Auch heute fragen sich alle, wer Schuld an der Eskalation ist, die nach Polizeiangaben 114 Verletzten, nach Angabe der Gegner von "Stuttgart 21" mehreren hundert Verletzten forderte. Eines ist sicher: Schafften die Gegner des stark umstrittenen Projekts „Stuttgart 21“ es bisher, mit Überklettern von Bauzäune, Blockieren von Baustellenzufahrten und Besetzen von Baumaschinen in die Schlagzeilen zu kommen, sind die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Stuttgart nun vollends in Berlin angekommen. Und nicht nur in Deutschland, sondern mittlerweile weltweit schenken Medien und Menschen den Geschehnisse in Stuttgart unangenehm berührt Beachtung, weil es nicht gegen Vermummte und Autonome, Steineschmeißer und Kiezwadenbeißer geht, sondern gegen Schüler, Rentner und Müttern mit Kleinkindern: gegen den stinknormalen Bürger, den Kleinen Mann von unten, der nicht so will, wie die da oben.
»Es ist entsetzlich, was sich hier für Szenen abspielen«, so Matthias von Herrmann, Pressesprecher der »Parkschützer« in einer gestern verbreiteten Erklärung. "Es gab Schläge ins Gesicht und an die 400 Augenverletzungen durch Tränengas", sagte er gegenüber der ARD. Grünen-Chef Özdemir spricht von einer »brutalen Bulldozer-Politik« und wirft der Landesregierung von Baden-Württemberg vor, sie habe Schüler "zusammenprügeln lassen". Der Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, Ulrich Maurer, forderte den Rücktritt von Innenminister Heribert Rech (CDU): »Wer versucht, angemeldete Schülerdemos mit Schlagstöcken, Reizgas und Wasserwerfern aufzulösen, hat mit der Demokratie gebrochen und muß als Innenminister seinen Hut nehmen«, so Maurer.
"Trotz ihrer schwerwiegenden Verantwortung trägt die Bundesregierung nichts zu einer unverzüglichen Aufklärung bei. Bundespolizisten waren an einem der gewalttätigsten Polizeieinsätze der letzten Jahre beteiligt. Sie haben den Weg für ein Projekt freigeknüppelt, das die Bundeskanzlerin letzte Woche zu einem zentralen Projekt des Bundes erklärt hat", erklärt Jan Korte, Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE, zum Ausgang der heutigen Sondersitzung des Innenausschusses, der auf Antrag der Linken zusammentrat. Ausführlich werden sich die Ausschussmitglieder aber erst am kommenden Mittwoch mit der Gewalteskalation bei den Protesten befassen. Am Freitag hätten Bundesregierung und Bundespolizei lediglich die Formalien geschildert, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), nach einer Sondersitzung.
Grüne und Linke beantragten zudem eine Bundestagsdebatte über die gewalttätigen Auseinandersetzungen. Der Antrag wurde am Freitagmorgen mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition jedoch abgelehnt. Notwendig wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit gewesen.
Korte ergänzt: "Die schwarz-gelbe Koalition musste durch massiven Druck überhaupt erst dazu gebracht werden, in der heutigen Innenausschusssitzung zu den Vorkommnissen Stellung zu nehmen. Offenbar will sie sich hinter der baden-württembergischen Landesregierung verstecken, wenn sie darauf verweist, dass die Bundespolizei im Rahmen eines Landespolizeieinsatzes tätig war. Ich fordere eine klare Stellungnahme der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung zu den Vorkommnissen.
Schwarz-gelb muss der Öffentlichkeit erklären, wie die Koalition künftig mit dem demokratisch legitimen Protest umzugehen gedenkt.“
Die Linkspartei forderte die Bundesregierung auf, einen sofortigen Baustopp für Stuttgart 21 zu verhängen und in der Auseinandersetzung „zu demokratischen, rechtsstaatlichen Mitteln“ zurückzukehren.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, forderte das Parlament auf, sich dem Thema zu stellen. Spätestens seit Donnerstag müsse klar sein, dass der Disput um Stuttgart 21 eskaliert sei. "Die Lage vor Ort spitzt sich absolut zu", sagte Haßelmann. Es reiche nicht aus, zu sagen, das „Stuttgart 21“ nur für Stuttgart und Baden-Württemberg von Bedeutung sei.
Der SPD-Abgeordnete Christian Lange sprach in der Debatte über den Antrag von einer "Rambo-Politik" der baden-württembergischen Landesregierung – er forderte den Rücktritt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU).