Berlin, Deutschland (Weltexpress). Ein See, die Großeltern, die fehlende Mutter. Nami ist ein kleiner Junge in einer unbestimmten Zeit, einem unbestimmten Land. Der See schwindet, verdunstet, aber trotzdem ist er gefährlich, schluckt die Männer, Väter und Großväter. Die Reiter der Apokalypse sind bei Bellová der männermordende Seegeist, die Ölförderung, die Umweltverschmutzung und die Russen. Der See könnte der Aralsee in Zentralasien sein. Rings um die verseuchte Seelandschaft liegt Wüste. Die Bewohner des Dorfes arbeiten (noch) in der Fischfabrik, ihre Kinder haben Ekzeme und Missbildungen. Armut, verrotteter Plattenbau und Kolchose contra Melone, Pfirsich, Tomate und Blini mit Kaviar. Frittierte Krapfen, Schafskäse, Hammelfleischfrikadellen, Piroggen und Brot mit Zwiebeln. Schnaps und Schweigen. Nami macht sich auf, die Mutter zu suchen, wegzukommen vom See. Verdingt sich, wandert weiter.
In diesem düster apokalyptischen Roman wird der Leser hart gebeutelt, Vergewaltigung, Sklaverei und Barbarei sind in der vagen Zukunft Alltag. Wie sich der junge Mann durch die dystopische Welt schlägt und seine Wurzeln sucht, ist meisterhaft erzählt. Bianca Bellová, 1970 in Prag geboren, zählt zu den wichtigsten Stimmen der tschechischen Literatur und wurde für diesen Roman mit dem tschechischen Buchpreis Magnesia und dem Europäischen Literaturpreis ausgezeichnet.
Ein Menetekel, das man nicht so schnell vergessen wird!
Bibliographische Angaben
Bianca Bellová, Am See, Roman, Aus dem Tschechischen von Mirko Kraetsch, 240 Seiten, Hardcover, Format: 12,8 x 19,4 cm, Verlag: Kein & Aber, Zürich, Februar 2018, ISBN 978-3-0369-5778-4, Preis: 20 EUR