Nachdem Berlins ältestes und schönstes Varietetheater letztes Jahr nach der Pleite dicht machen musste, öffnet der Wintergarten mit einer furiosen neuen Show wieder seine Türen. Die “Black Flamingo Burlesque Show” gibt sich für wenige Wochen künstlerisch die Blöße. Im angenehmsten Sinne: die “Black Flamingo Burlesque Show” lässt die Bühnentradition der Burlesque, einer Mischung aus Komik, Musik und Striptease, wieder aufleben. Geboren wurde die Burlesque nicht etwa im kühlen England, wie es das Programmheft will. In der New Yorker Bowery entstand die frivole Spielart des Vaudeville mit Entkleidungstänzen und verruchten Humoreinlagen. Blütezeit der Burlesque waren die Goldenen Zwanziger. Die Börsenkurse fielen in den Keller, auf der Bühne die (vor)letzten Hüllen. Anders als beim konventionellen Strip wird bei klassischer und der von Rockabilly und Underground beeinflussten New Burlesque nicht blank gezogen. Ein glitzerndes Stoffstückchen bleibt, der G-String und die auf die Brust geklebten Pasties. Burlesque verführt durch das Spiel mit der Fantasie: Erotik, Humor und Ironie. Aufgelockert werden die koketten Entkleidungsnummern durch Akrobatik, Musik von Duke Ellington bis Nina Simone und Clownerie.
Für Ralph Sun, Regisseur der “Black Flamingo Burlesque Show”, ist die Kunstform nicht nur Bühnennummer, sondern ein Lebensgefühl: den Geist Mae Wests und Marilyn Monroes will er im Wintergarten beschwören. Die vollmundige Ankündigung klingt nach “Barker”, dem unverzichtbaren Ansager vor jedem Vaudevilletheater, der Unerhörtes, bei der “Black Flamingo Burlesque Show” in doppeltem Sinne, versprach. Die Truppe aus Artisten, Clowns, Burlesque-Künstlerinnen und Musikern der “Black Flamingo Burlesque Show” ist tatsächlich prickelnd. Moderatorin Evi, unterstütz vom Kollegen das Tier alias Mr. Leu, stellt sie einzeln vor, als sich der rote Vorhang öffnet. Dazu tönt eine flotte Nummer, jugendfrei, von der Damenkapelle Lizzy Melons. “You’ll laugh and cry, may dear!”, trällert Miss Evi bevor die ausgezeichnete – auch mit Preisen – Trixee Sparkle mit ihrer “Schwester” einen kessen Fächertanz aufführt. Die französische Handstand-Äquilibristin Margot stellt sich für die “Black Flamingo Burlesque” Kopf. Noch gibt sich die “Black Flamingo Burlesque Show” bedeckt. Die besten Parts, wie Komödiantin Sandy Beach und Miss HoneyLuLu, blieben dem Pressepublikum in der gekürzten Darbietung verwehrt. Spielt Miss HoneyLuLu mit ihrer auf dem “Black Flamingo Burlesque” – Poster groß angekündigten Nummer “Storm in a Teacup” auf die englische Facette der Burlesque an? Inspiriert ist das Bad in einer überdimensionalen Teetasse von der amerikanischen Stripperin Dita von Teese. Die Bowery liegt eben doch näher als Soho.
Burlesque-Künstlerin Sandy Beach, Gründerin der Striptruppe “Teaserettes”, verriet dafür im Interview mit Weltexpress mit sprühendem Witz Vertrauliches über ihre Ambitionen und Inspirationen. In der “Black Flamingo Burlesque Show” bleiben Miss Sandy Beach, der in Kiew geborenen Zirkuskünstler Oleg Dyachuk und der Moskauer Akrobat Mikahail Stepanov dem zahlenden Wintergartenpublikum vorenthalten. Stattdessen unterstreicht das Jongleurduo Strahlemann und Söhne, dass Strumpfhalter nur bei Damen sexy sind – und schlabbernde Streifenunterhosen niemals. Königin ohne Kleider bleibt Catherine D ´Lish. Ihrem anziehenden Ausziehen wird im Abendprogramm der “Black Flamingo Burlesque” hoffentlich durch mehr nackte Haut Konkurrenz gemacht.
Gerupft wird auch der Zuschauer. Not kennt kein Gebot gilt besonders für Geldnot. 52 Euro machen neben der Burlesque auch die Eintrittspreise risqué. Karten für die preiswerteren der drei Platzkategorien kosten je 10 Euro weniger. Auf Plätzen der dritten Kategorie schrumpft eine Wintergartenvorstellung leider zum Hörvergnügen – nicht zu empfehlen bei Burlesque, in der die Schauwerte unverzichtbar sind. Vom 2. Oktober bis zum 15. November sollte die “Black Flamingo Burlesque Show” ihre Pforten und die Künstlerinnen ihre Plüsch besetzten Boudoirmäntel öffnen. Nach dem sensationelle 12.000 Karten im Vorverkauf weggingen, wurde die “Black Flamingo Burlesque Show” einmalig bis 31. Dezember verlängert. Bis zur Silvesternacht kann man sich von den Künstlerinnen in knappen Kostümen unterhalten lassen. Die “Black Flamingo Burlesque Show” verspricht eine nostalgiebeschwingte Rückkehr urwüchsiger Cabaretkultur in den Wintergarten. Die letzten Cents also rasch in eine Karte für die “Black Flamingo Burlesque Show” investiert, um bei der letzten Vorführung darauf anzustoßen, dass das neue Jahr nicht hält, was das alte angedrohte. Die entblätterten Damen Finanzkrisen ohnehin nicht fürchten. Nackten kann man nicht in die Tasche fassen.
Titel: Black Flamingo Burlesque Show
Ort: Wintergarten, Berlin
Vorstellungen: 2. Oktober – 31. Dezember 2009, Mo.-Fr. 20.00, Sa. 19.30 & 23.30, So. 18.00
Internet: www.deag.de