Damen auf Reise finden ihr Zuhause – Serie: „Schlafende Schönheit. Meisterwerke viktorianischer Malerei aus dem Museo de Arte de Ponce“ im Belvedere in Wien (Teil 1/2)

Dante Gabriel Rossetti, Roman Widow (Dí®s Manibus), 1874

Ganz schön verwegen und doch völlig einsichtig. Die Kunstbewegungen gehen eben hin und her und Spätere greifen etwas auf, was jahrhundertelang außer Mode war, führen es wieder zur Spitze, bis die inneren Wurzeln der Malweise verblassen und Schematismus Raum greift und diese Kunstrichtung erneut in Vergessenheit gerät, wieder entdeckt wird undsoweiterundsoweiter. Hier sprechen wir von Wien, an deren, seit 1692 urkundlich erwähnter Akademie der bildenden Künste der Deutsche Friedrich Overbeck im Jahr 1804 ging, weil er hier eher Gleichgesinnte erwartete, die ihn in seinem Bemühen unterstützen, die Malerei aus der Zeit vor Raffael wiedererstehen zu lassen. Er gründete in Wien 1809 den Lukasbund. Der Apostel Lukas galt nicht nur als Maler der Maria als erster Maler und Beschützer der Malerei, sondern es ging auch darum, die religiöse Malerei wiederzuerwecken, so wie sie die Spätgotik vorgemacht hatte, Piero della Francesca, Pisanello etc. Es ging aber auch darum, die Vorstellungen der Zeit, Romantik genannt, nach den Volkswurzeln in Sagen und Märchen Bild werden zu lassen. Das ging dann erst in Rom, wohin die wegen ihrer jesusähnlichen Aufmachung mit langen Haaren „Nazarener“ genannten deutschen Künstler siedelten. Zwar hat man immer wieder thematisiert, daß im Jugendstil Ähnlichkeiten auftraten, aber die Nazarener waren in Mitteleuropa mit der Mitte des 19. Jahrhunderts abgetan und erst in diesen Tagen versuchen Ausstellungen wie die in der Frankfurter Schirn ihnen historische und kunsthistorische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

In England war es dann die 1848 gegründete Bruderschaft der Präraffaeliten – Dante Gabriel Rossetti, John Everett Millais und Wilhelm Holman Hunt -, die auf der britischen Insel erfolgreich religiös und mythisch Inspiriertes fortsetzten, was auf dem Kontinent als blutleer verkommen war. Im Bruder des weltbekannten Gustav Klimt, Ernst Klimt, findet man nun einen Maler, der aus religiösen Gründen am Nazarenertum festhielt, was ihn zusammen mit seinem Bruder besonders aufmerksam nach Englang schauen ließ, denn der dortige gesellschaftliche Erfolg der Präraffaeliten zeigte sich auch in deren Reproduktionsauflagen, so daß diese Künstler auch in Wien bekannt waren. Es war insbesondere das Damenporträt, das Furore machte und als dessen Meister Dante Gabriel Rossetti in direkter Nachfolge von Pisanello und Perugino auch Raffael und Tizian, erst recht Bronzino galt. Für die Brüder Klimt allerdings wurde erst einmal Frederic Leighton wichtig.

Das kann man im Belvedere genau verfolgen, nicht nur, was die Motive und Malweise angeht, sondern auch die formalen Mittel der Gestaltung mit Goldhintergrund und Format des Gemäldes. Ein im Jahr 1864 gefertigtes Gemälde von Leighton – Golden Hours – wird einem von Ernst Klimt gegenüber gestellt, was als schematischer und eher starr wahrgenommen wird. Wir hatten noch nie ein Bild von Ernst Klimt gesehen. „Francesca de Rimini und Paolo“ ist Romantik pur. Die männliche Gestalt aus Dantes göttlicher Komödie trägt hier die anmutige Kleidung der Spätgotik. Francescas Kleid allerdings hat modernere Puffärmel und ihre anschmiegsame Haltung haben Männer zu allen Zeiten gerne! Was sonst als Putti das Bild bevölkert, sind hier ’echte’ Engelchen, als Babys mit Flügeln.

