Churchill – Frittenfett, Feuerwerk und irre Flugbegleiter – Serie: Direktberichterstattung von einer Recherchereise zu den Eisbären an die Hudson Bay (Teil 9)

Eisbären an der Hudson Bay bei Churchill (Kanada).

So ist es immer wieder, auch nach einigen Tagen hier oben im kanadischen Norden, in der Provinz Manitoba, ein etwas mulmiges Gefühl das sichere Hotel zu verlassen und in den Morgenstunden allein die Stimmung des Ortes einzuatmen und zu verinnerlichen. Ich liebe diese Momente. Abenteuerlich und ganz für mich allein. Oder eben nicht. Laut den Einheimischen kam es seit Jahrzehnten zu keinem direkten Sparingkontakt zwischen Tier und Mensch. Das beruhigt mich ein wenig. Die Kälte zerrt an meiner Skijacke, versucht ein Stückchen nackte Haut unter meiner Fleecejacke mit Wärmegrad XXL zu erreichen. Vergebens. Mein Outfit hält, was die Werbung verspricht. Ich bin glücklich hier zu sein.

Bei Gypsis herrscht wie jeden Morgen reges Treiben und eine wohlige Atmosphäre, fast so wie unter meiner arktischen Garderobe. Es ist noch früh, nicht meine Zeit für ein ausgedehntes Frühstück, ein Toast mit Schinken und ich fühle mich gesättigt. Kaffe trinke ich sowieso zu keiner Zeit. Die anderen lassen sich Bagels schmecken, die wirklich erstklassig und wohlschmeckend über die Theke gereicht werden. Den Inhabern Tony und Helen DaSilva sei Dank. Das Wetter hat sich ein wenig beruhigt, wir können los. Die Eisbären-Expedition kann beginnen. Während der Fahrt raus in die schneeverwehte und lebensfeindliche Tundra, erzählt uns unser Fahrer von einer wahren Geschichte, die sich in den letzten Tagen hier draußen ereignet hat. Natürlich müssen auch Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter einmal ausspannen. Was liegt da näher als einen locker-lässigen Ausflug in die Weite der Tundra zu unternehmen. Ein Funkgerät mitnehmen, ach was, endlich mal kein Kontakt mit Tower und Außenwelt, denken sich die Ausflügler. Doch der Trip in die Welt der Eisbären endet bald in einer Schneewehe, das Auto hängt fest, es gibt kein Weiterkommen. Der mutigste oder besser der wahnsinnigste steigt aus dem Wagen aus. Sicher findet man Hilfe im mehrere Kilometer entfernten Churchill. Selbstverständlich gibt es dort Hilfe, aber unterwegs dafür auch reichlich gefährliche Eisbären. Die Geschichte geht gut aus, der flugerfahrene Spaziergänger wird von einem kopfschüttelnden Churchillianer aufgelesen. Später wird auch die gesamte Ausflugstruppe wieder in sichere Gefilde gebracht. Irre. Irre gefährlich.

Nachdem wir endlich den riesigen Tundra-Buggy bestiegen haben, kutschiert uns Lionel, weltbester Tundra-Buggy-Fahrer, durch das unwegsame Gelände. Im Laufe des Tages sehen wir unzählige Eisbären: schlafend, kämpfend, spielend oder auch verträumt. So denken wir jedenfalls. Menschengedanken eben. Hungrig sind sie jedoch ganz bestimmt. Doch Füttern, auch unabsichtlich, ist absolut verboten, wie wir klar und deutlich von unserem Guide eingetrichtert bekommen. Und das kam so. Einige der besonders engagierten Fotografen besorgten sich in kleine Plastiktüten abgepackte Kokosnussraspeln. Wozu denn das? Damit sollten die Erschütterungen während des Auflegens der Objektive auf die schmalen Fenstersimse gemindert werden. Tolle Idee, fanden wir. Doch Tamara, unsere bestens informierte Rangerin, hob blitzschnell ihren Zeigefinger. Und die verbale Info folgte stante pede: „Sollte auch nur eines dieser Säckchen den Buggy Richtung eisige Tundra verlassen, wäre die Tagesexpedition sofort beendet. Die Rückführt für alle würde unverzüglich angetreten.“ Klare Worte. Klare Reaktion unsererseits. Sämtliche Kokosraspeln verschwanden schnellstens in den Tiefen der Taschen und Rucksäcke. Auf nimmer Wiedersehen. Von wegen Eisbären anlocken mit Leckereien oder mit Frittenfett beschmierten Fahrzeugen. Hier nicht. Zum Glück achtet man darauf, dass die ausgehungerten Tiere nicht durch irgendwelche Speisen oder Düfte angelockt und konditioniert werden. Ich find das gut.

Nichtsdestotrotz entstehen wunderbare Fotos, manch eins zwar verwackelt, aber das Naturerlebnis und der Kontakt mit den Nomaden des Nordens ist einfach grandios und unvergesslich.

Ich komme wieder, vielleicht auch im Sommer, und tauche in der Hudson-Bay mit den Belugawalen in die Tiefe.

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Weitere Informationen finden Sie hier:

Canadian Tourism Commission
c/o Lange Touristik-Dienst, Eichenheege 1-5, 63447 Maintal, 01805 – 526232 (0,14 EUR je Minute, abweichende Preise aus dem Mobilfunk), Email: info@meinkanada.com, www.canada.travel

oder auch

– Travel Manitoba, Winnipeg www.travelmanitoba.com

Webseite von Churchill / Manitoba www.townofchurchill.ca

– Mehr über den Schutz von Eisbären bei Polar Bears International www.polarbearsinternational.org

Empfehlungen zu Aufenthalt und Anreise

Anreise z.B. mit Air Canada www.aircanada.de von Frankfurt über Toronto nach Winnipeg /Manitoba. Weiter mit Nolinor Aviation nach Churchill

Restaurant: Gypsy Bakery Ltd., 253 Kelsey Blvd., Churchill, Manitoba, Canada, Phone: 204-675-2322

Tour-Anbieter: Frontiers North/Tundra Buggy ® Adventures, 124 Kelsey Blvd., Churchill, Manitoba, Canada, Phone: 204-675-2121, www.frontiersnorth.com

Hotel: The Aurora Inn, 24 Bernier Street, Churchill, Manitoba, Canada, Phone: 204-675-2071, www.aurora-inn.mb.ca

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