Doch kurz 12 Uhr kreuzte Renndirektor Franz Berger (Österreich) die Arme – Finito, Ende, Schluss!!!
Der verrückte Winter hatte alles vermasselt. Eine dichte Nebelsuppe – Antholz als Oberhof-Version in der Höhe, meinte ein Journalistenkollege ironisch.
Wo hier in rund 1600 m Höhe zu dieser Jahreszeit Temperaturen um Minus 10 oder 15 Grad üblich sind, war bei vier Grad Plus die Feuchtigkeit statt als Schnee nun als Nebelsuppe ins Biathlon-Gelände gezogen. Entweder aus dem Tal von unten oder über die die Berge zwischen 2500 m und 3000 m.
Beim Stehendschießen der zweiten Läuferinnen – erste für das deutsche Aufgebot war Franziska Hildebrand – kamen Russland, Frankreich und Deutschland gemeinsam in die Arena. Andrea Henkel als Beteiligte über die Situation: "Es war praktisch von den Scheiben in 50 m Entfernung kaum etwas zu erkennen. Und durch die Zieloptik des Gewehrs noch weniger als wenig. Als alle zögerten, rief ein Betreuer: Drück doch einfach mal ab. Ich habe dann einmal irgendwohin in Richtung der Scheiben geschossen. Dann aber war Schluss."
Die restlichen Teilnehmerinnen – inzwischen waren noch andere eingetroffen – weigerten sich wegen fehlender Sicht, abzudrücken. Das Rennbüro unter Leitung des Österreichers folgte den Aktiven und erklärte den Abbruch des Wettkampfs…
Henkel, 36, mehrfache Weltmeisterin und zweimalige Olympiasiegerin und seit Junioren-Weltmeisterschaften 1995 bei unzähligen Wettkämpfen am Start, erklärte: "An einen Abbruch dieser Art mit der Staffel kann ich mich nicht erinnern. Im Einzelrennen war ja im Dezember in Östersund wegen Sturm, Regen und schlechter Sicht ein Rennen nicht beendet worden. Auch bei einem Massenstart in Oslo war das mal der Fall. Allerdings erinnere ich mich, dass die Männer-Staffel mal in Oslo bei ähnlichen Bedingungen abgebrochen wurde. Ansonsten – im Biathlon muss man damit leben, wir sind halt eine Outdor-Sportart."
Zunächst war verkündet worden, dass bei rascher Änderung der Schlechtwetterlage ein Neustart zu späterer Zeit möglich wäre. Da aber schon 14.15 Uhr die Männerstaffel auf dem Programm stand und eine Blitzänderung nicht eintrat, gab es keine Wiederholung.
Nach einem Sieg und zwei zweiten Rängen ist das deutsche Quartett damit vorzeitig Erster in der Saisonwertung der Staffeln. In Antholz sollten noch Evi Sachenbacher-Stehle und Laura Dahlmeier am Schluss die deutschen Farben vertreten.
Gegen 14 setzte schlug der Nebel in dichten Schneefall mit dicken, nassen Flocken um. Das bedeutete, dass Männer-Start über 4 x 7,5 km erst mal um eine halbe Stunde auf 14.45 Uhr verschoben wurde.
Glücklicherweise – aus Sicht der Veranstalter, der knapp 18 000 Zuschauer, des Weltverbandes IBU (kassiert vom u.a. Fernsehen) und der Millionen-Fans im deutschsprachigen Raum, Skandinavien und im weiten Russland – wurden die 24 Quartetts dann doch auf die Reise geschickt.
Da führte bis zum Stehendanschlag der dritten Läufer völlig unerwartet ein norwegisches B-Team ohne einen einzigen Olympiastarter. Doch Debütant Martin Eng reichten fünf Patronen und drei Nachlader nicht, um die fünf Scheiben nach unten klappen zu lassen. Die Quittung: zwei Strafrunden.
Der Dreikampf der Schlussläufer Simon Schempp (Deutschland), Carl Johann Bergmann (Schweden) und Martin Fourcade (Frankreich) wurde zu einem Duell, weil der Einzel-Doppelsieger von Antholz, Schempp, im Liegend-Anschlag zwei Nachlader benötigte. Fourcade, aktueller Gesamt-Weltcup-Primus, und der routinierte Schwede Bergmann konnten so mit einem Vorteil von 30 Sekunden auf die vorletzte Schleife gehen.
Beim Stehendschießen agierte Fourcade schnell und präzise und verließ mit drei Sekunden vor dem gleichfalls fehlerfreien Bergmann das Stadion. Schempp – zuvor Erik Lesser, Andreas Birnbacher/ 1 Strafrunde) und Arnd Peiffer – tat es ihnen gleich. Doch bei einem Rückstand von einer halben Minute war klar, dass sich im Ziel an der Rangfolge nichts mehr ändern würde.
Wie ihre Kolleginnen bestätigten die deutschen Männer aber ihre kollektive Stärke durch Rang eins der Saisonrechnung vor den punktgleichen Schweden.
Der Antholzer Kampf mit Wetterwirren ist kein Einzelfall. Allein am Sonntag wurden in Cortina d’Ampezzo das Alpinrennen der Frauen abgesetzt. Bei den Skispringern in Polen wurden Probe-Durchgänge gestrichen. Das berühmte Lauberhorn-Abfahrtsrennen war der äußeren Umstände wegen verkürzt worden und, und, und. Der viel zitierte und von manchen bestrittene Klimawandel beeinflusst das Wintersport-Entertainment offenbar immer stärker.