Begegnungen der leisen Art – Indian Summer in Québec

Stille Herbsttage in der ostkanadischen Provinz Québec

Mit seinen warmen, sonnigen Tagen und klaren, kühlen Nächten ist der Altweibersommer eine ideale Reisezeit in der französischsprachigen Provinz am St. Lorenz-Strom. Gegen Ende September zeigen sich meist die roten und gelben Spitzen auf den Blättern der Ahornbäume. Setzen im Oktober die ersten Nachtfröste ein, verwandeln sich die reich bewaldeten Hügelzüge im Osten Kanadas über Nacht in Märchenlandschaften. Auf dem Dach des Blockhauses liegen rote Blätter verstreut, die während der vergangenen Nacht von den Zweigen fielen. Aus dem Schornstein steigt Rauch auf. „Komm rein und trinkt einen Kaffee mit uns“, meint der Patron, eine kräftige Mannsperson, wie ein Voyageurs aus vergangener Zeit. Er ist hier Hausherr auf der Farm, die sich neben der Verköstigung von Gästen mit kulinarischen Spezialitäten der Provinz auf die Herstellung von Ahornsirup spezialisiert hat. „Diesen Herbst haben sich viele Gäste angemeldet“, erzählt er uns mit Genugtuung und schenkt dabei aus einer nostalgischen Blechkanne Kaffee in unsere großen Henkeltassen. „Industriezucker findet ihr bei mir nicht,“ meint er verächtlich. „Hier versüßt uns die Natur das Leben.“ Ein Schuss Ahornsirup erhöht die Qualität des etwas dünnen kanadischen Kaffees enorm. „Nachher findet ihr mich in der Backstube, heute ist Backtag“. Nur ein paar Schritte durch das raschelnde Herbstlaub, vorbei an einzelnen Blockhäuschen und wir stehen schon vor dem Backhaus. Pierre holt gerade einige frische Brotlaibe aus dem heißen Ofen. Noch müssen wir uns etwas gedulden, auch wenn es wunderbar nach frischen Backwaren duftet. Sobald sie abgekühlt sind, werden wir mit etwas Maple-Butter eine Kostprobe nehmen. So nennt man den zu einer Creme weiter eingedickten Sirup. Da sollte man lieber keinen Blick auf die Kalorientabelle werfen.

Den Strom entlang – von Montréal nach Québec City

Zügig fließt der Verkehrsstrom auf der Hauptstraße nach Montréal. Mehr See als Fluss schimmert der breite Arm des St.-Lorenz-Stroms, die sehr belebte Verkehrs- und Lebensader der Provinz. Viele Besucher aus Europa oder aus den USA tummeln sich in den teilweise engen Gassen der fast dreieinhalb Millionen Einwohner zählenden Stadt. Ob exclusive Boutiquen oder weitläufige Einkaufszentren, die Metropole am großen Strom bietet alle erdenklichen Kontraste. Hier beginnen die meisten Rundreisen durch Québec, hier schlagen große Frachtschiffe ihre Ladung um, am Stadtrand gibt es sogar zwei internationale Flughäfen. Doch in der dritten Jahreszeit wird der Lebensrhythmus etwas langsamer und beschaulicher. Wir schätzen die herbstliche Stille und Farbenpracht jetzt mehr als die brodelnden Eindrücke einer Großstadt und steuern unseren Mietwagen nach Nordosten in Richtung Québec City. Langgezogene Inseln liegen mitten im Bett des breiten Stromes. Bunte Laubwaldgruppen und Felder wechseln sich ab, dazwischen leuchtet immer wieder das rot gestrichene Blechdach eines der meist sehr gut instand gehaltenen, alten Holzhäuser.

In Trois – Rivières verlassen wir das breite Flusstal und biegen nach Norden ab. Entlang des Rivière Saint-Maurice windet sich die Straße ins Hinterland der Laurentian Mountains. Unser Ziel ist der Nationalpark: La Mauricie, mit seinen endlos scheinenden Wäldern und unzähligen Seen. Herbstlich frisch ist es an diesem Morgen trotz des strahlenden Sonnenscheins, als wir das Kanu zum Wasser tragen. Noch ein letzter Blick auf unsere Ausstattung. Hoffentlich haben wir nichts vergessen. Vor allem das Fehlen von Streichhölzern und einer Axt könnten fatal sein. Nach einem kräftigen Schubs schwimmt das Gefährt frei. Vorsichtig tauchen wir die Paddel ein, um die morgendliche Ruhe nicht zu stören. Den Windschatten des Ufers ausnützend setzen wir unsere Fahrt fort. Aus dem farbigen Laub, das über das Wasser ragt, tropft der Tau. Die Frühnebel haben sich noch nicht verzogen. Rings um uns nur Stille. Bis der klagenden Laut der „Loon“, des kanadischen Eistauchers, die Beschaulichkeit unterbricht. Ende September ist man allein mit der Natur. Nur hin und wieder trifft man ein paar Gleichgesinnte. „Bonjour, comment allez- vous?” Schon entspinnt sich ein Gespräch, Erfahrungen werden ausgetauscht, dann zieht jeder wieder seines Weges.

