Facebook selbst ist ebenso Thema von Finchers zwischen Gerichtsfilm, Business-Thriller und Teenager-Drama changierendem Werk wie die Person Mark Zuckerbergs. Nachdem er anfangs noch auf Marks Seite steht, fühlt sich schließlich auch sein bester Freund Eduardo (Andrew Garfield) betrogen. Ihn lässt Regisseur David Fincher sagen, es müsse so etwas wie einen Geschwindigkeitsrekord für Reden geben. Die Filmfiguren brechen ihn locker. Das Dialogtempo kann die Gemächlichkeit der Handlung nicht kaschieren. Den Streit um die Urheberschaft und den Diebstahl geistigen Eigentums spiegeln Aktenverlesungen, Gerichtssitzungen und detaillierte Diskussionen über Napster, MySpace & Co. . Dramatisch fühlen sich die Szenen an, wie sie wohl in der Realität waren: langwierig, zermürbend und letztendlich undurchsichtig. Mit einem Urteil über die bis heute nicht endgültig geklärte Rechtsfrage hält sich Finchers Biopic zurück.
Mehr als die Frage, wer wessen Idee geklaut hat, interessiert ihn die soziologische Dynamik von Facebook. Den Artikel vor Facebook lässt Mark auf Anraten seines Geschäftspartners Sean (Justin Timberlake) fallen. Im Filmtitel reinstalliert ihn Fincher indirekt wieder. Facebook ist nicht irgendein soziales Netzwerk, es ist DAS Netzwerk. Die moderne Kommunikationskultur wurde durch Facebook schneller, weitläufiger, unpersönlicher – und dabei gleichzeitig intimer. Finchers kühl inszenierte Mischung aus Gerichtsfilm und Biopic ähnelt selbst einem Besuch auf Facebook. Eine mit Insideranspielungen und Fachausdrücken gespickte Hochglanzpräsentation stichpunktartiger Informationen über möglichst viele Charaktere, nicht genial, sondern kongenial. Die Konflikte der Protagonisten bleiben so künstlich wie die digitale Welt, um die sie sich drehen. Die Szenen wilder Parties, die Nerds angeblich feiern, wirken albern. Die makellose Optik der Bilder verströmt eine fast synthetische Künstlichkeit, in der Dekadenz, Stil und Individualität nur aufgesetzt erscheinen.
Letztendlich bleiben die Protagonisten Unbekannte, von denen man alles weiß, ohne sich dafür zu interessieren. Am unnahbarsten ist Zuckerberg: pathologisch kontaktarm, emotionslos, manisch. Der Facebook-Gründer schizoid? Unter der aalglatten Hülle des Cyber-Krimis erzählt Fincher das Drama eines hochintelligenten Außenseiter-Kindes, das Erfolg hat aus Rache dafür, dass niemand mit ihm spielt. Millionen auf dem Konto, Millionen Facebook-Freunde, ganz allein. Poor little rich boy.
Titel: The Social Network
Land/ Jahr: USA 2010
Genre: Drama
Kinostart: 7. Oktober
Regie: David Fincher
Drehbuch: Aaron Sorkin
Darsteller: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Max Minghella, Dakota Johnson, Brenda Song, Malese Jow, Armie Hammer, Joseph Mazello
Kamera: Jeff Cronenweth
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Schnitt: Kirk Baxter, Angus Wall
Laufzeit: 120 Minuten
Verleih: Sony Pictures