Guatemala City, Guatemala (Weltexpress). Farbenprächtig verschmilzt in Zentralamerika die alte Indiokultur mit der spanischen Kolonialarchitektur.
Eine Einladung zum Gespräch klingt anders. Denn kaum ergreift die Brüllaffen-Familie im Blätterdach der Urwaldriesen lautstark das Wort, muss die unterlegene menschliche Stimme ohne Gegenwehr kapitulieren. Und wird damit widerstandslos unter den dichten Klangteppich gekehrt, den die stimmgewaltigen Schreihälse über dem feuchten Dschungelboden ausrollen.
Als ginge es ihnen bei dieser Aktion möglicherweise darum, unbewusst vorhandene Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren. Oder aber es der zur Überheblichkeit neigenden Verwandtschaft im Stammbaum der Evolution selbstbewusst heimzuzahlen. Mit trotzigem Unterton, um damit dem normalerweise als wenig schmeichelhaft empfundenen eigenen Familiennamen dann doch noch die Ehre zu erweisen.
Rückeroberung menschlichen Terrains
Allerdings scheint dieser akustische Klangteppich zu konkurrieren mit einer noch dichteren Decke am Urwaldboden. Mit jenem wuchernden Geflecht aus Baumwurzeln und Schlingpflanzen, an dieser Stelle offenbar eigens vom tropischen Regenurwald dazu geschaffen, um das einstmals an den Menschen verlorene Terrain nach und nach zurück zu erobern. Und dabei selbst pompöse Siedlungsanlagen unter sich zu begraben, als solle mit einer solch gezielten Gegenmaßnahme gleich eine ganze Zeitepoche ungeschehen gemacht werden.
Eine Erfolgsstrategie seitens der „grünen Hölle“, der Tikal als die gigantische Tempelstadt der Maya fast zum Opfer gefallen wäre. Denn nur durch einen Zufall wurde sie im 19. Jahrhundert im Peten-Urwaldgebiet Nordguatemalas wiederentdeckt. Ein begeisternder Fund, dessen mächtige Tempeltürme sogleich weltweit Aufsehen erregten. Und der zudem auf allen Wissensgebieten erhebliche Anstrengungen freisetzte, der versunkenen Maya-Kultur ihre über die Jahrhunderte verborgenen Geheimnisse zu entlocken.
Indiokultur und spanisches Temperament
Schnell wurde dabei klar, dass die Maya sehr wohl ein lebendiges Erbe hinterließen. Und zwar außerhalb der einstigen Hochburgen im Dschungel Zentralamerikas, die man einst, Hals über Kopf hatte verlassen müssen. So schlug das Leben der Ureinwohner an anderen Stellen erneut Wurzeln, diesmal etwas vorsichtiger und weniger aufwändig, um die Ressourcen der Natur nicht zu überfordern. So auch in dem nicht weit von Tikal entfernten Städtchen Flores, der heutigen Provinzhauptstadt des Peten-Dschungelgebietes. Als kleine Insel inmitten eines Sees ist sie heute nur durch einen aufgeschütteten Damm mit der Außenwelt verbunden und erhält sich gerade durch ihre Abgeschiedenheit ihre kleine eigene Welt.
Denn hier tummelt sich in unglaublicher Unmittelbarkeit indianisches Leben, wie es ähnlich früher einmal vorgeherrscht haben mag. Besonders am Wochenende, wenn Indiokultur und spanisches Temperament sich verbinden zu einem stimmungsvollen Straßenleben mit Ansteckungsgefahr. Vom Stadthügel herab verbreitet sich die gute Laune bis hinunter zum Seeufer des Peten Itza. Hier tummeln sich die Jugendlichen lautstark bei einem ausgelassenen Strandleben, während sich gleich nebenan in einer kleinen einsehbaren Holzveranda die Erwachsenen bei lateinamerikanischen Klängen in rassigen Tanzschritten wiegen.
Panamericana als Lebensader
Nicht weniger temperamentvoll präsentiert sich auch der Süden des Landes. Dort wo das graue Asphaltband der Panamericana Guatemala mit den Nachbarländern Mexico und El Salvador verbindet. Als eine Lebensader für Menschen und Güter, wie eine kurze Rast in Los Encuentros umgehend beweist. Einem Ort mitten in der Provinz, dessen Mittelpunkt der vor Lebhaftigkeit strotzende Busbahnhof zu sein scheint. Denn hier geben bunt bemalte und bis auf den letzten Platz gefüllte Busse in Windeseile ihre Menschenladungen frei, um sich sogleich wieder mit neuen farbig gekleideten Passagieren vollzusaugen. Pures sinnliches Leben inmitten freundlicher und liebenswürdiger Menschen.
