Am 15. Januar 1754 wurde Annenwalde gegründet. Geburtshelfer war der mecklenburgische Amtsrat und Glasmacher Johann Friedrich Zimmermann aus Wrechen bei Feldberg, der eine „Porcellaine-Fabrique“ nebst grüner Glashütte in unberührter Natur anzulegen wünschte. Huldvoll genehmigte Friedrich der Große (König von 1740-1786) mit Schreiben vom 14. Juli 1753 diesen untertänigsten Wunsch. Nicht ohne anzumahnen, zwanzig ausländische Familien (gemeint waren Sachsen, Mecklenburger oder Franken) anzusiedeln und nach einer großzügig bemessenen Anzahl von Freijahren einen jährlichen Grundzins von 307 Talern an ihn, den König, zu entrichten. „Und wie nun dieses angelegte Dorf fertig war“, so lesen wir im Kirchenbuch, „bekam es zu Ehren seiner Miterbauerin, der Frau Amtsrätin Anna Margaretha Zimmermann, geborene Erbachin, und weil es im Walde angelegt war, den Namen Annenwalde.“ Das war vor 253 Jahren.
Heute lebt sich gut in „Anna im Walde“. In der Stille und Beschaulichkeit des Dörfleins liegt ein besonderer Reiz. Er wird umso größer, je mehr man die Tatsache genießt, dass trotz aller Idylle ein reges Dorfleben herrscht. „Schlafmützigkeit hat in Annenwalde keinen Platz“, sagt Werner Kothe, Glaskünstler und Bildhauer, „hier ist immer etwas los.“ Voller Wohlgefallen ruht sein Blick auf dem Reisebus, dem gerade eine größere Anzahl Menschen entsteigt. Neugierig gehen sie mit ihren Augen spazieren. Taxieren die einzige Schinkelkirche in der Uckermark, die mächtigen, jahrhundertealten Linden, das Trabergestüt, das Gutshaus, die Ruine der Schnapsbrennerei. Dann erst setzen sich ihre Beine in Bewegung. Die Glashütte Annenwalde, das Reich von Werner Kothe, wartet.
Annenwalde war Jahrhunderte lang ein reines Glasmacherdorf. 1865 dann, als sich die zerbrechliche Kunst nicht mehr rentierte, wurde die Hütte stillgelegt. Die Zeit der Schiffer begann. Um 1900 zählte man 11 Schiffseigner und mindestens doppelt soviel Bootsleute, die ihr täglich Brot damit verdienten, Holz und Ziegel auf der Havel nach Berlin zu schippern. Der letzte Flusskapitän gab erst 1955, mit 84 Jahren, seinen Beruf auf. Während mit ihm die Schifferei von Annenwalde endgültig unterging, begann die Tradition der Glasmacher wieder zu leben. Seit dem 20. Dezember 2000, nach genau 111 Jahren Pause, gibt es wieder eine Glashütte in Annenwalde. Täglich (außer Montag) kommen zahlreiche Besucher in die Hütte, um in Schauvorführungen alles zu erfahren, was sie schon immer über die Herstellung von Glas wissen wollten. Und nur nicht zu fragen wagten. Daneben ist die Hütte so etwas wie die Kommunikationszentrale des Dorfes. Hier trifft man sich zu wechselnden Ausstellungen, hier laufen die Nachrichten zusammen, hier kann man einen Kaffee trinken, sich Geschichten über das Glas anhören und gläserne Kunst kaufen!
Die wahren Helden von Annenwalde aber sind braun und gedrungen, sie können über einen Meter lang werden, es auf ca. 30 kg Gewicht bringen und sich trotzdem tagsüber so gut wie unsichtbar machen. Mit ihren nächtlichen Heldentaten müssen alle Dorfbewohner leben: mit präzise gefällten Bäumen, gestauten Bachläufen, abgenagter Baumrinde, überflutete See-Ufer. Die Rede ist von Castor fiber albicus, dem Elbebiber! In Annenwalde fühlen sich diese tierischen Landschaftsarchitekten seit 2000 ausgesprochen wohl. „Zwei Biberfamilien haben mit einem riesigen Knüppeldamm dafür gesorgt, dass der Haussee des Dorfes, der Densowsee, um fast einen Meter gestiegen ist“, sagt Helmut Stützer, der Mann, der regelmäßig Touristen durch das Reich der Biber führt (Tel.: 0171/83 53 612). Und (fast) alles über sie weiß. Voller Verwunderung erlebten die Annenwalder, wie die Nager Wiesen unter Wasser setzten. Viele ufernahe Schwarzerlen starben ab. Ein bizarrer Totholz-Wald entstand und schuf neuen Lebensraum für Enten, Watvögel, Schwäne, Fischreiher, Frösche, Libellen. Es gleicht einem Wunder, dass der Biber, der um 1900 schon ausgerottet schien, sich wieder erholt hat. Heute leben mehr als 2000 Exemplare in Brandenburg. Und alle sind froh. Bis auf einige Bauern, deren Wiesen unter neu angestauten Teichen verschwunden sind. Aber so ist das nun mal, wenn man im Biberland siedelt.
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