Abzocke: Das Geschäft mit dem großen und kleinen „Geschäft“ – Die Folgen der Privatisierung von Tank & Rast für die Autofahrer – Gegenbeispiel Österreich

© Autobahn Tank & Rast GmbH

Über 90 Prozent der deutschen Autobahnraststätten und Tankstellen befinden sich im Besitz von Tank und Rast, deren sanitären Einrichtungen von Sanifair betrieben werden, einer hun-dertprozentigen Tank-und-Rast-Tochter. Der einstige Staatsbetrieb entstand 1994 aus der westdeutschen „Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen“ (GfN) und der „Ost-deutschen Autobahntankstellengesellschaft“ (OATG). Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) bereitete die Privatisierung vor, sein SPD-Nachfolger Franz Müntefering setzte sie 1998 um.

Übernommen wurde Tank und Rast von einem privaten Konsortium, bestehend aus der Lufthansa und zwei Private-Equity-Fonds („Heuschrecken“), darunter auch eine Tochter der Allianz-Versicherung. 2004 wurde Tank und Rast an die ebenfalls im Private-Equity-Geschäft umtriebigen „Terra Firma“ weiterverkauft. 2007 stieg zu 50 Prozent ein Fonds der Deutschen Bank ein. Nach Angaben der „Frankfurter Rundschau“ haben beide Gesellschaften ihre Sitze zumindest teilweise auf der für ihre Steuerfreiheit bekannten Kanalinsel Guernsey.

Die Zeitung kritisiert, daß bei den Verkäufen ein kleines, aber für die Autofahrer wichtiges Ver-tragsdetail abhanden gekommen sei. War bei der Privatisierung noch vereinbart worden, daß eine „ganzjährige, durchgehende und unentgeltlich Benutzung der sanitären Anlagen gewährleistet sein“ muß, galt das plötzlich nicht mehr. So wurden zunächst 50 Cent für das kleine oder große „Geschäft“ fällig, 2009 kletterte der Preis auf jetzt 70 Cent, wovon 50 Cent beim Kauf von – noch dazu überteuerten – Waren in der Raststätte eingelöst werden können.

Mit dieser als „Cross-Selling“ (Querverkauf) bekannten Verkaufsstrategie verdient Tank und Rast mehr als mit der eigentlichen Toilettengebühr, weil die allermeisten Kunden deutlich mehr als 50 Cent ausgeben. Allein mit der 20-Cent-„Grundgebühr“ kommen jährlich schätzungsweise 32 Millionen Euro zusammen. In Wirklichkeit dürften es deutlich mehr sein, denn häufig werden die Wertbons nicht eingelöst, zudem kann man sie nur beim Kauf von „Waren im Partnerbetrieb“ einlösen. Wie lange die Bons gültig sind, steht, so Tank und Rast lapidar, in den bei Sanifair ausgehängten Geschäftsbedingungen.

Während die Reisenden an deutschen Autobahntoiletten über die Jahre immer mehr berappen sollen, hat das Oberlandesgericht Wien in einem Urteil kürzlich festgestellt, daß der WC-Besuch an österreichischen Autobahnraststätten kostenlos bleiben muß.

kb

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