Diese Kombination der verschiedenen Teile, in denen im ganzen Film nur Originalton Ginsberg zitiert wird, gelingt den beiden Regisseuren Epstein und Friedman hervorragend. In Schwarz-Weiß am 7. Oktober 1955 in der Six Gallery beginnt es, wo Allen Ginsberg (James Franco) das erste Mal das Geheul vorträgt, wie überhaupt die als dokumentarisch zu verstehenden Aufnahmen jeweils in Schwarz und Weiß authentischer wirken sollen und es auch tuen. Dagegen sind die Interviewteile, wo eine nicht sichtbare, aber spür- und hörbare Person Allen Ginsberg zu seinem Leben und Werk befragt, in Bunt gedreht, wie auch die Geschichten aus seinem Leben, auf die er im Interview Bezug nimmt (und wo die sexuellen Beziehungen zu Männern die Hauptrolle spielen), genauso in Bunt die Gerichtsszenen, die immer schon im amerikanischen Kino zu Sternstunden des intellektuellen Schlagabtauschs taugten, wie auch zur Darstellung von prüden Verklemmten und dem Fordern von einer der Demokratie angemessenen Verhaltensweise im Zulassen von gesellschaftlichen Veränderungen.
Insofern ist dieser Film, in dem einem Prozeß von 1957 historisch abschließend der Prozeß gemacht wird, ein Geschichtsfilm. Denn es sind die 50er Jahre, die den Inhalt bestimmen, mit der Aufbruchsstimmung der Jugend, denen Allen Ginsberg mit seinem Poem eine Stimme gab, gegen eine rigide, in sich geschlossene und erstarrte Gesellschaft einerseits, aber auch schon das frühe Aufbrechen von gesellschaftlich Verpöntem wie der Homosexualität zeigt, die Ginsbergs offen legte, zu der er sich bekannte und über die er schrieb. Das würde heute keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken, wenn einer so schrieb wie Ginsberg, aber gerade darin liegt das Problem, von dem Wolf Biermann einmal sagte, daß in der DDR jedes seiner verbotenen Worte von seinen Hörern und Lesern aufgesogen wurde, während er in der BRD schreiben und sagen dürfe, was er wolle, nur höre keiner hin.Daß wir in den USA und auch Europa heute eine größere Liberalität leben, ist auch Personen wie Ginsberg und Prozessen um sein Werk „Howl“ zu danken, was der Film darstellt. Wie er es allerdings darstellt, damit haben wir schon Probleme. Die wunderbaren gedrehten Szenen wurden schon benannt. Bei allen Lesungen des Poems durch den Dichter allerdings, vertrauen die Regisseure nicht auf die Macht des Wortes durch den vortragengenden Dichter und die Reaktionen auf den Gesichtern seiner Zuhörer, wie es am Anfang geschieht, sondern bringen zunehmend zu dem zitierten Text eine Bilderfolge, wo ein spezielles Bildpersonal die Worte im Tun auf der Leinwand verdoppelt und das dann auch noch animiert erfolgt. Das heißt, daß zu den Worten, die einst wie Donnerhall klangen, bewegte Bilder und Filmsequenzen aus den derzeit modischen graphic novels ablaufen, wo sich Figuren vereinen, auseinanderstreben im Weltall und weit von uns entfernt in einer Ästhetik, die heute modisch in jedem besseren Hollywoodfilm stattfindet, das, was Adorno Kulturindustrie nennen täte und wir affirmativ.
Die Frage lag also nahe, wie Ginsberg diese sähe, wenn er, der Protestler, der mit seinem „Geheule“ eine ganze Gegenkultur fundierte, nun heute mit dem ästhetisch und kommerziell Gängigen bebildert würde. Das ist eine Grundsatzfrage und ganz unabhängig zu diskutieren und zu werten, ob einem diese Bilder gefallen oder ob sie es fertigbringen, das zu erreichen, was die Regisseure laut Pressekonferenz von ihnen erwarten, warum sie also eingespeist wurden, von Eric Drooker gezeichnet, der ein Weggefährte Ginsbergs war, nämlich die heutige Jugend für Ginsberg zu interessieren. Wir vermuten einmal, daß es der Prozeß und die Lebensberichte des von James Franco sehr differenziert und spannend dargestellten Allen Ginsberg mehr ist als sein Gedicht, das stark Ausdruck einer Zeit und die Gegenwehr gegen diese Zeit ist, auch wenn es heute als Meisterwerk des 20. Jahrhunderts gilt. Nur werden Meisterwerke nicht von alleine auch gelesen. Insofern ist das eben auch eine Bildungstat, einen solchen Film zu drehen, der den Kampf für die Freiheit des Wortes zum Thema hat, der in der intellektuellen Welt rein von Männern geführt wurde – das zeigt dieser Film wieder einmal deutlich auf, was durch die Besonderheit der Schwulenthematik verstärkt wird – , eine Freiheit, die immer gefährdet ist, auch wenn sie hier einmal siegt.
Von daher würde uns interessieren, wo im heutigen Amerika, insbesondere im klerikal gepanzerten Süden Meinungsäußerungen, Zeitungen und Bücher unterdrückt werden und ob auch darüber Filme gedreht werden. Denn die historischen Schlachten der Fünfziger sind geschlagen. Es schadet nicht, auch dramatisch aufgeputzt von den Erfolgen zu sprechen, aber sie dürfen nicht den Blick vernebeln, für das, was heute ist. Auch wenn die Reizworte und Lebenssituationen andere sind.
Titel: Howl
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Robert Epstein, Jeffrey Friedman
Darsteller: James Franco, Jon Hamm, David Strath
Bewertung: * * * *