraus. Zwar fliegt das Klassenzimmer nicht, aber in der Schule kommt es zu einer Klassenschlägerei, vom Vergewaltigungsversuch ganz zu schweigen.

Rauheit und Radikalität, Belanglosigkeit und Beiläufigkeit, Leichtigkeit, Langeweile und Laszivität, Typhoon und Abgrundtiefe, das alles und noch viel mehr im Pubertätsfilm „Typhoon Club“.

Filmographische Angaben:

  • Originaltitel: Typhoon Club
  • Produktionsstaat: Japan
  • Erstaufführung: 1985
  • Originalsprache: Japanisch (mit deutschen Untertiteln)
  • Regie: Shinji Sōmai
  • Produktion: Director’s Company
  • Länge: 115 Minuten
  • Kinoneustart der 4K-Restaurierung in Zusammenarbeit mit Regieassistent Koji Enokido in der BRD: 23.5.2024
  • Altersfreigabe: FSK ab 12

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