Bei Alfred Kubin findet sich das Unheimliche in jeder Faser – Serie: „Edvard Much und das Unheimliche“ im Leopold Museum in Wien (Teil 4/4)

Alfred Kubin, Die Stunde der Geburt, um 1901/02, Tusche, Feder laviert und Spritztechnik auf Katasterpapier, 25 x 30,6 cm, Leopold Museum, Wien

Mit dem Zyklus von Francisco Goya „Los Caprichos“ um 1799 zeigt das Oberösterreichische Landesmuseum seine Schätze in Wien – wieso gerade dieses Museum? Ganz einfach. Mit dem Nachlaß von Alfred Kubin erbte das Museum auch seine Goyas – und auch wenn uns diese Darstellungen, die direkt aus den Kriegsauseinandersetzungen Frankreichs gegen Spanien resultieren, jedesmal fesseln in graphischen Kraft und ihrem Erfindungsreichtum, in ihrer gehaltlichen Erbarmungslosigkeit, aber auch ihrer Absurdität, wollen wir sie als bekannt voraussetzen und wandern weiter zu Johann Heinrich Füsslis „Der Alp verläßt das Lager von zwei schlafenden Frauen“ von 1810, das als Realität darstellt, was in den Träumen voll von Wünschen und Ängsten passiert. Mit dem „Opfer von Gustav Moreau dagegen, haben wir wieder eine symbolische Ebene erreicht. Theatralisch und einschüchternd. Honoré Daumier dagegen hält für uns immer einen Scherz bereit, auch wenn er nur im Titel steckt. „Pferdefleisch ist gesund und bekömmlich“ von 1856 bringt auch die zum Lachen, die Vegetarier sind, denn hier flüchtet kein Alp, sondern hier läßt sich gerade ein wieherndes Pferd mit seinen Hufen auf der Brust des im Bett liegenden Mannes nieder. Na, denn gut Nacht.

Längst ist wieder Kubin an der Reihe, der taucht hier überall auf, wogegen wir nichts haben, denn bei ihm ist das Reale so unheimlich wie das Symbolische, wie das Nächtliche, das Anthropomorphe , das Zwielicht, die Geister, die Hexen, das Okkulte und die tote Stadt und auf einmal denken wir, daß sich alle Unterthemen der Ausstellung in seinen Tuschzeichnungen wiederfanden lassen. Bei ’Tote Stadt` ist die Assoziation zu Egon Schiele verständlich, erst recht, wenn man sich im Leopold Museum befindet, und hier hängt das Bild auch, aber auch der unheimlich Selbstseher II, der auch Tod und Mann heißt und von 1911 stammt.

Recht viele uns unbekannte Künstler sind mit einzelnen Werken ebenfalls vertreten, die interessant sind, aber nicht aufgeführt werden können. Odilon Redon hatten wir auch noch nicht erwähnt, vor allem aber wollen wir hinweisen auf Max Klinger, der ein viel bedeutenderer Künstler ist, als man seinerzeit in der Strenge der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wahrnahm. Hier sind seine Zyklen ausgestellt, die Besessenheit, die der „Handschuh“ vermittelt, aber auch „Liebe“, was man viel seltener sieht. Heute, wo wir seine unterschwelligen und auch deutlichen Absichten in den Darstellungen goutieren, fragen wir uns, was wir eigentlich in den Jugendzeiten so glaubwürdig daran fanden, daß er als kitschig und symbolisch überladen uns angedient wurde. Heute finden wir den Schwung seiner Menschen in ihren Bewegungen genauso wie in ihrem Verharren beeindruckend und seine Bilderfindungen sind entweder eigenständig oder er hat William Blake verinnerlicht, denn seine Figurenkonstellationen haben immer wieder etwas von ihm. Das muß keine Übernahme sein, das kann auch die Wiederkehr des Unheimlichen in der Kunst sein.

Und dann doch wieder Alfred Kubin, mit dem wir das Unheimliche anfingen, durchschritten und enden. Ihn übrigens können Sie derzeit in schönen Ausgaben selber erwerben, was wir aufführen wollen, vom Abdruck im Katalog ganz abgesehen.

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Ausstellung: bis 18. Januar 2010

Katalog: Edvard Much und das Unheimliche, Christian Brandstätter Verlag 2009

Alfred Kubin Ausgaben

A.K. Die andere Seite: ein phantastischer Roman, Bibliothek Suhrkamp 2009

Das ist die neueste Ausgabe, es gibt in verschiedenen Verlagen ebenfalls Ausgaben von Rowohlt bis Fischer

Alfred Kubin, hrsg. von Annegret Hoberg, Prestel Verlag 2008

Du Engel Du Teufel. Emmy Haesele und Alfred Kubin – eine Liebesgeschichte von Brita Steinwendtner, Haymon Verlag 2009

Das lithographische Werk von Alfred Kubin, hrsg. von Annegret Hoberg, Hirmer Verlag 1999

Alfred Kubin und die Jahreszeiten, hrsg. von Hannes Obermüller, Bibliothek der Provinz 2008

„Außerhalb des Tages und des Schwindels“: Briefwechsel 1928-1952 von Hermann Hesse, Alfred Kubin und Volker Michels, Suhrkamp Verlag 2008

Internet: www.leopoldmuseum.org

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005

Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.

Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007

Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007

Marco Polo, Wien 2006

Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tip: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien, wobei Wien Mitte auch Zentrum der Viennale, des Filmfestes ist, das ab dem 22.oktober die Stadt zur Leinwand macht. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit sehr freundlicher Unterstützung von Air Berlin und den Hilton Hotels Wien.

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