Advents- und Weihnachtsstimmung auf hoher See

Container mit Brückenhaus. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wochenend´ und Sonnenschein an Bord des Containerfrachters LT CORTESIA im Golf von Aden. Auf dem D-Deck steigt eine Open-air-Grillparty mit Schwein am Spieß. Kühles Freibier mildert die Saunatemperaturen. Später folgen heiße Spiele: Malefiz am Horn von Afrika. Kapitän Jörg Laudahn entpuppt sich dabei im „Kampf“ mit dem Autor als raffinierter Barrikadenbauer. Piraterie zum Glück nur auf dem Brett.

Das Heiligabend-Grillschwein am Spieß. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Außentemperatur: brennend heiße 32 Grad. Voraus das „Tor zur Hölle“, auf Arabisch Bab-el-Mandeb. Schiffe werden davon wie magisch angezogen. Ansonsten wüstenhafte, braun verbrannte Leere an der schmalen Pforte zum Roten Meer zwischen Jemen und Dschibouti. Friedlich die paradiesischen, menschenleeren Strände in türkisfarbenen Buchten, doch vor der Festung recken verrostete russische T-34-Panzer ihre Rohre bedrohlich in den Himmel. Wir hingegen halten es völlig unmilitant mit der Bibel und dem Wort des Vormittags: „Uns dürstet“. Axel Bohlmann spendiert zum sonntäglichen Advents-Frühschoppen ein Fässchen Bier. Auch seine Beförderung zum Zweiten Ingenieur soll gefeiert werden. Abends sorgt der Kapitän für ein weiteres kulinarisches Highlight: japanisches Sashimi mit gefrostetem rohen Thunfisch, Lachs in zarten Scheibchen und Tintenfischhappen samt scharfen Zutaten. Das ist kreuzfahrtverdächtiger Genuss!

Kapitän und Smut mit Grillschwein. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Morgens um neun Uhr im Golf von Suez, zwischen den schroffen Bergen von Sinai und Ägypten: Sieben kurze und ein langer Ton schrecken die Crew auf. Jörg Laudahn verkündet Bombenalarm. Systematisch wird jeder Winkel des Giganten durchsucht. „Das wird bis zu drei Mal im Jahr nach einer Checkliste exerziert“, erklärt der Kapitän, „da entgeht uns nichts, auch nicht Drogen oder Stowaways, also Blinde Passagiere“. ISPS lässt wieder mal grüßen.

Suez-Kanal-Konvoi vor Port Said. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Schleichende Wüstenschiffe mit Einblicken

MS LT CORTESIA dampft in die Bucht von Suez im nautischen Slalom zwischen flammenspeienden Bohrinseln hindurch. Der kühle Wind heult in Sturmstärke. Die steilen Berge der Wüstenhalbinsel Sinai und Ägyptens demonstrieren ihre Düsenwirkung.

Denkmal Sechs-Tage-Krieg. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Am frühen Nachmittag rasselt der Anker auf Suez-Reede in den Grund. „Gut, dass wir so früh hier sind“, freut sich Kapitän Laudahn, „dann bekommen wir auch einen günstigen Platz im Konvoi“. Das bedeute wiederum Zeitgewinn, da das Schiff dann als eines der ersten den Kanal verlassen und schneller Fahrt aufnehmen kann.

Sechs Uhr, kurz vor Sonnenaufgang. Ungewohnt die nur 18 Grad „kühle“ Morgenluft. T-shirt und Bermudas verschwinden im Schrank.

Gute Laune im Suez-Kanal auf der LT CORTESIA-Brücke. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Schwerfällig formiert sich unser Northbound-Konvoi zu einer kilometerlangen Frachter-Schlange mit Kurs auf das 165 Kilometer entfernte Port Said. Ein unaufhörlich telefonierender Lotse nervt Jörg Laudahn, der jetzt zum Wüstenschiff-Kapitän geworden ist. „Dafür will er dann auch noch eine Stange Marlboro haben“, schüttelt er den Kopf. Seeleute benennen den Kanal daher gern nach der Zigarettenmarke.

Militärisches Sinai-Zeltlager. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Die Ufer sind gespickt mit militärischen Anlagen: Kasernen, Panzer, Kanonen, alle hundert Meter Wachtposten und Kontrollen auf den Straßen am Suez. Ein Bollwerk gegen den Terrorismus. Jeglicher Anschlag auf die Weltschifffahrt und damit einen der wichtigsten Devisenbringer Ägyptens hätte katastrophale Folgen.

Wachturm in der Sinai-Wüste bei Sonnenaufgang vor Heiligabend. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Es herrscht wieder Ruhe

Von hoher Brückenwarte bieten sich außerdem sichere Einblicke in den Alltag und die Natur des Landes: ob lautes, pulsierendes Stadtgewimmel oder mittelalterliche beschauliche Landwirtschaft, bittere Armut oder luxuriöser Lifestyle. Besonders am Großen Bittersee, wo Nobelvillen unter Palmen den Strand säumen. Ein paar hundert Meter davon entfernt ankert der Southbound-Konvoi, um uns durchzulassen. Andere Frachter haben in einer Kanalweiche festgemacht. Vom untersten Deck aus scheint es, als ob sie auf Sand liegen: Wüstenschiffe eben.

