„Der Adler Dietmanns“ oder Hohe Kultur und Kulinarik in den Tiefen Oberschwabens

Dieter Hierlemann in der Gaststube. © WELTEXPRESS, Foto: Stefan Pribnow

Er liegt also in Oberschwaben, wo der Stand der Bauern dereinst mitunter klassenkämpferisch Widerstand leistete und kriegerisch mit Bürgern gegen die Obrigkeit aus Klerus und Adel aufstand. So gesehen paßt die römische Bedeutung des Adlers wie die Faust aufs Auge, denn sie stand damals für den obersten römischen Gott Jupiter, war und ist bis heute ein Symbol für Macht und Sieg. Oder sind die Männer und Frauen aus Oberschwaben etwa nicht mächtig und siegreich in den Niederungen der politischen Ökonomie sowie den höheren Sphären des kulturellen Überbaus?

Heute zieht es Oberschwaben und solche, die sie sehen wollen, in die Wohlfühlwirtschaft „Adler“ in Dietmanns. Wohl fühlen sich Gäste auch in der Gartenwirtschaft, dem Biergarten, wo es unter einem Dutzend Sonnenschirmen und einem Ahornbaum scho schee is. Drinnen im Erdgeschoß sind Kneipe und Küche. Im ersten Stock ist eine Kleinkunstbühne mit großem Saal, wo gedacht und gelacht wird.  Das Tolle daran ist das gute darin. Auf beiden Etagen kann rund um alte Kachelöfen neuschwäbische Küche gekostet werden. Herr am Herd ist Dieter Hielemanns. Ihn Koch zu nennen, wäre zu wenig. Denn nach dem Besuch des Bad Wurzacher Salvatorkollegs zog der junge Mann aus und studierte kurz in Heidelberg Germanistik und Philosophie, in München Kommunikations- und Theaterwissenschaft, Zeitungswesen und Politik, hörte nicht nur beim Radio rein sondern sammelte dort Erfahrungen wie auch im Ausland, um mit 24 Jahren der Welt der Dichter und Denker in den großen Städten den Rücken zu kehren, um seine krebskranke Mutter bis zu ihrem Tod zwei Jahre zu pflegen. Eltern das zurückzugeben, was man als Kind von ihnen bekommen habe, sagt er, sei eine bedeutende wie Charakter prägende Aufgabe und lohnende Erfahrung.

Dieter Hierlemann in der Gaststube. © WELTEXPRESS, Foto: Stefan PribnowDa sich nach dem Tod der Mutter der Vater aus dem Wirtshausbetrieb zurückzog, wurde der Bauernsohn aus Dietmanns, der „voll und ganz hinter der heimischen Landwirtschaft stehe, wie ich dem Buch Profile Oberschwaben von Gunther Dahinter, Thomas Kapitel und Johannes Riedel entnehme, Gastwirt und baute das Gasthaus zu einer spielautomaten- und fernsehfreien  Kulturkneipe aus, die als Stern am Kulturhimmel über dem Bad Wurzacher Ried weit über die Region hinaus strahlt. „Dieter Hierlemann führt eine Tradition fort“, heißt es weiter in Profile Oberschwbens auf Seit 91, „denn seit 1650 wird der Adler von seiner Familie bewirtet. Gast- und Landwirtschaft prägten ihn als Bub. Mit dem Bruder mußte er im Stall helfen, und weil die Wirtsfamilie kein separates Wohnzimmer hatte“, seien die Hausaufgabe in der Gaststube erledigt worden. „Der Saal war damals noch Bühne fürs Dorftheater und wurde für Tanzveranstaltungen genutzt.“ Bis zur Jahresendfeier treten auf der „Adler Livebühne“ vor allem „Polit-Kabarettisten auf wie Christian Springer, Eva Eiselt, Jens Neutag, Anka Zink, Stephan Bauer, Martin Frank, Philipp Scharri, Chin Meyer und Uli Masuth. Unter www© WELTEXPRESS, Foto: Stefan Pribnow.adler-dietmanns.de stehen alle aktuellen Kleinkunsttermine vom Kabarett bis zum Konzert.

Komisch ist nicht nur die Kunst auf der Bühne, sondern auch die im Restaurant. Auch ich weise wie Achim Zepp und Volker Strohmaier im Buch „Wirtshäuser im Oberland“ darauf hin (was übrigens auch in „Ausgehen in Oberschwaben, 50 Tipps und 100 schöne Stunden“ – das wären durchschnittlich zwei pro Restaurant, Gasthaus, Bar und Kneipe – steht), daß Kneipe und Restaurant in ein und demselben Raum sind, wo „Putten aus Pappmaché“ und Betonadler Hierlemanns Hang zur Satire versinnbildlichen, Wanduhr und Kachelöfen wie die schweren Eichenmöbel rustikale Gemütlichkeit und die gedämpften gelbliche Lampenlichter den Duft der Tradition verströmen. Aus der Küche, die Hierlemanns heimliche Bühne zu sein scheint, duftet es ebenfalls, zudem verspricht die Speisekarte „mehr Gerichte als Sitzplätze ”¦ im Lokal“, um noch einmal aus „Wirtshäuser im Oberland“ zu zitieren: „Obwohl er nie in einer fremden Küche gelernt hat, versteht Dieter Hierlemann zu kochen. Zwei treue Gäste kommen seit Jahr und Tag aus Markdorf, weil sie auf seine Schweinelendchen in Madeirasoße schwören, und der Koch eines vegetarischen Restaurants vom Bodensee pflegt in schöner Regelmäßigkeit im Dietmannser „Adler“ einzukehren, incognito, um sich am Zwiebelrostbraten gütlich zu tun.“ Mir mundet mittags ein Parasolpilz, den Hierlemann höchstselbst im nahen Wald sammelte, und abends das Allgäuer Ländentöpfle (siehe Fotostrecke).

Für Besseresser folgt ein Parasolpilz-Rezept von Dieter Hierlemann

Man nehme einen Parasolpilz, säubere ihn, entferne den in der Regel holzigen Stil und schneide den Schirm des Parasolpilzes in portionsgerechte Stücke. Anschließend paniere man den Riesenschirmpilz, wie der Parasol zuweilen genannt wird. Die Panade besteht aus gewürztem Ei und Wasser (Pfeffer und Salz). Die Parasolstücke zuerst im Ei wenden, danach mehlieren, anschließend wieder im Ei wenden und dann mit Semmelbröseln panieren. Die panierten Parasolpilzecken werden anschließend in einer beschichteten Pfanne im erhitzen Butterschmalz ausgebacken bis sie goldbraun sind. Dazu serviere man einen frischen, knackigen und saisonalen Salat sowie eine klassische Pilzsoße mit Speck.

Wer will, kann beim Koch, Kellner, Klomann und Kleinkunstintendant, Dramaturg, Seelsorger, Wirt und Facilitymanager einen Kochkurs buchen und lernen, wie man alte und neue oberschwäbische Küche kombiniert.

Die kräftige Kombination aus Kultur und Küche für Gäste und deren Gaumen, die Herz und Hirn erfreuen, lassen mir keine andere Wahl: Ich empfehle, mehr als einen Blick in das Kabarettprogramm und die Speisekarte zu werfen. Ich rate zu einer Reise zum Adler nach Dietmanns!

Infos

Der Adler Dietmanns oder auch Gasthaus Adler, Iris und Dieter Hierlemann, Ochsenhausenerstraße 44, 88410 Bad Wurzach, Dietmanns, Telefon: 07564 / 91232, Email: info@adler-dietmanns.de, Website: www.adler-dietmanns.de

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