Wien, Österreich (Weltexpress). Am Sonntag ist in Wien Arik Brauer im Alter von 92 Jahren verstorben – ein Universalkünstler im wahrsten Sinne des Wortes: Er galt als der bedeutendste Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, er war Sänger, Dichter und Bühnenbildner für die Wiener Staatsoper und das Theater an der Wien. Sein Stil ist einzigartig, seine Bilder erzählen mit einer unerschöpflichen Palette von wunderbaren Farben und Motiven Tausende von Geschichten, Mythen und Legenden, die oft die Bibel, aber immer wieder auch die persönliche Geschichte zum Thema hatten – so die Ermordung seines Vaters in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager, ein erschütterndes Gemälde. Man denkt vor seinen Gemälden an Pieter Brueghel und auch an orientalische Miniaturmalerei – die vielfältigen Einflüsse sind unverkennbar, aber Brauers Stil ist dennoch einzigartig.
Eine begnadete Familie
Arik Brauer hinterlässt nicht nur ein epochales Werk, ein von seinem stets heiteren Geist beseeltes Hausmuseum im sogenannten Cottageviertel in Wien-Döbling und Schallplatten-Aufnahmen seiner Lieder, sondern auch hoch begabte Nachkommen: Unter anderem seine Tochter Timna, eine berühmte Chansonnière und Malerin, seine Tochter Ruth, eine namhafte Schauspielerin und die Enkeltochter Jasmin Meiri-Brauer, eine begabte Sängerin.
Meine erste Begegnung mit Arik hatte ich noch als Kind, viele Jahre vor dem unserem Treffen in einem typischen Wiener „Heurigen“, zusammen mit seinen damals noch sehr jungen Töchtern Timna und Ruth: Ein Wiener Bekannter schenkte mir damals ein Schallplattenalbum. Schon dessen buntes, exotisches Cover faszinierte mich – für mich ein erstes, kleines Eingangstor in Arik Brauers Bilderwelt. Sehr eigenwillig und durchaus auch politisch in ihrer Aussage die Chansons, auf jenen Vinyl-Schallplatten im Wiener Dialekt: „Sie ham a Haus baut“ und „Hinter meiner, vorder meiner“ – die Aufnahmen brachten Arik zweimal die Goldene Schallplatte ein.
Abenteuerliches Leben – vielfältige Kunst
Am 4. Januar 1929 im volkstümlichen Wiener Bezirk Ottakring als Sohn eines aus Littauen stammenden Schusters geboren – in eine Familie die sich zum „Roten Wien“ bekannte und die ihm den Weg zum „lebenslangen Antifaschismus“ wies. Die NS-Zeit überlebte er untergetaucht in einem Versteck. Bis 1951 studierte Arik Brauer an der Akademie der Bildende Künste in Wien und gründete unter anderem mit Ernst Fuchs und Rudolf Hausner die Wiener Schule des Phantastischen Realismus – zusätzlich absolvierte er eine Gesangsausbildung. Mit dem Velo reiste er durch Europa und Afrika, lebte dann als Sänger und Tänzer in Israel und heiratete Naomi Dahabani, eine Israelin jemenitischen Ursprungs. Er zog nach Paris und trat mit ihr als Gesangsduo „Neomi et Arik Bar-Or“ auf. 1964 kehrte er nach Wien zurück und gestaltete ein Haus als Gesamtkunstwerk in der Künstlersiedlung Ein Hod bei Haifa. In Wien wurde er zu einem der Väter des politisch engagierten Austropop; seit 2000 trat er mit seinen Töchtern und Elias Meiri unter dem Namen „Die Brauers“ auf. Daneben wirkte er als Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste. An der Gumpendorfer Strasse gestaltete er, ähnlich wie sein Zeitgenosse Hundertwasser, ein Wohnhaus. Die von Arik Brauer gestaltete und für mich signierte Pessach-Haggada ist eines der kostbarsten Erinnerungsstücke an den Künstler und Freund.
Arik Brauers Bilder gehören seit Jahrzehnten zu den begehrtesten Gemälden auf dem Kunstmarkt, sie hängen in verschiedenen Museen und kürzlich hat das Jüdische Museum Wien seinem Leben und Werk eine grosse Ausstellung gewidmet. Alle führenden Politiker Österreichs haben Arik Brauer gewürdigt; Bundeskanzler Kurz erklärte, er sei von dessen Tod „tief betroffen“. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte, Brauers Bilder seien „zum festen Bestandteil unseres kollektiven Bewusstseins geworden. Bis an sein Lebensende blieb Arik Brauer bescheiden, liebenswürdig und persönlich – heiter, fit und quirlig. Er starb im Kreis seiner Familie – seine letzten Worte sind überliefert: „Es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“
Anmerkung:
Vorstehender Artikel von Dr. Charles E. Ritterband wurde in „Tacheles“ erstveröffentlicht.