Journalismus kann so grausam sein. CRUL heißt der Sender, für den der ehrgeizige Reporter C. J. Nicholas (Jesse Metcalfe) arbeitet. Der unterforderte Lokalreporter verdächtigt den erfolgreichen Staatsanwalt Mark Hunter, seine Gerichtskarriere gefälschten Beweisen zu verdanken. Mit Unterstützung seines Kollegen Finlay (Joel David Moore) impliziert sich C. J. selbst als Verdächtiger im Mordfall an einer Prostituierten. Mit der dann spektakulären Aufdeckung seiner Unschuld plant er, Hunter vor Gericht der Korruption zu überführen und einen karrierefördernden Mediencoup zu landen. Wer trotz Michael Douglas chargierender Darstellung des aalglatten Hunters Zweifel an dessen Schuld hatte, wird durch dessen Bekennerrede überzeugt, welche Hunter in klassischer Schurkenmanier so stilsicher vorträgt wie seine Gerichtsappelle. Hunter lässt seinen Handlanger Merchant (Lawrence Beron) die Entlastungsbeweise und Mitwisser Finlay obendrein beseitigen. C. J. wird aufgrund seiner selbstgelegten falschen Fährte zum Tode verurteilt. Einzig seine Freundin Ella Crystal (Amber Tamblyn), Hunters Assistentin, kann ihn noch retten.
Nur wenn sie ohne Zweifel sei, werde sie die Geschworenen überzeugen, behauptet Hunter gegenüber Ella. In treffender Ironie ist es der stereotype Bösewicht des Films, welcher rät, jeden Zweifel zu ersticken. Dennoch sind Hunters Worte bezeichnend für die Position des Thrillers. Mehrfach erreichen Hyams Charaktere ihre Ziele nur, weil sie jegliches Überdenken außer acht lassen. Gerade dieses Gefühl der absoluten Gewissheit prangert Fritz Langs Filmversion an. Der englische Originaltitel „Beyond a reasonable Doubt“ zitiert die Bedingung aus dem amerikanischen Gesetzbuch, derzufolge ein Angeklagter schuldig gesprochen werden darf. Nicht etwa, wenn die Jury absolut von dessen Unschuld überzeugt ist, sondern nur, wenn sie „ohne einen begründeten Zweifel“ an dessen Schuld glaubt. Der deutsche Titel von Langs Klassiker „Jenseits allen Zweifels“ bezieht sich auf diese Wendung im Gesetzestext. Der Verleihtitel der Neuverfilmung erreicht durch eine minimale Umformulierung eine inhaltliche Verkehrung der Aussage. „Gegen jeden Zweifel“ müssen die Protagonisten handeln, während Lang vor den Gefahren solcher Undifferenziertheit warnt. Der veränderte Titel wird dem abgewandelten Inhalt gerecht. Lang führt die Fehlbarkeit des Rechtssystems vor, indem der Regisseur den Zufall die Überbringung der Entlastungsbeweise vereiteln lässt. Ausgeklügelte Intrigen und Filmschurken sind nicht nötig, um unschuldig zum Tode verurteilt zu werden. Es genügt, die falsche Hautfarbe oder keinen teuren Verteidiger zu haben. Oder einfach Pech.
Hyams Thriller spricht sich deutlich „Gegen jeden Zweifel“ am amerikanischen Rechtsstaat aus. In einer doppelten Wendung deutet er stattdessen ein instinktives Rechtsgespür der Justiz an: Irgendetwas wird der Angeklagte schon verbrochen haben, sonst würde er nicht vor Gericht stehen – und sei es ein einst vertuschtes Verbrechen, für welches er nun dank glücklicher Fügung die gerechte Strafe erhält. Von der Presse zeichnet der fragwürdige Thriller ein denkbar negatives Bild. Alles Schmierenjournalisten, denen der schlichte, aber ehrbare Beruf des Frühstücksfernseh-Reporters („Unser Live-Test ergab: Instant-Kaffee macht genauso munter, wie das teurere Vergleichsprodukt…“) nicht gut genug war. Für eine deftige Reportage würden diese skrupellosen Karrieristen die Leiche gleich mitliefern. Wer weiß, ob Woodward und Burns nicht nur auf den Pulitzer-Preis scharf waren und dem armen Nixon die Watergate-Affäre nur anhängten? Folglich taugen die beiden berühmten Politjournalisten nur als Namensgeber für Hunde.
Statt dem nach wie vor aktuellen Thema des unterschätzen film noir Fritz Langs neue Beachtung zu schenken, beutet „Gegen jeden Zweifel“ dessen Handlungskonzept für einen drittklassigen Krimi aus, an dem das Bemerkenswerteste ist, dass er vor dem DVD-Regal den Umweg in die Kinos schafft. Die Neuverfilmung kann man zugunsten des Originals getrost vernachlässigen – „Gegen jeden Zweifel“.
Titel: Beyond a reasonable Doubt – Gegen jeden Zweifel
Land/ Jahr: USA 2008
Genre: Thriller
Kinostart: 4. Februar 2010
Regie und Drehbuch: Peter Hyams
Darsteller: Jesse Metcalfe, Amber Tamblyn, Michael Douglas, Joel David Moore
Laufzeit: 105 Minuten
Verleih: Pa/ Co