Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Bezahlkarte für Asylbewerber hat viele Befürworter. Die Migration wird sie aber kaum eindämmen, solange echte „Pullfaktoren“ bleiben. Kritische Experten warnen: Die Karte sei ein Experiment an den Schwächsten, um schleichend die Freiheit aller Bürger einzuschränken.
Kameras auf Schritt und Tritt, Fingerabdrücke im Pass, Chipdaten als Zugangsberechtigung: Schleichend wickelt der digitale Überwachungsstaat die Bürger in sein Netz ein. Seine Verfechter träumen davon, das Bargeld abzuschaffen: Kaufkraft gegen Gehorsam, Überwachung jedes Warentausches, Karten, die beliebig beschränkt, ein- und abgeschaltet werden können. Das Experiment ist in Europa im vollen Gange, nun auch getestet an Asylbewerbern. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es ausgeweitet wird.
Meilenstein zur Totalüberwachung
Der Volkswirt, Geldexperte und Autor Norbert Häring warnt seit langem davor, auf die Begründungen der Politik hereinzufallen. Die vom Bundestag beschlossene Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber hält er für einen Meilenstein auf dem Weg zur Totalüberwachung aller Bürger. Das sehen auch andere so.
Diese Karte sei „nicht nur rechte Symbolpolitik und Schikane, sondern auch ein Testlauf für eine neue Form der Überwachung“, schrieb Titus Blome jüngst dazu in der Wochenzeitung Der Freitag. Es handele sich, so der Autor, um ein“perverses technopolitisches Experiment, das regelmäßig Schlagzeilen macht.“
Mit den Bezahlkarten wollen Politiker angeblich verhindern, dass Asylbewerber ihre kaum existenzsichernden Leistungen (seit Januar 460 Euro monatlich, davon 256 Euro bereits jetzt als Sachleistung ausgegeben) an ihre Familien im Heimatland überweisen, um so die Migration einzudämmen.
Belege dafür gibt es nicht, zumal bei 204 Euro größere Überweisungen ohnehin nicht drin sind. Im Rahmen einer Studie im westafrikanischen Senegal fanden Forscher des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung heraus, dass eine Bezahlkarte kaum Einfluss auf die Migration hätte. Die meisten Befragten seien über europäische Asylverfahren gar nicht informiert gewesen, hieß es. So konstatierte dann auch Blome in Der Freitag: „Dieses Phänomen kann zwar niemand nachweisen, aber Fakten würden den Populismus im Ganzen eh nur stören. Sagen wir’s, wie es ist: Die Bezahlkarte ist ein Produkttest. Stiftung Warentest für Kontrollmechanismen Made in Germany und Tested on Leuten, die sich nicht wehren können.“
Willkür und Schikane
Getestet wird offenbar auch die Toleranz für Willkür. Denn darauf ist die Bezahlkarte ausgelegt. So haben die Bundesländer weitgehend freie Hand bei der Gestaltung.
Im thüringischen Greiz etwa dürfen Betroffene die Karte nur innerhalb der kleinen Stadt mit gut 20.000 Einwohnern benutzen. So sperrt man Menschen ein. In Hamburg gibt es als Bargeld nur noch 50 Euro monatlich. Erinnert sei daran: Ohne Bargeld kann man auch heute vieles nicht bezahlen, etwa in kleinen Läden. Man kann nicht einmal öffentliche Toiletten benutzen.
Mit den Karten ist vieles möglich. Wer bestimmt, warum sie wie und wann beschränkt werden? Passiert das dann auf Anweisung eines Sachbearbeiters in einer Asylbehörde? Solche Art der Willkür kennt in Deutschland schon, wer einmal Hartz IV, heute Bürgergeld, bezogen hat: Angestellte von Jobcentern können entscheiden, wann sie eine Sanktion verhängen. Widerspruch und Klage können Betroffene einreichen, eine aufschiebende Wirkung aber hat beides nicht. Das Geld ist erst mal weg, die Verfahren dauern jahrelang.
Kontrolliert und erpressbar
Wer sich ohne Bezahlkarte nicht mal ein Brötchen leisten kann, wird freilich erpressbar. Man stelle einmal vor, Deutschland würde Krieg führen, die Belegschaften in der Rüstungsindustrie jedoch streiken, um Schlimmeres zu verhindern. Der Staat könnte die Asylsuchenden mit diesem Druckmittel einfach zum Streikbrechen zwingen, später dann auch Arbeitslose. Haben eines Tages alle Lohnabhängigen so eine Karte, würde sich wohl niemand mehr zu streiken trauen.
Schon jetzt breitet sich das Kontrollsystem schleichend aus. Lange bevor Fingerabdrücke in Pässen verpflichtend wurden, mussten sich Flüchtlinge erkennungsdienstlich behandeln und derart registrieren lassen. Irgendwann könnte das jeden bereits bei der Geburt treffen.
Anfang der 2000er Jahre fragten deutsche Behörden nur einige tausendmal im Jahr Kontodaten von Bürgern ab. Im Jahr 2022 gab es bereits 1,15 Millionen solcher Abfragen.