Fischerboot segelt im Suez-Kanal. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Nach zehn Stunden Schleichfahrt mit acht Knoten, für die der Charterer rund 300.000 US-Dollar hinblättern musste, schiebt sich LT CORTESIA ungeduldig ins Mittelmeer. Es herrscht wieder Ruhe auf der Brücke, sind doch die arabischen Kehllaute endlich verstummt. An Backbord wird Port Said von der Sonne vergoldet. Hebel auf den Tisch und voll voraus! Noch schnelle 950 Seemeilen: an Kreta mit schneebedeckten Berggipfeln und dem Peloponnes vorbei Kurs Taranto an der süditalienischen „Stiefelspitze“.

Heiligabend-Sonnenuntergang vor dem Peloponnes. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Weihnachten unter Palmen und auf See

Beim fünfstündigen Landgang unter Palmen und Olivenbäumen samt makellos blauem Himmel will einfach keine Weihnachtsstimmung aufkommen. „Auch weil wir auf See den ganzen Rummel vorher nicht mitbekommen. Wenn man bedenkt, dass morgen schon Heiligabend ist…“, sinniert Jörg Laudahn beim Anblick der Kunststoffbäumchen in den Schaufenstern. Auch Geschenke kaufen und Pizza essen – Fehlanzeige. Chiusa – geschlossen! „Hier fängt schon Afrika an“, entschuldigt das der Taxifahrer und brettert mit uns zurück in den Hafen. An Bord macht sich Steward Jerick Rosales – unter Anleitung des Kapitäns – ans Schmücken der Plastiktannen in den beiden Messen: bunte Kerzen, Kugeln und Lametta. „Das geht hier alles stressfreier zu als an Land“, meint der Alte zufrieden.

Kapitän in Ketten. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Früher als gedacht ist LT CORTESIA wieder seeklar. Ab 20 Uhr werden die letzten 2900 Seemeilen unter den Kiel genommen. Am Morgen des 24. Dezember vor der sizilianischen Küste: das Mittelmeer in Feiertagslaune, fast spiegelglatte See und strahlende Sonne. Auf der Brücke starren sie in die 360-Grad-Welt hinaus. Der Horizont auf See, das Ende der Welt, fasziniert den Abenteurer in jedem Menschen immer wieder. Das gilt besonders, wenn das Meer so ruhig und leer ist. Gelegenheit zum Träumen bei einem Schläfchen in der wärmenden Sonne. Zweiter Hans-Joachim Schröder indes träumt von seinem Ferienhaus auf der Karibik-Insel Bequia. Vorbeiziehende Wale und Delphine scheinen uns grüßen zu wollen.

Bootsmann putzt die Brückenfenster. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Gruß an Bord

Heiligabend? Das Grillschwein harrt bereits seines Schicksals in der würzigen Marinade von Zweitem Ingenieur Axel Bohlmann. Nachmittags „Telefono Island“, wie der Kapitän die kleine Insel zwischen Tunesien und Italien grinsend nennt: „Da können wir noch mal nach Hause telefonieren“. Die traditionelle NDR-Sendung „Gruß an Bord“ hören wir wegen fehlender Satellitenempfangs-Anlage nicht. „Das ist wohl nur ein Trost für die an Land“, meint Chief Kremtz und steigt wieder hinunter in den Maschinenkontrollraum. Feiertage sind an Bord normale Arbeitstage: Wache, Abrechnungen und Listen schreiben, damit zum Einlaufen in Hamburg alles vorbereitet ist. Bootsmann Hilario Zerrudo und seine Matrosen spülen das Schiff „feiertagsfein“. Schließlich soll an Deck gegrillt werden.

Weihnachtliches Shrimps-Essen am Kapitänstisch. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

„Frohes Fest!“, „Merry Christmas!“ und Frühstücksüberraschung: bunte Teller unterm Christbaum. Vom Weihnachtsmann, sprich: Kapitän höchstselbst arrangiert und spendiert. Die Wetterkarte kündigt für Deutschland einen Kälteeinbruch an. Schon im Englischen Kanal wird die bunte Containerlandschaft von Schneeschauern über Nacht in ein weißes Gebirge verzaubert. „Denn mal guten Rutsch und zieht Euch warm an!“, rät Laudahn vorsorglich. Der Rostocker freut sich nach vier Monaten Fahrtzeit auf Silvester mit seiner Familie an der Ostsee.