Ein Bild hängt ohne Kommentar dazwischen. Das selten gemalte, aber von Burne-Jones vorgegebene Motiv „Pan tröstet Psyche“ aus dem Jahr 1892 trägt zwar die Signatur Ernst Klimts, wird aber heute als Gemeinschaftsarbeit beider Brüder Klimt angesehen. Die bisher unbekannte Mitautorenschaft des berühmten Gustav ist erst bei den Recherchen zu dieser Ausstellung entdeckt worden. Gustav Klimt unterstützte die Witwe seines früh verstorbenen Bruders durch das Fertigmalen von dessen Bildern. Für dieses Bild nimmt man an, daß Landschaft und Position der Figuren von Ernst stammen, die detailreiche Ausführung aber von Gustav. Und später sieht man das den Präraffaeliten, vor allem Dante Gabriel Rossetti gegenüber gestellte Ganzkörperporträt der Sonja Knips von Gustav Klimt aus dem Jahr 1898. Und hier passiert uns Erstaunliches. Dieses Gemälde haben wir schon sehr oft betrachtet. Ohne weitere Emotion. Aber hier im direkten Vergleich mit unter diesen Prämissen dann doch konventioneller Malerei nehmen wir auf einmal diese Ungeheuerlichkeit wahr, mit der Klimt die gesamte rechte Bildhälfte ’klatsch’ mit einer Person besetzt und links – die gesamte linke Hälfte also – einfach eine Leere läßt, die aber nicht leer wirkt, sondern nur wie das nötige lichtlose Pendant zu so viel rosa Spitze und Tüllfülle und einem Frauengesicht, das so erwartungs- wie geheimnisvoll wirkt. Ein tolles Bild. Fortsetzung folgt.

P.S. Wir haben in dieser Besprechung Edward Burne-Jones völlig ausgespart, obwohl er mit seinem schlafenden König Artus ein Hauptwerk, das eine ganze Saalwand einnimmt, bestreitet und mit seinen Dornröschendarstellungen so richtig das Sujet der Rosen und Dornen bearbeitet und vor keinem Kitsch Angst kennt. Die Auslassung liegt daran, daß Ende letzten Jahres eine eigene Burne-Jones Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart stattfand, in der auch die im Belvedere gezeigten Werke aus dem Museum in Ponce vertreten waren, darüber hinaus aber noch sehr viel mehr Burne-Jones, von denen auch Stuttgart selbst einen gewaltigen Zyklus besitzt. Die Artikel zu diesen Ausstellungen sind deshalb als Link unten angeführt und gelten ausdrücklich als Teil dieser Besprechung der Ausstellung im Belvedere.

Ausstellung: bis 3. Oktober 2010

Die Ausstellung wird durch viele Führungen begleitet, aber auch durch für den Sommer und Touristen besonders anziehende Veranstaltungen. So gibt es jeweils samstags und sonntags „Frühstück im Grünen“, wo Wasserspiele, barocke Skulpturen und üppiges Grün den Rahmen für das gebotene Frühstück mitsamt Sekt bilden, dem sich die Führung durch die Ausstellung anschließt.

Der Mittwochabend mit bis 21 Uhr verlängerter Öffnungszeit wird genutzt, um auf der Unteren Gartenterrasse Tapas zu servieren.

Auch für Kinder und Jugendliche gibt es Programme und extra Führungen, was Sie alles der Webseite entnehmen können.

Katalog: Schlafende Schönheit. Meisterwerke viktorianischer Malerei aus dem Museo de Arte de Ponce, hrsg. Von Agnes Husslein-Arco und Alfred Weidinger, Belvedere, Wien 2010

Der Katalog geht schon im Vorwort auf das ein, was kunstgeschichtlich die Lücke in Wien schließt, das traditionell die englischen Bildwelten des späten 19. Jahrhunderts nicht kannte, die der ersten Hälfte allerdings auch nicht. Es wird des weiteren ausführlich das Museum aus Puerto Rico vorgestellt, das nur existiert, weil ein Mann die Initiative übernommen hatte, in der Karibik europäische Kunst zu sammeln. Diese Sammlung, von der ja in Wien nur ein Teil ausgestellt ist, wird vorgestellt. Die ausgestellten Gemälde und Zeichnungen sind sowieso abgedruckt, darüber hinaus aber viele Bezugswerke, die nicht alle nach Wien kommen konnten, aber inhaltlich Korrespondenzen bilden. Dieser Bezugsrahmen ist ein weiter, denn er erstreckt sich von der Spätgotik über die Renaissance bis zu den Nazarenern, Präraffaeliten und dann noch den Historismus und Jugendstil. Also eine sehr interessante Lektüre. Wie auch bei dem Stuttgarter Katalog zu Burne-Jones entzückt hier die opulente Ausstattung Die Blumen-Märchen-Motive bilden in Lachsrosa die vorderen und hinteren Umschlagsseiten und trennen die jeweiligen Kapitel.

www.belvedere.at

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005

Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tipp: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Essen und Trinken: Völlig zufällig gerieten wir im Februar 2010 nur kurz in die Eröffnung des NASCH im Hilton Plaza. NASCH heißt das neue Restaurant aus gutem Grund, denn es geht auch ums Naschen, man kann sich seine Vorlieben in kleinen Portionen, dafür vielfältig aussuchen, in der Art der spanischen Tapas. Das Entscheidende am neuen Restaurant im Hilton Plaza aber ist, daß die Grundlage die österreichische Küche ist. Man kann sich quasi durch Österreich durchessen. Wir werden das ein andermal tun und dann darüber berichten. Das haben wir immer noch vor!

Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, den Hilton-Hotels Wien und dem Wien Tourismus.

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