Stralsund, Deutschland (Weltexpress). Am 23. August 2014 machte der schneeweiße 10.000-Tonnen-Luxuskreuzfahrer „Seabourne Legend“ an der Gipspier im Stralsunder Südhafen fest. Zuvor am 13. Mai 2013 war es das norwegische 11.650 Tonnen-Hurtigruten-Schiff „Fram“, das mit großem Bahnhof am Nautineum empfangen wurde. Sogar wie in großen Häfen bei Erstanläufen üblich mit Fontänen aus den Wasserkanonen des Feuerlöschboots. OB Alexander Badrow fuhr damals dem Kreuzfahrer ein Stück entgegen. Das waren noch Zeiten…
Seitdem hat sich kein Schiff dieses Kalibers mehr hier blicken lassen. Schade eigentlich, aber die Zeiten waren auf Seiten der „Dickschiffe“ mit vielen hundert oder sogar tausenden Passagieren an Bord. Inzwischen ist klein nicht nur fein, sondern auch zukunftsweisend. Überschaubare, familiäre Schiffe mit Häfen, die nicht überlaufen sind, werden gefragter sein denn je. Wie die kleine 72 Meter lange „Ocean Nova“ am 17. April 2020, die mit amerikanischen und australischen Gästen direkt aus der Antarktis kam.
Ideal für mittelgroße Pötte
Der Stralsunder Hafen mit seinen Dimensionen und touristischen Angeboten liegt damit genau im Trend. Auch wenn es in der Stadt Stimmen gibt, die das nicht so positiv sehen wollen. Obwohl einiges getan wurde, um Abgas- und Lärmimmissionen zu reduzieren, zum Beispiel durch Landstromanschlüsse im Nordhafen. Diese Kritiker müssten dann aber auch Frachtern die Zufahrt verwehren, die ihre Energie aus eigenen Aggregaten beziehen mit entsprechenden Umweltfolgen. Die rot-grüne Bürgerschaft des Ostseebades Eckernförde ist jetzt noch weiter gegangen und hat – zum Leidwesen der Tourismusbranche – jegliche Kreuzfahrtanläufe in der Bucht ab sofort verboten. Obwohl es bislang nur vier bis fünf pro Jahr waren, die weit draußen auf Reede ankerten. Stralsund indes wird alljährlich bis zu 120 Mal von Flusskreuzfahrtschiffen angelaufen. Laut Statistik lässt jeder Gast dabei rund 50 Euro an Land.
Hochseeschiffe indes meiden das nur 24 Meter breite Nadelöhr Ziegelgrabenbrücke, weil dann noch ein bis zwei Schlepper erforderlich sind und zu starker Seitenwind Probleme bereiten könnte. Der Liegeplatz am Nautineum ist nach wie vor ideal für Schiffe bis etwa 150 Meter Länge und 20.000 BRZ, wie sie die „Crystal Endeavor“ repräsentiert, die auf der Stralsunder MV-Werft ihrer Fertigstellung entgegen sieht.
Stralsund im Fahrplan
Ab 2022 soll es wieder richtig losgehen mit den allseits beliebten Kreuzfahrten. Zuletzt fanden bis zu drei Millionen deutsche Gäste daran Gefallen. Insgeheim hofft die Branche auf das Frühjahr nächsten Jahres. Dazu sollten sich Interessierte schon mal zwei Termine im 21er-Kalender rot ankreuzen: den 21. (00 bis 16 Uhr) und 29. April 2021 (09 bis 20 Uhr). Dann nämlich legt die „Seaventure“ auf ihrer Jungfernreise in Stralsund an. In Bremerhaven geht´s jeweils am 18. Und 25. April 2021 los mit NOK-Passage, Wismar, Kopenhagen, Helgoland und Hamburg; auf der zweiten Reise sind Göteborg, Malmö und Sylt dabei, jeweils mit Endstation Bremerhaven. Ein buntes Potpourri. Wer Lust, Zeit und Geld hat, sollte diese Chance nicht verpassen, um einmal mit einem größeren Schiff den heimatlichen Sund anzulaufen.
Das weltweit befahrene Schiff war als Hapag-Lloyd-Expeditionskreuzfahrttschiff „Bremen“ am 20. September 2004 schon mal am Sund. Der damalige „Empfang“ war keiner, denn er fand so gut wie nicht statt. „Schon das Festmachermanöver war völlig daneben“, erinnert sich noch heute Seelotse Jens Mauksch an die beschämende Situation, in dessen Folge er sogar das Notsignal fünfmal kurz mit dem Typhon geben musste, weil niemand an Land die Leinen annehmen wollte. Eine Woche später bereiteten 60.000 Flensburger und deren Stadtobere dem Schiff einen rauschenden Empfang, an den sich alle Beteiligten noch heute gern erinnern.
Dieser Tage ist Kapitän Thilo Natke wieder in der Hansestadt unterwegs, um die Möglichkeiten für sein neues Schiff „Hanseatic Nature“ auszukundschaften, wie er dem Autor verriet, mit dem er auf der „Bremen“ mehrfach in der Arktis und Antarktis kreuzte. „Als Fahrplanmacher werde ich dafür sorgen“, so Stralsund-Fan Natke, „die Hansestadt bei der nächsten Ostsee-Kreuzfahrt unbedingt anzulaufen“.
Infos:
MS „Seaventure“ (Ex „Frontier Spirit“ 1990-1993; „Bremen“ 1993-2020); Baujahr: 1990; Bauwerft: Mitsubishi Heavy Industries, Kobe/Japan; Typ: Expeditionskreuzfahrtschiff; BRZ: 6.752; Länge: 111,51 m; Breite: 17 m; Tiefgang (max.): 4,80 m; Antrieb: 2 Dieselmotoren, Leistung: 6.600 PS, Propeller: 2; Geschwindigkeit (max.): 16 kn; Besatzung: 100; Passagiere (max.): 164; Flagge: Bahamas; Eigner: VIVA Cruises GmbH, Düsseldorf; nähere Informationen zu Schiff und Reisen: www.viva-cruises-expeditions.com
Da sind wir dann auf den Bericht des Erstanlaufes gespannt, macht neugierig!