Laudator Abraham Melzer, der die Bücher von Avnery in Deutschland verlegt, zeichnete in seiner bewegenden Rede einige Lebensstationen des zeitweiligen „Staatsfeindes Nummer eins“ in Israel nach. Etwa, wie Uri Avnery bei einer Demonstration von Angehörigen der Armee seines Landes die Hände gebrochen wurden, wohl, um ihn vergeblich daran zu hindern, seine wöchentliche bissige Kolumne zu schreiben, die er beharrlich seit nunmehr über 55 Jahren zu Papier bringt. Bewegend auch die Foto-Animation einer Jugendlichen zu Unrecht und Widerstand in Israel und Palästina. Darunter ein Bild, das um die Welt ging: Uri Avnery umarmt als erster Israeli Yassier Arafat inmitten der Frontlinien und schützt so das Leben des Palästinenserführers. Arafat, so Abraham Melzer, habe diese Geste, bei der Uri Avnery hätte umkommen können, sein ganzes Leben lang nicht vergessen.
Als am Ende der mit der Joan-Baez-Hymne „We shall overcome“ unterlegten Foto-Schau Uri Avnery selbst die Bühne betrat, gab es kein Halten mehr. Das Publikum erhob sich von den Sitzen und applaudierte dem Preisträger minutenlang. Dieser warnte eindringlich vor einem neuen Antisemitismus. Auch die übertrieben freundliche „Sonderbehandlung“ der Juden, ein Begriff aus der Sprache von Auschwitz, mit dem die Vernichtung umschrieben wurde, passe ihm, Avnery, nicht. Der Holocaust dürfe kein Alibi sein, die „menschenverachtende Praxis“ Israels gegenüber den Palästinensers hinzunehmen. Es sei ein Akt der Freundschaft, Israel deswegen zu kritisieren. Avnery wörtlich: „Oder würden Sie aus Höflichkeit einen ihrer besten Freunde nicht davon abhalten, betrunken Auto zu fahren?“ Die israelische Regierung, so Avnery, vertrete nicht das ganze Volk. Unter starkem Beifall rief Avnery, der zusammen mit seiner Frau Rachel auch den Alternativen Nobelpreis und andere Auszeichnungen erhalten hat: „Auch ich bin Israel.“
Wie in den Jahren zuvor gab es auch wieder einen „Black Planet Award“, diesmal für das menschenverachtende und umweltzerstörende Gebaren des taiwanesischen Chemie-Multis „Formosa Plastics“ Die Übergabe des industriell hergestellten und mit schwarzer Farbe übergossenen Globus an einem Sitz des Konzerns wird die erste ethecon-Preisträgerin, die texanische Aktivistin Diane Wilson, übernehmen, die zum Beispiel damit berühmt wurde, dass sie den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush wegen des Völkermordes im Irak mit Blut bespritzte. Formosa Plastics betreibt ein Werk in der Heimat von Diane Wilson und hat der ehemaligen Krabbenfischerin durch die Verseuchung der Umwelt die Existenzgrundlage entzogen – weshalb die Geschädigte in einer spektakulären Aktion aus Protest ihr Fischerboot in die Luft gesprengt hatte. Derzeit befindet sich dich couragierte Frau zusammen mit anderen im Hungerstreik gegen den Klimakollaps und gegen das Nicht-Handeln der Regierungen. Diane Wilson kündigte an, ihren Protest persönlich vor den Toren der bevorstehenden Klimakonferenz in Kopenhagen vorzutragen – was Preisträger Uri Avnery dazu bewog, die „Gleichgesinnte“ solidarisch in die Arme zu schließen, so, als wollte er ihr Leben schützen.
* * *
Der Beitrag von Axel Köhler-Schnura wurde zuerst veröffentlicht unter www.ethecon.org am 22.11.2009. Alle Rechte beim Autor.