Stelian Moculescu, Trainer des 12-maligen Rekordmeisters vom Bodensee, hatte zuvor sybillinisch verkündet, das Titelrennen würde wohl in Berlin entschieden”¦und dabei offen gelassen, wie das gemeint war: Weil ja Berlin bei voller Finallänge den Vorteil von drei Heimspielen genießen würde. Oder der VfB mindestens einmal im sogenannten „Volleyball-Tempel“ der Hauptstädter deren Heimnimbus brechen müsste, um die Meisterschale zum 13. Male in den Südwesten zu holen?
Nach der ersten Niederlage der Hausherren in dieser Saison auf nationaler Ebene blieb der gebürtige Rumäne in seiner Wertung zurückhaltend. Nein, eine Vorentscheidung im Titelrennen sei das nicht. Man müsse weiter ruhig und auf dem Boden bleiben. Sehen, dass man am Mittwoch zuhause im zweiten Duell an die heutige Leistung anknüpfen könne, „und dann schauen wir mal“.
Nicht nur VfB-Kapitän Max Günthör aber bewertet den Auswärtserfolg „als einen kleinen Vorteil, den wir uns nun erarbeitet haben.“
Dagegen argumentieren die Berliner, von Kapitän Scott Touzinsky über Topangreifer Robert Kromm bis hin zu Trainer Mark Lebedew unisono: „Auch wenn die Niederlage enttäuschend für uns ist, wir haben schon im Vorjahr die Meisterschaft in des Gegners Arena gewonnen.“
Es gibt auch statistische Gründe, dass dies erneut möglich sein könnte. Beim vor allem kämpferisch geprägten Schlagabtausch am Sonntag hatten die Gastgeber mit 108:105 insgesamt mehr Punkte erkämpft als der Gast. Die Volleys schafften mehr Blockpunkte als der VfB, verzeichneten die höhere Angriffseffektivität (41:33 %) und lagen bei den Aufschlagassen mit dem gerade dort gefürchteten Kontrahenten gleichauf!
Warum dennoch nicht Berlin sondern Friedrichshafen das bessere Ende für sich buchen durfte?
Robert Kromm: „Dem VfB sind in richtigen Moment entscheidende Aufschläge gelungen. Und er hat uns mit Geduld in lange Ballwechsel verwickelt und daraus bei Erfolg zusätzliche Motivation gezogen.“
Trainer Lebedew bestätigte seinen wertvollsten Angriffsakteur: „Wir waren mitunter nicht clever genug und wollten mit Gewalt die Punkte zu schnell machen. Haben dann aber die Bälle teilweise nicht ’totgemacht` und so die Chancen liegen gelassen.“
Die höhere Total-Punktequote der Volleys resultiert auch aus dem Eröffnungssatz, als die Berliner den Gast mit 25:14 deklassierend in die Pause schickten.
Moculescu aber war im Gegensatz zu früheren Jahren ruhig geblieben. Seine Mannschaft hatte mit der ungewohnten Situation klar zu kommen, dass der eigentliche Zuspieler Nikola Jovovic wegen einer Bauchmuskelzerrung ausfiel. Und dessen Part an den 21-jährigen Jan Zimmermann ging, der nur in einem unwichtigen Ligaspiel in der Startaufstellung stand.
Nach der Watsch’n zu Beginn hatte der Youngster seine Nervosität abgelegt. Seine erfahreneren Kollegen – allen voran der 37-jährige Ex-Bulgare Ventzislav Simeonov, am Ende mit 25 Zählern Topscorer und MVP des Tages – fanden nun den Fokus und spielten ihre Stärken aus. „Wir haben dann gut aufgeschlagen und gut geblockt. Und haben einfach immer weiter gespielt. Weiter, immer weiter, wie ein erfolgreicher Torwart es immer gefordert hat”¦“ Moculescu meinte Oliver Kahn, den ehrgeizig-besessenen zum Torwart-Titan hochgejubelten Akteur der Bayern und der Nationalmannschaft.
Dass die Berliner im vierten Aufeinandertreffen die dritte Niederlage kassierten – zudem ein höchst schmerzvolle – könnte mental Spuren hinterlassen. Zumal sie erneut nach fulminantem Auftakt vorübergehend die Kontrolle über das Geschehen verloren. Dann sich bis zum ultimativen Tiebreak des fünften Durchganges durchkämpften. Dort 7:5 und 10:8 vorn lagen, jedoch wie beim 2:3 im Pokalfinale dann die Aufschlag-Druckserie von Simeonov nicht stoppen konnten. Zudem bekam Angriffsass Kromm nicht genügend Unterstützung und Entlastung. Wenn es um die „big points“, die wichtigen Punkte, ging, wussten der schnelle Block und die vorzügliche Feldabwehr der Gäste, dass da der 2,12-m-Mann der Volleys als Angreifer zu erwarten war.
Volleys-Manager Kaweh Niroomand hatte zuvor ahnungsvoll erklärt: „Der dritte Titelgewinn hintereinander wird natürlich der schwierigste. Weil der Überraschungseffekt nun verpufft ist und Friedrichshafen sich enorm verstärkt hat, um mit aller Macht wieder ganz oben zu stehen.“
Jetzt ist der Hauptrundenerste Berlin im „Traum-Finale“ der Erzrivalen gefragt, um sich mit Cleverness, Geduld und Kämpferherz den Heimvorteil zurückzuholen. Lebedew glaubt: „Es wird weiter eng bleiben und könnte bis ans Ende gehen.“ Das Ende wäre dann Spiel Nummer fünf am 11. Mai um 15 Uhr in der Max-Schmeling-Halle.