Viele von ihnen unterwegs nach Panjachel am legendären Atitlan-See. Einem Ort, dessen pulsierendes Leben sich vor allem in der lang gezogenen Santanderstraße entfaltet. Dicht an dicht bestückt mit Läden, Restaurants und Cafés. Wie dem Traditionscafé Kitsch, einstmals gegründet von deutschen Zuwanderern und heute ein Treffpunkt für Kuchenliebhaber aller Art. Eine Straße auch für moderne Aussteiger. Wie beispielsweise Roland Böttcher, den es auf langen Umwegen von Nürnberg aus hierher verschlug. Ein sympathischer Weltenbummler mit Lebenserfahrung und Blessuren. Aber vielleicht gerade deshalb ein überaus unterhaltsamer Gesprächspartner, der gegenwärtig mit einem eher bescheidenen Würstchenstand sein nötiges Kleingeld verdient.
Indiodörfer am Seeufer
Doch schon wartet, nur wenige Schritte entfernt, an einer Anlegestelle des Atitlan-Sees eines jener wendigen Wassertaxis, für die kein noch so versteckter Ort am Seeufer unerreichbar bleibt. Schon durchschneidet der scharfe Bug die flache Wasseroberfläche, in der sich die hohen Vulkankegel am Seeufer spiegeln. So erstaunt es nicht, dass Weltreisende wie Alexander von Humboldt im Atitlan-See eines der weltweit schönsten Gewässer erblicken wollten. Eine Aussage, die schon jetzt neugierig macht auf die am gesamten Ufer verstreuten Indiodörfer mit Vergangenheit.
San Antonio Palopo ist eines von ihnen. Wie ineinander verschachtelte Quader weißer Bauklötze schmiegen sich die Häuser an den Berghang am südlichen Seeufer. Zunächst verbergen sie noch den steilen Aufstieg bis hinauf zu Dorfkirche. Doch zum Glück gibt es die kleinen Webstuben, die immer wieder zur kurzen Rast einladen. Hier sitzen routiniert arbeitende Indiofrauen in handgefertigten blauen Kleidungsstücken am Webrahmen und praktizieren in lebendiger Tradition das von ihren Vorfahren erlernte Kunsthandwerk.
Hauch von Noblesse
Ganz anders dagegen die Atmosphäre in Antigua, der vom spanischen Kolonialstil geprägten ersten Hauptstadt Guatemalas. Angelegt im Schachbrettmuster und einst übervoll von Kirchen, die allerdings in ihrer Überzahl mehreren Erdbeben zum Opfer fielen. Obwohl Ende des 18. Jahrhunderts die Hauptstadt aus Sicherheitsgründen von hier nach Guatemala City verlegt wurde, hat sich Antigua seither einen Hauch von Noblesse bewahrt. Mit seiner verführerischen Jade-Schmuckindustrie, seinen ausgefallenen Läden und Restaurants. Oder dem unvergleichlichen Hotel Casa Santo Domingo, stilvoll eingepasst in die von einem Erdbeben zerstörte kirchliche Bausubstanz.
Zurück in Guatemala City schließt sich der Kreis einer Reise durch ein äußerst farbenfrohes Land. Als traditionelle Anlaufstelle gilt hier, unweit der Kathedrale, die Bar „El Portal“. Nicht nur die älteste Bar des Landes, sondern zugleich auch angesagter Treffpunkt, an dem sich schon Nobelpreisträger Miguel Angel Asturias und Revolutionsikone Che Guevara die Klinke in die Hand gaben. In der Tat ein weiter Bogen, der sich in Guatemala spannt von der Kultur der Mayas bis hin zum quirligen und lebensfrohen Miteinander in der Gegenwart.
Reiseinformationen “Guatemala”:
Einreise: Erforderlich ist für deutsche Staatsangehörige ein noch 6 Monate gültiger Reisepass, jedoch kein Visum.
Reisezeit: Ganzjährige Reisezeit. Die Trockensaison reicht von Oktober bis April, die Regenzeit von Mai bis September. Davon ist jedoch lediglich ein Teil des Tages betroffen.
Reiseveranstalter: America Andina: www.america-andina.de/reisen/guatemala.html; Forum anders reisen: www.forumandersreisen.de; Sommer Fernreisen: www.sommer-fern.de/reisen/mittelamerika/guatemala; Southern Sky Tours: www.southern-sky-Tours.de
Unterkünfte: Guatemala City: Hotel Princess, www.hotelprincess.com und Radisson, www.radisson.com/guatemalacitygt; Flores: Las Lagunas, www.laslagunashotel.com; Atitlan-See: Hotel Atitlan, www.hotelatitlan.com; Antigua: Hotel Vilaflor, www.vilaflorhotel.com; Casa Santo Domingo: www.casasantodomingo.com.gt
Auskünfte: Guatemala: www.visitguatemala.com und Zentralamerika: www.visitcentroamerica.com
Unterstützungshinweis:
Die Recherche wurde unterstützt von Visit Guatemala.