In den vergangenen Monaten hatten Vertreter des US-Außenamtes und des Internationalen Strafgerichtshofs solche Informationen verbreitet. So warf die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice Ende April in einer Sitzung des Weltsicherheitsrates Gaddafi vor, dieser lasse zu diesem Zweck Viagra-Pillen an seine Soldaten verteilen. Mitte Mai teilte Luis Moreno Ocampo, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, mit, Gaddafi-Soldaten organisieren Gruppenvergewaltigungen in ihren Kasernen. In diesem Zusammenhang bezeichnete er Viagra als „Massenvergewaltigungswaffe“.
Der Focus (www.focus.de, 08.06.2011) zitiert den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag und teilt mit, daß ihm, Moreno-Ocampo, Informationen vorlägen, nach denen das Regime von Muammar al Gaddafi „Container von Mitteln wie Viagra einkaufte“, um seine Soldaten zur sexuellen Gewalt anzuheizen.
In weiteren deutschsprachigen Medien war zu lesen, daß "Gaddafi-Soldaten" wahllos Frauen vergewaltigen. "Vollgepumpt sind die Schergen mit Viagra, um noch brutaler gegen die Opfer vorgehen zu können", wußte der Express (26.04.2011). Noch heute lesen wir unter www.express.de: "Michael Mahrt von der Hilfsorganisation ‚Save the Children‘ bestätigte die Berichte jetzt gegenüber der britischen Zeitung ‚Guardian‘. Auch viele Kinder seien von den Gräueltaten betroffen. Das jüngste Opfer sexueller Gewalt sei ein Kind, gerade mal acht Jahre alt, erzählte der geschockte Helfer."
Wie AI-Mitarbeiterin Donatella Rovera, die sich in den zurückliegenden drei Monaten in verschiedenen Regionen Libyens mit dieser Frage befasst hatte, in einem Interview für „Correre della Sera“ mitteilte, seien keine (sic!) Beweise für diese Verbrechen ermittelt worden.
„Es ist zwar ein Fakt, dass die Kräfte von Oberst Gaddafi zahlreiche und grobe Gewaltakte begangen haben“, sagte sie. „Wir haben aber keine Beweise für die sexuelle Gewalt ermittelt, obgleich wir über längere Zeit danach suchten. Ich will nicht sagen, dass es diese nicht gegeben hat, unsere Ermittlungen gehen weiter. Vorerst haben wir aber nichts gefunden und kennen auch niemanden, der etwas in der Art gefunden hätte.“
"Zeugnise für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Gaddafi begangen hat, und auch Beweise für Gewalt, die die Aufständischen angewandt haben, haben wir genügend. Vergewaltigungen gehören aber nicht dazu“, betätigte Diana Eltahawy, eine weitere AI-Mitarbeiterin. „Wir haben Flüchtlingslager an der Grenze zu Tunesien besucht, in die viele Frauen, wie sie sagten, aus Angst vor Vergewaltigung geflüchtet waren. Auf unsere Fragen, ob sie vergewaltigt wurden bzw. Zeugen solcher Vergewaltigungen waren, antworteten sie „nein“. Entweder haben diese Menschen Angst, oder das wurde nicht massiv praktiziert.“
Ihre Kollegen sahen zwar ein Video, auf dem Vergewaltigungen fixiert wurden, fügte sie hinzu. Die Gewalttäter trugen auf diesem Video zwar Militäruniform, wo und wann diese Aufnahmen gemacht wurden, konnte aber nicht ermittelt werden.
Mit Material von dpa, „Correre della Sera, RIA Novosti