Der Film von Regisseur Jo Baier zeigt jene letzten Wochen im Leben von Tiziano Terzani, in denen Vater und Sohn unter der Pergola im toskanischen Garten und auf langen Spaziergängen durch die Natur intensive Gespräche über Leben und Tod führen, während ihnen die Zeit sichtbar davon rennt. Entschlossen, seinem eigenen Tod bewusst und mit Leichtigkeit – ohne Angst und Trauer – zu begegnen, versucht der Vater seinem Sohn auch noch in den letzten Wochen vor seinem Tod Optimismus und Lebensfreude zu vermitteln. Wenn das Leben erfüllt und intensiv war, warum soll der Tod dann traurig sein? Dies ist eine der Überzeugungen, mit denen Terzani der Vorstellung vom Tod als dunklem Sensemann und der Auffassung das Sterben sei ein ausschließlich trostloser oder erschreckender Vorgang trotzen will.
Trotz der erheblichen körperlichen Schwäche und den Schmerzen, die der fortgeschrittene Krebs verursacht, erzählt Terzani seinem Sohn unermüdlich und fest entschlossen von den wichtigsten Erlebnissen und Einsichten seines Lebens: von seiner Kindheit in einer armen florentinischen Familie, seinem Studium in New York und seinem Glück vom Spiegel als Auslands-Korrespondent dreißig Jahre lang durch Asien reisen zu können, von seinen politischen Hoffnungen in den chinesischen Kommunismus, seiner Enttäuschung über die realen Zustände in der Volksrepublik, seinem Rückzug aus dem Journalismus und seiner Zukehr zu Buddhismus und Spiritualität. Anhand der Lebensgestaltung des Vaters entfaltet der Film auch die Spannungen zwischen den Generationen und den Kampf des Sohnes um eine eigene Identität und einen selbständigen Lebensweg, schwankend zwischen Abgrenzung vom Vater und Bewunderung für ihn.
Baiers Film kommt völlig ohne Effekte oder eine aufgeblähte Story aus und kreist beständig um seine Figuren. Mit seiner zurückhaltenden und stillen Erzählweise lässt der Film seinen Schauspielern mehr Raum, als die meisten ausfüllen könnten. Bruno Ganz als Tiziano Terzani und Elio Germano, der den Sohn Folco spielt, bewältigen diese schauspielerische tour de force jedoch glanzvoll. Der Film zeigt mit Terzani einen Charakter, der durch seinen rebellischen Geist und seine unablässigen Suche nach Wahrheit und Sinn noch in den letzten Wochen seines Lebens fasziniert. Die Energie und Unermüdlichkeit mit der er um das Geheimnis des Lebens wie des Todes kreist, arbeitet Bruno Ganz mit einem beeindruckend intensiven Spiel heraus.
Der Tod ist das zentrale und immer wieder kehrende Hauptthema des Films. Terzani ist fest entschlossen seinem Tod mit Lachen zu begegnen, das Loslösen vom Körper nicht als Ende, sondern als einen neuen Anfang zu betrachten. Die Stärke des Filmes liegt jedoch darin, dass trotz des Versuchs Optimismus und Heiterkeit zu verbreiten, Hilflosigkeit, Schmerz und Angst bei allen Beteiligten nie ganz zu verschwinden scheinen. Terzani will bei seiner Familie keine Tränen sehen, er bereitet sich und die anderen unablässig auf das schlimme Ereignis vor, um ihm den Schrecken zu nehmen und trotzdem ist der Tod, wenn er schließlich eintritt, unvorhergesehen, schockierend und traurig.
Auch die politischen und gesellschaftlichen Seiten des Umgangs mit dem Tod werden vom Film aufgegriffen. Am Tod, so eine der letzten Überlegungen Terzanis, scheitert der moderne Materialismus. Wie kann eine spirituell verkümmerte Gesellschaft, die ihren lustvollen bis rücksichtslosen Konsum feiert, dem Tod noch bewusst und würdevoll begegnen? Die Antworten, die der Film bereit hält, sind keine großen. Würdevoll ist auch in den letzten Tagen das, was dem Leben jenseits von Konsum und Leistungsdenken Menschlichkeit verleiht: das Gespräch und das Lachen mit nahestehenden Menschen, ein Spaziergang mit dem Sohn in die Berge, Enkel im Arm zu halten.
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Titel: Das Ende ist mein Anfang
Oiginaltitel: La fine è il mio inizio
Land/Jahr: Deutschland, Italien 2010
Genre: Drama, Biographie
Regisseur: Jo Baier
Hauptdarsteller: Bruno Ganz, Elio Germano, Erika Pluhar, Andrea Osvárt, Nicoló Fitz-William Lay
Kinostart: 7.10.2010
Drehbuch: Ulrich Limmer, Folco Terzani
Länge: 98 Min.
Verleih: Universum Film