Immer mehr Haustiere müssen gechippt werden, immer mehr Sparangebote beim Bahnfahren sind nur noch digital unter Angabe von Personendaten möglich. So werden Bürger jetzt schon immer kontrollierbarer, und letztlich erpressbarer.
Politiker drängen schon auf Ausweitung
Aus den Reihen der Union kamen bereits Forderungen, die Bezahlkarte auf Arbeitslose auszuweiten. Auch FDP-Politiker plädierten schon dafür, dieses Instrument allen Menschen aufzubürden, die Sozialleistungen erhalten.
Die AfD plädierte derweil für striktere Beschränkungen der Waren, die Asylbewerber mit der Karte erwerben dürfen, und für ein Ende jeglicher Bargeldzahlungen.
Blome hat Recht: Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Schikanen und die davon betroffenen Personengruppen ausgeweitet werden: Bezieher von Bürgergeld, Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe bei Behinderung, Rente, Kinder- oder Erziehungsgeld und so weiter.
So ein Kontrollsystem führt notwendigerweise dazu, dass sich Bürger aus Angst vor Willkür konform verhalten. Die Teilnahme an einer Demo oder einem Streik, eine politische Äußerung in einem sozialen Netzwerk: Alles Mögliche könnte dazu führen, dass die Karte beschränkt oder abgeschaltet wird.
„Pullfaktor“ für Schwarzarbeit?
Laut dem Blog bargeldverbot.info wird über solche Bezahlkarten auch in anderen Ländern diskutiert. In Österreich geht es demnach um eine Scheckkarte für Flüchtlinge und die Streichung jeglicher Bargeldzahlungen. In der Schweiz setzt sich die SVP für so ein Modell ein, um „den Geldfluss nachvollziehbar“ zu machen. Australien hat bereits vor Jahren Sozialhilfebezieher ans digitale Gängelband gelegt, wie Norbert Häring berichtete: „Das Geld kommt auf eine spezielle Karte. Bestimmte Dinge können nicht mehr bezahlt werden: Alkohol, Drogen, Glücksspiel. Auch das brachte keinen Nutzen.“
Solange die Gruppe der Betroffenen noch überschaubar ist, werden viele sicherlich versuchen, trotz der Karte an Bargeld zu kommen. Sie könnten einfach Einkäufe für Dritte über ihre Karte erledigen und sich den Preis in bar auszahlen lassen. Die Zahl der Flaschensammler wird wohl weiter wachsen, auch die Schwarzarbeit könnte zunehmen, vielleicht auch die Kleinkriminalität.
Gängelband für kleine Läden
Der Blog bargeldverbot mahnt noch etwas anderes an: Werden Bezieher staatlicher Leistungen zu Kartenzahlern gemacht, steige der Druck auf kleine Läden. Viele akzeptierten nur Bargeld, weil digitaler Geldverkehr zusätzlich bis zu drei Prozent der Einkaufssumme koste. Dazu kommen monatliche Grundgebühren.
Der Autor verweist auf Belgien: Dort ist der Einzelhandel seit 2022 verpflichtet, ein elektronisches Zahlverfahren anzubieten, selbst kleinste Bäckereien sind dort betroffen. Bezahlkarten sind demnach auch ein Mittel, den Niedergang von Kleinunternehmen zu beschleunigen.
Zudem kämen als Anbieter für solche Bezahlkarten derzeit nur die US-Konzerne Visa und Mastercard infrage. Deutsche Unternehmen könnten die Anforderungen an diese Technologie nämlich bisher nicht erfüllen und bei der Akzeptanz dieser Debitkarten nicht mithalten. Das Geld flösse letztlich also – wieder einmal – in große Hightech-Unternehmen der USA.
Echte „Pullfaktoren“ bleiben
Im Grunde dient all das Gerede von „Pullfaktoren für Migration eindämmen“ am Ende nur dazu, Zustimmung in der Bevölkerung für ein gefährliches Experiment zu erringen, das dazu dient, den Kontrollstaat scheibchenweise auszuweiten und die Freiheit aller Bürger einzuschränken.
Würde Deutschland es denn ernst nehmen mit der Eindämmung der Migration, gäbe es ganz andere „Pullfaktoren“ auszuschalten, zum Beispiel: postkoloniale Ausbeutung durch marodierendes, westliches Kapital im Globalen Süden, Wirtschaftssanktionen gegen arme Länder, Kriegstreiberei und Aufrüstung, ungerechte Freihandelsabkommen, imperialistische politische Einmischung und NATO-„Operationen“ in aller Welt, inklusive ihres Vormarsches in Europa.
Aber das Interesse des Westens, diese echten „Pullfaktoren“ für Migration einzudämmen, ist gering. Der westliche Kapitalblock verfolgt mithilfe der Politik eben seine Interessen. Die kümmern sich nicht um das verursachte Elend in der lohnabhängigen Bevölkerung. Ist der Profit nur hoch genug, geht das Kapital über Leichen. Dieses Problem aber will die Politik nicht lösen.
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Susan Bonath wurde am 10.3.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.
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