Blei zu Brei schmelzen und dann gießen – Ein beliebter Brauch bei Bundesbürgern

Heute spricht der Bottich nicht mehr Bände, was so falsch nicht ist, dient das gegossene Blei dem Betrachter nicht mehr als Antwort auf Fragen, als Rechtfertigung für Handlungen oder als Zeichen für Unwissende. Und das ist gut so. Heute hat der moderne Mensch das "Orakel vom Bodensee", wie Hans Magnus Enzensberger Mitte des vergangenen Jahrhunderts das Allensbacher Institut für Demoskopie nannte. Oder den WELTEXPRESS.

Doch wie einst die Römer gossen, so gießen die Deutschen noch heute. Das Bleigießen dient der guten Laune, hebt die Stimmung an Silvester und, um es mit Gottlieb Wendehals zu sagen: "da kommt Freude auf". Für ein "Pfund" schon oder sagen wir: fünf Euro sind die Mischungen aus Plastik, Papier, Blech und Blei im Pappkarton zu kaufen, die pünktlich zur Jahresendfeier aus der Volksrepublik China in alle Welt kontainert zu werden.

Eine Packung aus Rotchina landete in der warmen Redaktionsstube des WELTEXPRESS in Berlin. Wir nahmen vorweg wonnigen Wein und glühten in auf, um darauf das Blei auf dem mit Ökostrom betriebenen Elektroherd zum Schmelzen zu bringen. Dazu nahmen wir gleich zwei der viel zu kleinen Bleistücke, um sie in der mitgelieferte Pfanne zu Brei zu brutzeln (siehe Beweisfoto).

Dann gossen wir das sympathische Metall mit dem niedrigen Schmelzpunkt, dem Elementsymbol Pb und der Ordnungszahl 82 in einen Pott voll H2O. Puff machte es kurz. Wir hielten inne und schauten auf das erstarrte bläulich-weiße Etwas. Die Packungsbeilage sollte Aufklärung bringe, brachte sie aber nicht. Das bizarre Ding warf bei Licht betrachtet zwar Schatten, doch die leuchteten nicht wie Kant seinem Diener Lampe. Weiteren Flaschen Glühwein dienten ebenfalls nicht der Wahrheitsfindung.

Die Deutungsliste mit Hinweisen zur Interpretation kreiste wie sonst nur ein guter Joint. Unsere Assoziationen wie Herz = mal wieder einen Blick ins Horoskop von Sonja Schön werfen oder Drache = fliege nicht mit Air Berlin … drehten sich mit und immer nur ums Blei.

Bleigießen – für eine Hand voll Euro eine volle Stunde Freude. Da gibt es nichts zu meckern, wie der Berliner lobt.

Anmerken möchte ich noch, daß nicht immer Blei drin ist, wo Blei drauf steht. Oft wird Zinn genommen oder ein Mischung aus beiden Elementen. Wer mögliche Bleidämpfe, die sehr giftig sind, nicht einatmen möchte, der kann zu einer Alternative greifen. Warum nicht einmal Wachsgießen im Winter?

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