Die üppige Brust entblößt kämpft die junge Französin mit der Bestie von Gevaudán. Auf einem farbigen Kupferstich fletscht der Riesenwolf die Zähne, von dem eine Zeitung um 1765 berichtete. Unbestreitbar ist auch die Existenz des schuppenbedeckten Seemönchs, wenn sie doch ein gewisser Jakob Sluper in seinem ellenlang auf Latein betitelten „Omnium fere gentium nostraeque aetatis nationum habitus et effigies“ bestätigt.
„Hey now all you sinners
Put your lights on, put your lights on (…)
Because there’s a monster living under my bed
Whispering in my ear“
(Santana)
Die Verführungskraft des Dämonischen ist auch erotischer Natur. Die japanische Fuchsfrauen statten einsamen Männern nächtliche Liebesbesuche ab. Sirenen und Nixen locken in ein nasses Grab. Anmutig windet sich der blaue Drache auf einer persischen Miniatur und eine majestätische Hydra erhebt sich auf einem Gemälde Gustave Moreaus im Kapitel darüber „Wie man Monster bekämpft“. Viel verrät Dell nicht darüber, sondern zählt lediglich die gängigsten Heldensagen auf. Nicht selten jedoch müssen die Untiere gar nicht bezwungen werden. Das Fantastische ist nicht zwangsläufig feindlich gesinnt, sondern kann heilen wie das Einhorn, Glück bringen wie asiatische Drachen. Mitunter erregt es sogar Mitgefühl. Caliban aus William Hogarths Illustration zu Shakespeares „Der Sturm“ erscheint tragisch, jedoch nicht fürchterlich.
Niemals erwähnt Dell die etymologischen Herkunft seines Titelbegriffs. „Monster“ leitet sich vom lateinischen monstrare her, dass „zeigen“ bedeutet. Ein Monstrum ist ursprünglich eine Zeichen, ein Symbol für ein besonderes Ereignis oder einen Zustand. Als Omen, Mahnung oder Strafe wird es gesandt oder geboren. Es muss betrachtet, sein Erscheinen dokumentiert und seine Bedeutung enträtselt werden, auf dass es der Menschheit eine Lehre sei. Christopher Dell erfüllt dies in „Monster. Ein Bestiarium“ nur halb. Nur wenige, meist unpräzise Angaben liefern die zehn Kapitel, welche die „Monster“chronologisch, nach Gattung, Fähigkeiten oder Erscheinungsstätten gliedern. Dafür zeigt er die „Dämonen, Drachen & Vampire“ auf grandiosen Darstellungen aus den verschiedensten Ländern, Epochen und Kulturkreisen. Frühgeschichtliche Götzenbilder, antike Plastiken, mittelalterliche Fresken, chinesische Holzschnitte, Kupferstiche der frühen Neuzeit und symbolistische Gemälde wetteifern in seinem Bildband in Skurrilität und Schreckwirkung.
Wahrhaft unheimlich ist indes nur der „Nachtmahr“, der auf Johann Heinrich Füsslis Gemälde einer Schlafenden auf der Brust hockt. Der personifizierte Albtraum hing als Kopie im Vorzimmer Sigmund Freuds, der den tatsächlichen Ursprungsort alles Monströsen erforschte: das Unterbewusstsein.
Titel: Monster – Dämonen, Drachen & Vampire. Ein Bestiarium“/ Autor: Christopher Dell/ Verlag: Brandstätter/ Jahr: 2010/ Seiten: 192 mit 160 Abbildungen/ Preis: 25,00 €