Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Noch interessanter als zu normalen Zeiten erweist sich ein Blick hinter die Kulissen in Zeiten der Krise.
Die Schalterhallen und Abflugtafeln des Frankfurter Flughafens (Fraport) haben bis zum Beginn des Jahres 2020 zweifellos lebhaftere Zeiten erlebt. Bis ein unsichtbarer Gegner das Heft des Handelns an sich riss und innerhalb weniger Monate sämtliche Flugpläne durcheinanderwirbelte. Und damit natürlich auch die eng miteinander vernetzten Arbeitsabläufe im größten und personalintensivsten Unternehmen Deutschlands.
Für das Drehkreuz des deutschen Luftverkehrs erwiesen sich die damit verbundenen Folgeentwicklungen natürlich als äußerst fatal. Hatte man hier doch bereits davon geträumt, sich in naher Zukunft von der Nummer vier des europäischen Luftverkehrs in die Führungsposition hinauf zu katapultieren. Droht dem Flughafen nun gar ein empfindlicher Dämpfer im internationalen Wettbewerb?
Bessere Zeiten
Schnell holt die Realität den Besucher ein auf seinem Weg durch den sonst so lebhaften Terminal: vorbei an geschlossenen Restaurants, Andenkenläden und Wechselstuben. Erinnerungen an bessere Zeiten machen den verstörenden Charakter dieser Wahrnehmungen komplett. Umso größer wird die Neugier auf das Erscheinungsbild des Flugfeldes, wo bereits ein Bus für eine ausführliche Erkundungsfahrt über das gesamte Gelände bereitsteht.
Schnell ändert sich der bisher gewonnene Gesamteindruck. Denn entgegen der ursprünglichen Erwartung ist hier ein geschäftiges Treiben zu beobachten, das mit etwas Fantasie an alte Zeiten erinnert. Ob diese wohl jemals wiederkommen? Oder aber in absehbarer Zeit den Erfordernissen des Klimaschutzes zum Opfer fallen – ein sicherlich längst bekanntes Problem, das uns aber erst jetzt mit voller Wucht auf kaltem Fuß erwischt hat.
Grenzenlose Freiheit?
Immerhin machen gleich zu Beginn die bunten Embleme der geparkten Passagiermaschinen wieder Lust auf die weite Welt mit all ihren touristischen Attraktionen. So der südkoreanische Jumbo-Jet, der augenblicklich die Gedanken nach Fernost umleitet. Den fernen Traumzielen stehen jedoch gegenwärtig die Reisewarnungen in zahlreiche Länder entgegen, mit deren Hilfe die weitere Ausbreitung der Corona-Pandemie eingedämmt werden soll.
In diesem Augenblick bleibt jedoch nur wenig Zeit für tiefschürfende Betrachtungen, die plötzlich von ohrenbetäubendem Dröhnen in ihre Schranken verwiesen werden. Der Ursprung dieser überraschenden Geräuschkulisse ist schnell auszumachen. Es handelt sich um eine mächtige Boeing 777, die legendäre „Triple Seven“ aus der Luftflotte der Emirates, die ihre Triebwerke zum Start hochfährt. Schon nimmt sie dröhnend Anlauf, um sich nur wenige Sekunden später mit heulenden Triebwerken behäbig und zugleich elegant in die von weißen Quellwolken gepolsterten Lüfte zu erheben. Für viele Passagiere sicherlich wie eh und je der Aufbruch zu einer „grenzenlosen Freiheit“.
Dominierende Cargoflotte
Und doch, so ist wenig später von Fraport-Spezialist Berne zu erfahren, ist es nicht der Passagiertransport, der den Hauptteil des Luftverkehrs ausmacht. Den Schwerpunkt bildet vielmehr der Frachtverkehr, der kaum wegzudenken ist für alle Wirtschaftsgüter vom Ersatzteil bis zum Medikament, die schnell an ihre Ziele gelangen müssen. Für Deutschland als Exportland, soviel ist sicher, fällt ihm damit eine nicht zu unterschätzende systemrelevante Bedeutung zu.
Und in der Tat: Die Cargo-Flotte ist immens. Sie besteht vor allem aus einstigen Passagiermaschinen, die nach entsprechendem Umbau in dieser neuen Funktion oftmals noch viele Jahre lang ihren Dienst versehen. So wie der strahlend Boeing-Jumbo 747-200, der seine Aufgabe unter mehreren Besitzern bereits seit Anfang der achtziger Jahre tadelloserfüllt. Gerne würde man noch länger dabei zuschauen, wie die Container im Bauch der Maschinen verschwinden. Bis hin zu den schweren Ballast-Containern, die der Stabilisierung während des Fluges dienen.
Baukräne als Hoffnungsträger
Das größte Erstaunen jedoch erweckt die Großbaustelle am Rande des Flughafens. Fünfzig Baukräne sind hier über das Baugelände verteilt und ragen als Hoffnungsträger nach oben in den blauen Himmel. In einer Krisenzeit wie dieser ergeben sich dazu natürlich kritische Fragen. Wird hier nicht zu forsch vorgegangen, und vor allem: Wird hier nicht am zu erwartenden Bedarf vorbei gebaut?
In der Fraport-Verwaltung ist man offensichtlich anderer Meinung. Hier hält man fest an den einstigen ehrgeizigen Plänen und hofft auf ein Ende der Corona-Pandemie schon in absehbarer Zeit. Als Hauptargument für den Weiterbau gilt allerdings die Tatsache, dass bei einem Abbruch der bisherigen Bautätigkeiten ein Verlustanteil von mehr als der Hälfe der Gesamtkosten anfiele. Warum also zögern?
Zeppelin und Hungerkralle
Die Abstecher zu den versteckten Attraktionen des Flughafengeländes nähern sich langsam ihrem Ende. Da sei noch ein Rückblick zu den Ursprüngen erlaubt. In jene Zeit, als in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts noch nicht die Flugzeuge im Mittelpunkt des Flugverkehrs standen. Vielmehr waren es die Zeppeline, denen man bis zur Hindenburg-Katastrophe in Lakehurst die strahlendere Zukunftsperspektive einräumte.
Und nicht zu vergessen die dreigezackte „Hungerkralle“. Als Luftbrückendenkmal symbolisier sie mit ihren Zacken die drei Flugkorridore in Richtung Berlin-Tempelhof. Mit deren Hilfe gelang es in der Nachkriegszeit, die von Stalin verfügte Blockade Berlins zu überwinden. Sowohl für Berlin-Tempelhof als auch für Frankfurt Rhein-Main eine erfolgreiche Geschichte zum Vorzeigen. Wie es wohl nach der Corona-Krise am Fraport weitergehen wird?
Anmerkung:
Die Recherche wurde unterstützt von Fra-Tours.