Leichtes Mädchen – Emma Stone ist „Leicht zu haben“ in Will Glucks High-School-Komödie

Dass derartig weltbewegende Nachrichten der Bevölkerung nicht vorenthalten werden dürfen, bekam schon Olives geistige literarische Schwester in Nathaniel Hawthorns „Der Scharlachrote Buchstabe“ zu spüren. Nach deren Vorbild versieht Olive ihre Garderobe mit einem roten „A“. Die Ausgangssituation, die Emma den Ruf verschafft „Leicht zu haben“ zu sein, ist eben so glaubhaft wie abstrus. Dass junge Menschen jenseits des Kindergartenalters den Verlust der Jungfräulichkeit für ein Kuriosum halten, ist im Grunde abwegig. Im prüden Mikrokosmos der amerikanischen High-School oder für christliche Jugendgruppen scheint es hingegen geradezu zwingend. Erstere besucht Olive, mit Zweiter bekommt sie es in „Easy A“ zu tun. Deren Leiterin Marianne (Amanda Bynes) beginnt eine moralische Hetzkampagne gegen den verderblichen Einfluss der vermeintlichen Sünderin.

Die Zeiten ändern sich – und leider nicht zum Guten. Der liberale Gestus von „Easy A“ ist nur aufgesetzt. Tatsächlich beraubt er seine Hauptfigur ihrer gesellschaftlichen Emanzipation. In der literarischen Vorlage war der Buchstabe eine perfide Form seelischer Grausamkeit, ausgeübt von der Gemeinschaft, um die Trägerin psychisch und sozial zu zerstören. Das „Easy A“ der Komödie ist hingegen so leicht zu (er)tragen, wie es der Titel verheißt. Das Stigma ist zu einer Art Orden geworden. Dass die moderne Olive es wie die Romanfigur Jahrhunderte zuvor gleich einem Schmuck trägt, ist somit kein Affront mehr wie in der Buchvorlage Hawthornes, von der sich der Regisseur inspirieren ließ. Aus der medizinischen Heilfähigkeit der Heldin wird eine soziale. Konnte die Romanfigur durch botanisches Wissen heilen, kann Emma Außenseitern und Sonderlingen den begehrten Ruf eines sexuellen Draufgängers verschaffen. Olive macht daraus ein Geschäft und wir so indirekt zu einer Art sozialer Prostituierten. Die sexuellen Abenteuer werden dabei selbstverständlich nur heiß diskutiert statt praktiziert.

Für die verkappte Bigotterie konventioneller Genre-Gefährten ist „Easy A“ so „Leicht zu haben“, wie für den verklemmten Charme der Komödien-Klassiker Doris Days und Rock Hudsons. Der Verlust der sexuellen Unschuld ist von Olive nur erfunden. Anders als die Romanheldin ist sie keine Tugendbrecherin, werdende Mutter erst recht nicht. Von konventionellen Teenager-Komödien hebt sich „Easy A“ durch die ungewöhnlich doppelbödige Grundidee ab. Doch das gesellschaftskritisches Potential, welches „The Scarlet Letter“ einst zum Skandal und bis heute zum literarischen Klassiker machte, verschenkt „Easy A“ zugunsten einer stereotypen Teenie-Komödie. So tröstet nur die sympathische Emma Stone, die für das Mainstreamkino in Zukunft hoffentlich nicht „Leicht zu haben“ sein wird. Ist der Ruf erst ruiniert…

Titel: Easy A – Leicht zu haben

Land/ Jahr: USA 2010

Genre: Komödie

Kinostart: 11. November 2010

Regie: Will Gluck

Drehbuch: Bret V. Ellis

Darsteller: Emma Stone, Alyson Michalka, Penn Badgley, Amanda Bynes,Thomas Haden Church, Patricia Clarkson,Stanley Tucci, Cam Gigandet, Lisa Kudrow, Malcolm McDowell, Dan Byrd

Kamera: Michael Grady

Musik: Brad Segal

Schnitt: Susan Littenberg

Laufzeit: 92 Minuten

Verleih: Sony Pictures

www.sonypictures.com

Vorheriger Artikel…Und keiner kann sie bremsen! – Denzel Washington und Chris Pine sind „Unstoppable“ in Tony Scotts Hochgeschwindigkeitsfilm
Nächster ArtikelDer Trost von Fremden – „You will meet a tall dark stranger“ verheißt Woody Allen seinen einsamen Londonern