Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die beiden Schriftsteller Jan Böttcher und Frank Willmann haben knapp dreißig Kollegen und Kolleginnen gesucht, um mit ihnen ein Wagnis einzugehen. Sie hatten sich vorgenommen, die Welt des 1. FC Union Berlin zu umreißen. Dieses Berliner Fan-Vereins im Schatten der Hertha. Der so vieles anders macht im Bundesligageschäft. Dem neuerdings so viele Herzen in und um Berlin zufliegen. Noch spielt Union 2. Liga, klopft aber inzwischen mächtig an die Tür zur Bundesliga. Ihr Buch kam die Tage im traditionsreichen Aufbauverlag heraus und heißt „Alles auf Rot – Der 1. FC Union Berlin“.
Nun hat Union auch noch eine Stiftung gegründet, die sich um die Belange der kleinen Leute kümmert, für Menschen, die es schwer haben im Leben. Und vom Buch geht eine bestimmte Summe an diese Stiftung. Sponsor Layenberger bezahlt das. Wohl darum grüßt er leicht aufdringlich vom Cover. Diese entbehrliche Eitelkeit kann der Leser wegstecken, weil viele der Geschichten im Buch einfach großartig sind.
Zuletzt erschienen einige abgeschmackte Broschüren zu Union Berlin. Eine ging den Fans mit 111 Gründen (Union ganz doll zu lieben) bettelnd direkt an die Brieftasche, eine andere beschwor anbiedernd „die große Unionfamilie“ per Schleimspur. Das tun die Autoren des Buches nicht. Sie posieren nicht im Uniontrikot oder behaupten von sich, die größten Fans zu sein. Nein! Sie heben behutsam Steine hoch und schauen darunter. Sie beobachten genau, machen sich einen Reim, schreiben ihn auf. Sie nähern sich respektvoll dem Verein und seiner Geschichte, die in diesem speziellen Fall von Fans geschrieben ist. Das beginnt schon im Vorwort von Jan Böttcher, wo dieser behutsam von seinen ersten Begegnungen mit Union berichtet. Und setzt sich fort mit Annett Gröschner, die in einer brillanten Reportage die letzten Schlosser (die auch Unionfans sind) von Köpenick besucht.
Besonders gut gefielen mir daneben der erste, naiv/neugierige Blick auf Union von Bestsellerautor Benedict Wells, die albern/halbautistische Geschichte von Jochen Schmidt über Union im Wandel der Zeit. Dann das feine Portrait von Michael Wolf über den kauzigen Chronisten des Vereins, der Text von Florian Werner über die drei wichtigsten Unionlieder und als Sahnehäubchen: die berlinernde Story von Torsten Schulz über Jimmy, ein Unionidol, das vor wenigen Tagen gestorben ist. Im Buch auch zwei ausführliche Interviews, eins mit Präsident Zingler, eins mit Sponsor Layenberger, die sehr privat, ja fast abseits des Fußballhorizontes von sich erzählen, geführt von Norbert Kron und Frank Willmann. Viele Hochkaräter der deutschen Literatur versammeln sich im Buch, das sagt auch etwas über die Strahlkraft des zweitgrößten Berliner Vereins.
Illustriert ist das Buch mit leichtem Strich von Marcus Gruber, dem es gelingt einige Glanzlichter der Vereinsgeschichte charmant nachzuzeichnen.
Die Autorinnen und Autoren von „Alles auf Rot“ wollen erzählen, das schaffen sie vortrefflich. Der Berliner Verein wird seziert, auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, dass es eine Leselust ist. Ein Kleinod für Union – und Literaturfans. Ein ideales Weihnachtsgeschenk, das – ungelogen – mit einer sehr feinen Weihnachtsgeschichte von Michael Kröchert am Ende aufwartet.
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Jan Böttcher (Herausgeber), Frank Willmann (Herausgeber), Marcus Gruber (Illustrator), Alles auf Rot – Der 1. FC Union Berlin, 240 Seiten, Blumenbar (ein Imprint von Aufbau) Verlag, Berlin 2017, ISBN: 3-351-05046-7, Preis 18 EUR