Hecksee – breit wie eine achtspurige Autobahn. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Infos:

Reiseroute: Europa – Mittelmeer –Fernost – Europa: Rundreise ca. 56 Tage ( auch Einweg möglich). Hamburg – Rotterdam – Thamesport/England – Taranto/Süditalien – Suez Kanal – Tanjung Pelepas / Malaysia – chinesische Häfen: Kaohsiung – Shanghai – Ningbo – Yantian – Hongkong – Tanjung Pelepas Suez-Kanal – Taranto – Hamburg (Änderungen vorbehalten)

Buchung: www.hamburgsued-frachtschiffreisen.de

Kabinen: an Steuerbord Eigner (Owner)- und an Backbord Zahlmeister (Purser)-Kabinen, F-Deck: Wohnraum, (Möbel in Kirschbaumton); 5 Fenster (3 zur Seite, zwei nach vorn); ein meterlanger Schreibtisch mit unverbaubarem Seeblick; zwei Sofas, drei Stühle, Teppichboden, Tisch, Sideboard, reichlich Schrankraum, Garderobe; Fernseher, DVD-, CD-, Video-Anlage, Radio-Weltempfänger, Kühlschrank; Bad mit Dusche und WC; Schlafraum (1 Fenster nach vorn) mit Doppelbett (2,00 x 1,80 m) und Friesierkommode; Tischlampe, Bilder und zwei Blumenarrangements sorgen für eine wohnliche Atmosphäre. Gesamtgröße: 40 qm.

1 Supercargo-(Einzel-)Kabine (Steuerbord achtern), G-Deck: 1 Schlaf-/Wohnraum, 1 Bett (2,00 x 1,20 m), Bad mit Dusche und WC, Kleiderschrank, Kühlschrank, TV, Sofa, Sessel, Tisch, Stuhl, Schreibtisch, Teppichboden, Ausblick hinten; Gesamtgröße: 20 qm.

Ausstattung: Fahrstuhl, Innenschwimmbad (5 x 5 m) mit (bei Bedarf erwärmten) Meerwasser, Sauna, Fitnessraum (2 Trimmräder, Tischtennis, Gewichte, Aufenthaltsraum mit Video-, CD- und DVD-Anlage, Bar, Büchern, Filmen), Liegestühle, Waschmaschine und Trockner (Waschmittel inklusive), Handtücher/Bettwäsche, Reinigung der Kabine wöchentlich, Steward in der Offiziersmesse; Essenszeiten: Frühstück von 07:30 bis 08:30, Mittag von 11:30 bis 12:30, Abendbrot: 17:30 bis 18:30.

Schiffsdaten MS LT CORTESIA: Schwesterschiffe: „Hudson Courage“, „Ever Charming“, „Ever Champion“): Projektname: „Conti Cortesia“, Taufname: „LT Cortesia“; Auftraggeber: Beteiligungsgesellschaften Conti-Gruppe, München; Bereederung: NSB Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft GmbH & Co KG, Buxtehude (mit 86 Schiffen größte Reederei Deutschlands); Charterer: Lloyd Triestino, Triest/Italien; Bauwerft: Samsung Heavy Industries, Geoje Shipyard, Korea; Kiellegung: 29.11.2004, Ausdockung: 5.2.2005, Ablieferung: 25.4.2005; BRZ: 90.449, Deadweight: 100.863,8 t, Suez Gross Tons: 93.720,7 BRZ; Leerschiff-Gewicht: 34.025 t; Panama: Post-Panmax, 8084 TEU (gestaut in 9 Lagen unter und 8 Lagen an Deck bei 17 Lagen breit; davon 17 Lagen breit; Reefer/Kühlcontaineranschlüsse: 700) in 9 Luken, 20 Laderäumen/Bays und auf 75 Lukendeckeln mit je 35 t Gewicht); Länge über alles: 334,00 m, Breite über alles: 42,80 m, Seitenhöhe: 24,60 m, Tiefgang (max.): 14,50 m,, Höhe Kiel-Mastspitze: 61,30 m; Flagge: Marshall Islands, Heimathafen: Majuro (ab April 2006 Hamburg); Besatzungsstärke: 24; max. Anzahl Passagiere: 5; max. Personenzahl: 34; IMO-Nr: 9293753; Klassifikation: GL+100 A5 Cont. Ship IW; Hauptmaschine Hersteller/Type: ISD SULZER 12RTA96C-B, Leistung: 68.640 kW/93.350 PS, 12 Zylinder-Langsamläufer, Trockengewicht: 2030 t, Höhe: 13,5 m, Länge: 24 m, Verbrauch (max.): 248 mt/Tag, Geschwindigkeit: 25,2 kn; Propeller (Hersteller: Mecklenburger Metallguss, Waren/Müritz): Gewicht: 87,3 t, Durchmesser: 8,8 m, Flügelzahl: 6; Hilfsdiesel (MAN B & W 9L 27/38): 2 à 1485 kW, 3 à 770 kW; Notdiesel: 500 kW; Bugstrahler: 2500 kW; Tankkapazitäten: Schweröl: 10.587 m³, Dieselöl: 428,50 m³, Schmieröl: 687,70 m³, Frischwasser: 412,50 m³, Ballastwasser: 24.905 m³; Frischwassererzeugung: 40 m³/Tag; Müllverbrennung, Abwasseraufbereitung; Ruderblatt: Höhe 11,5 m, Länge: 7,35 m, Fläche: 71,43 m², Gewicht: 63 t.

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