Unbarmherzig zwingt Regisseur Michael Powell dem Betrachter die Kameraperspektive auf, die auch die des Mörders ist und jenseits der Filmrealität die des Regisseurs. Filmzuschauer, Filmregisseur, Filmfigur und Filmwerkzeug werden eins. Haben die selbe grauenvolle Absicht: einen Mord. Einzig Luis Bunuel wagte in seinem surrealistischen Meisterwerk „Un Chien Andalou“ zuvor, das Publikum ähnlich radikal mit dessen eigenem Voyeurismus zu konfrontieren. Wie bei Powell mündet der unmittelbare Blick in einen drastischen Gewaltakt. Das starrende Auge wird mit dem Skalpell zerschnitten. Während Bunuel die Aggression strafend gegen das voyeuristische Subjekt, das Auge, richtet, projiziert sie Powell nach außen auf dessen Objekt. Tagsüber arbeitet der schüchterne Mark (Carl Böhm) für eine Filmcrew und als Fotograf für billige Pornomagazine. Einzige Gefährtin des kontaktscheuen Amateurfilmers ist seine Kamera. Das ändert sich, als er die junge Helen (Anna Massey) kennenlernt, die das unterliegende Apartment mit ihrer erblindeten Mutter (Maxine Audley) bewohnt. Beide führt er in sein Heimkino – wo er gebannt auf Zelluloid die Schrecken seiner Kindheit und seiner Mordopfer warten. Auf dessen beste Plätze setzt Powell das Publikum. Jeder ein doppelter „Peeping Tom“, der Mörder und Morddokument ungesehen beobachtet.
Als die Schauspielerin Vivian (Moirer Shearer) Mark bei der Arbeit am Filmset bittet, sie für eine Furcht-Szene einzustimmen, sagt er, sie solle sich vorstellen, ein Wahnsinniger wolle sie töten. „Er weiß es – und du nicht.“ Mark weiß um seinen Trieb und leidet innerlich darunter. Pathologisch ist nicht die Schaulust, sondern die beschämte Doppelmoral und Bigotterie, die sie umgibt. Den provokanten Blick bestraft wie bei Bunuel ein Schnitt. Die Zensur statuierte an „Peeping Tom“ ein Exempel. Michael Powells Meisterwerk wurde radikal gekürzt, die Originalfassung gilt als verloren. Die Karriere des Regisseurs wurde durch den Skandal zerstört. Darüber und über die späte künstlerische Anerkennung von „Peeping Tom“ berichtet das Feature „Im Auge des Betrachters“, das der DVD mit dem Trailer und einem Booklet als Extras beigefügt ist.
Der Blick des Regisseurs fixiert eine voyeuristische Gesellschaft, die ihre Schaulust heimlich mit Sex-Heften, Sensationsnachrichten und Massenunterhaltung befriedigt. Sich selbst nimmt Michael Powell davon nicht aus. Eines von Marks Heimvideos zeigt Powell als Vater des Hauptcharakters, der den von Powells eigenem Sohn gespielten kindlichen Mark mit psychologischen Experimenten quält. Er habe „das Auge seines Vaters“ sagt ein Psychiater über Mark. Eine psychologische Konsequenz, vor der die brüskierte Öffentlichkeit die Augen verschloss. Die DVD des Arthouse Verleih gibt den Blick auf „Peeping Tom“ wieder frei.
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Titel: Peeping Tom – Augen der Angst
Land/ Jahr: Großbritannien 1960
Genre: Psychothriller
DVD-Start: 16. September 2010
Regie : Michael Powell
Drehbuch: Leo Marks
Darsteller: Anna Massey, Karl Heinz Böhm, Maxine Audley, Moira Shearer, Pamela Green, Michael Powell
Kamera: Otto Heller
Musik: Brian Easdale
Schnitt: Noreen Ackland
Laufzeit: 97 Minuten
Verleih: Arthouse
Sprachen: Deutsch, Englisch
Extras: Booklet, Featurette "Im Auge des Betrachters", Originalsynchronisation von 1960, Trailer
Internet: www.arthouse.de
Info: Der Film erscheint in der "Arthaus Collection Klassiker II".