An einer Straßenecke stehen Passanten und lauschen. Querflötentöne erklingen, zunächst bekannte Melodien von J. S. Bach, schließlich einige der hier beliebten Volkslieder. Joie de vivre wohin man sich wendet, dies alles zwischen historischen Gebäuden. Und über allem thront das Schloßhotel Le Château Frontenac. Gleich beim ersten Hinsehen überrascht Québec City seine Besucher: Stadttore und Kopfsteinpflaster, winkelige Gassen und uralte Mauern, über die feuriges Herbstlaub rankt . Die Hauptstadt der größten Provinz Kanadas ist die älteste des ganzen Landes und stolz darauf. Man würde diese Altstadt so gar nicht in der Neuen Welt vermuten, eher in Heidelberg oder Rothenburg. Denn was da so trutzig über dem St. Lorenz-Strom aufragt, eine mächtige Zitadelle etwa oder grünspanige Giebeldächer, entspricht überhaupt nicht den üblichen, hochmodernen Glas-und-Stahl-Skylines nordamerikanischer Metropolen. Québec City präsentiert sich europäisch und mittelalterlich – und partout französisch. Viele Geschäfte laden ein zum Kauf von Souvenirs. Unentschlossen hält eine Dame aus Europa die nach traditionellem Muster der Hudson`s Bay Company bedruckte Wolldecke ans Licht. „Welch ausgewogene Farben,“ meint sie zu ihrem Reisebegleiter auf deutsch. Kurz darauf ist das gute Stück erworben und verpackt. Weiter geht der Einkaufsbummel durch die romantischen Gassen, bis der Hunger sich einstellt. Die Restaurants der Stadt servieren Crêpes, wie sie in Frankreich nicht besser sein könnten, kanadischen Lachs und deftige Québecer Spezialitäten.

Kultur an wilden Küsten

Von Québec City führt die Route 132 rechtsseitig des St. Lorenzstroms durch malerische kleine Städtchen ostwärts zur Gaspésie. Es geht nur langsam weiter, weil all die Geschäfte mit den geschmiedeten Kerzenständern, den Lampen aus bunten Muschelschalen und den handgestrickten Pullovern natürlich einen Besuch wert sind. Der Höhepunkt dieser Rundreise liegt noch etwas weiter südlich: Bei Percé, einem hübschen kleinen Künstler- und Fischerort, steht der Rocher Percé in der tosenden Brandung, ein spektakulärer, fast 90 Meter hoher, roter Felsen, in den das Meer im Laufe der Zeitalter eine Öffnung genagt hat. Einige Kilometer vor der Küste liegt die Ile Bonaventure, ein Vogelschutzgebiet mit großen Kolonien von Papageientauchern und Tölpeln.

Am Hafen tummeln sich Neugierige. „Hummer, frischer Hummer“, tönt es von der Kaimauer in Gaspé. Stück um Stück holen Fischer die Krustentiere mit sicherem Griff aus einer Holzkiste, schieben ihnen das Gummiband über die beiden Zangen und legen sie zwischen nassen Tang in einen großen Bottich. Hummerfang, ein altes Gewerbe an der kanadischen Atlantikküste. Fein säuberlich aufgereiht stehen die Fallen im Hafen, ein Blickfang für den Fotografen. Auch lukullisch dreht sich alles um dieses Tier: „Lobster – all you can eat“. Dabei landet die Delikatesse in Salaten, Pasteten, Kasserolen oder in einem Sandwich. Guten Appetit kann man da nur wünschen.

Die Aussicht ist atemberaubend. Am Fuße des Leuchtturmes, oben auf den Klippen des Nationalparks Forillon, überblickt man die Nordküste der Gaspésie, die wild und zerklüftet ist. Hoch über der Brandung windet sich die Straße durch den wohl landschaftlich dramatischsten Teil dieser Halbinsel. Die dem Meer abgewandte Seite schwelgt in herbstlichem Rot und Gelb des Indian Summers. Wir sind am Wendepunkt unsere Rundreise angelangt. Doch die leuchtenden Farben der Ahornbäume werden uns bis zurück nach Montréal begleiten.

Aktuelle Meldungen aus der ostkanadischen Provinz Québec:

Mit einem neuen Rundflug von Montréal Airtour lässt sich die Metropole am Sankt-Lorenz-Strom in nur 30 Minuten aus der Luft entdecken. Das Wasserflugzeug bringt bis zu sechs Passagiere vom Alten Hafen zu den Attraktionen der Stadt wie das Olympische Stadion, den Mont Royal Park oder die íŽle Sainte-Hélène. Nach Absprache fliegt Montréal Airtour auch in benachbarte Regionen wie Mauricie mit den prächtigen Ahornwäldern oder die Laurentides mit ihren mächtigen Gebirgszügen. Mehr Informationen zu den Rundflügen auf: www.hydravionairtour.com

Kissen im Biber-Design, geflochtene Körbe und Sitze aus gegerbtem Leder verleihen dem neu eröffneten "Hôtel-Musée Premières Nations" in Wendake nur unweit von Québec City eine ganz besondere Note. Das Vier-Sterne-Haus liegt idyllisch am Akiahwenrahk Fluss und verfügt über 55 Gästezimmer, einen paradiesisch gestalteten Garten und ein Museum, das der Huron-Wendat Kultur gewidmet ist. Im Gourmet-Restaurant werden kulinarische Spezialitäten aus der traditionellen Küche der Québec First Nations angeboten. Mehr: www.hotelpremieresnations.ca

Viel Stoff für Seemannsabenteuer und Piratengeschichten bietet ein Besuch der rund 20 historischen Leuchttürme Québecs auf der "Leuchtturmroute" (Route des phares) in der Gaspésie. Am Sankt-Lorenz gelegen bieten sie eine einmalige Sicht auf Wale und Seevögel. Der erste Leuchtturm Québecs, "Les maisons du phare de l’íŽle Verte" in Bas-Saint-Laurent, feiert in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag. Er verfügt über acht Zimmer für Gäste, die eine besonders ungewöhnliche Unterkunft suchen. Ausführliche Informationen auf: www.quebecmaritime.ca/phareileverte

Schnell und unkomplizierter denn je lässt sich die Metropole Montréal mit dem Fahrrad erkunden: Im Zentrum der Stadt wurden 300 neue öffentliche BIXI Fahrradstationen errichtet, mit denen es auf insgesamt 3.000 Drahteseln spontan auf Entdeckungstour geht. Die ersten 30 Minuten sind dabei kostenfrei. Mit über 300 Kilometern Länge besitzt Montréal eines der größten Radwegenetze in Nordamerika. Vor allem entlang des Sankt-Lorenz-Stroms gibt es wunderbare Radstrecken für sportliche Städtetouristen. Näheres über BIXI auf: www.montreal.about.com

Neue Internetseiten:

Nicht nur für Schiffsliebhaber: Interessante Einblicke in die Hafenstadt Québec City: www.portquebec.com

100 Jahre alt wird der Pointe-au-Père Leuchtturm, "Historic Site of Canada": www.quebecmaritime.ca/empress

Neuer 2,5 Kilometer langer Wanderweg am Sankt-Lorenz-Strom in der Hauptstadt: www.promenade2008.qc.ca

Ein unvergessliches Kreuzfahrt-Erlebnis von Montréal zur Gaspésie-Küste: www.ctma.ca

Kommende, aktuelle Termine:

 04.09-06.09.09: Viel Farbenpracht und gute Laune beim "Gay Pride Festival" in Québec City, www.glbtquebec.org

 11. 09. – 20. 09. 09: Die hohe Kunst des Rodeo-Reitens beim "Saint-Tite Western Festival", www.festivalwestern.com

Bis 17. 09.: Geführte "Speed Walking Touren" durch das morgendliche Montréal, www.guidatour.qc.ca

Bis 04. 10. 09: Faszinierende Gartenkunst von Experten aus aller Welt in Grand-Métis, www.jardinsdemetis.com

07. – 18. 10. 09: Kinotrends und -highlights beim Festival Nouveau Cinema in Montréal, www.nouveaucinema.ca

09. – 18. 10. 09: Fröhliches Geschnatter der Schneegänse beim "Festival de l’Oie Blanche, www.festivaldeloie.qc.ca

Informationen zur Reiseplanung

Anreise: Die Deutsche Lufthansa fliegt im Gemeinschaftsdienst mit der Air Canada täglich ab Frankfurt nonstop nach Montréal. Innerdeutsche Zubringerflüge nach und von Frankfurt sind bei Verfügbarkeit ohne Aufpreis inbegriffen.

Klima/Reisezeit: Die leuchtenden Farben des Indian Summer sind von Mitte September bis etwa Mitte Oktober anzutreffen. Die Tage sind noch angenehm warm, während es abends bereits herbstlich kühl sein kann.

Programme: Dertour hat z. B. verschiedene Reisen nach Ostkanada zur Auswahl, Auskünfte unter www.dertour.de bzw. per Tel.: 01805 – 33 76 66.

Literatur: „Die schönsten Reiseziele USA/Kanada“ Kunth Verlag, ISBN: 978-3-89944-142-0, Seiten:320, Format: 23,4 x 29,7, gebunden, mit Schutzumschlag Preis: EUR 29,90; www.kunth-verlag.de

Auskünfte: Internet: www.bonjourquebec.com/de

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