Berlin, Deutschland; Seefeld, Österreich (Weltexpress). Therese Johaug hat sich am Samstag, dem vorletzten Tag der Nordischen Ski-WM in Österreich, mit ihrem Titelgewinn über 30 km (Freistil) zur Skikönigin von Seefeld gekrönt. Es war für die 30-jährige Norwegerin bei diesen Titelkämpfen ihr dritter Sieg und der insgesamt 10. WM-Triumph ihrer Karriere.
Die WM-Bilanz aller Zeiten im Skilanglauf der Frauen wird von ihrer nicht mehr aktiven Landsfrau Marit Bjoergen angeführt, die 18-mal gewann.
Der die Konkurrenz deklassierende Auftritt Johaugs wirft allerdings ebenso Fragen auf wie ihr Karriereverlauf oder die erdrückende Dominanz der Norweger in dieser Sportart. Ihr Siegeslauf bescherte dem Norge-Aufgebot in Seefeld schon den elften WM-Titel (bei insgesamt 21 Medaillen), zehn davon in ihrer Domäne Langlauf.
Damit haben die sportlichen Repräsentanten des 5-Millionen-Volkes vom Oslo-Fjord bei Redaktionsschluss mehr Goldmedaillen – es könnte am Schlusstag Gold über 50 km der Männer dazukommen, nachdem die Nordisch Kombinierer am Sonnabend im Mannschafts-Wettbewerb den zwölften Erfolg feierten. Mit 12 Siegen hat Norwegen vor dem Sonntag mehr als alle anderen Teilnehmer-Länder zusammen. Ähnlich unangefochten wie die übermächtigen Erfinder des Nordischen Skisports rangieren die Deutschen dank ihrer Erfolge im Skispringen und in der Nordischen Kombination in der Nationenwertung mit bislang fünf Siegen und weiteren Plaketten auf dem zweiten Rang.
„Komisch“ fand der Bundestrainer Johaugs Demonstration der Stärke
Fragwürdig erschien selbst Bundestrainer Peter Schlickenrieder, der als einstiger olympischer Silbermedaillengewinner im Teamsprint eigentlich weiß wie es geht, Johaugs jüngste 30-km-Vorführung. Denn das nur 1,62 m große Leichtgewicht ließ von der ersten Runde an die Gegnerschaft wie Anfänger stehen. Rund 30 Sekunden Vorsprung im Massenstart-Modus bei Halbzeit. Rund 45 Sekunden im Ziel vor dem Rest der Gegnerschaft, die von ihrer Teamkollegin (!) Ingrid Oestberg angeführt wurde.
Gefragt, was er von der Art und Weise halte, wie Johaug vorneweg lief, musste Schlickenrieder sich offenkundig bremsen, um dann heraus zu quetschen, ja, er müsse lügen…wenn er das Erlebte nicht komisch fände!
Denn die Norwegerin düpierte ja keine WM-Debütantinnen, sondern Sportlerinnen, die es gewohnt sind, bei Weltcups, Olympischen Spielen oder eben Weltmeisterschaften auf dem Podest zu stehen. Die erwähnte Oestberg, die Schwedin Kalla, die US-Läuferin Diggins, die Finnin Pärmäkoski oder die Russin Neprijajewa beispielsweise.
Alles Ausdauersportlerinnen wie viele im WM-Starferfeld mit sicherlich ebenso starkem Ehrgeiz. Und die mindestens sechs Mal die Woche trainieren. Von einem Trainingslager zum anderen wechseln. Tausende Kilometer auf Schnee zurücklegen, im Sommer auf Skiroller, auf dem Rad oder per Fuß. Im Kraftraum Gewichte stemmen, Zugbänder bearbeiten. Eine spezielle Ernährung für Ausdauersportler beachten.
Alles Eigenschaften und Merkmale, die auch für die deutschen Läuferinnen zutreffen. Deren Beste war am Samstag die Thüringerin Victoria Carl, die als Neunte aber 2:16 Minuten nach der Siegerin einkam.
Johaugs gnadenloses Tempostakkato erinnerte an die denkwürdigen Auftritte des Johannes Mühlegg bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City. Da rannte der Allgäuer über 30 km und über 50 km die Gegnerschaft aus den Schuhen. Immer vorneweg und mit Riesenvorsprüngen im Ziel. Das war den Dopingfahndern aber nicht geheuer und so nahmen sie ihn genauer und letztlich erfolgreich unter die Lupe. Er wurde gesperrt, musste die Goldmedaillen zurückgeben, leugnete aber hartnäckig den Dopingmissbrauch. Brach danach mit dem Verband, wechselte die Staatsbürgerschaft hin zu der Spaniens und beendete fast geräuschlos seine Karriere.
Ein Schicksal, das Johaug so kaum ereilen dürfte. Denn nach einem dubiosen positiven Dopingbefund verlor sie nicht die Popularität des derzeit größten Sportstars in Norwegen. Bei einer Trainingskontrolle im Herbst 2016spo wurde bei ihr die anabole Substanz Clostebol gefunden. Die Auskunft des Mannschaftsarztes: Das müsse von einer Schutzcreme gegen durch Sonnenbrand verursachte Lippenbläschen herrühren, die Johaug ohne ärztliche Verordnung benutzt habe. Allerdings war auf der Verpackung auf den verbotenen Inhaltsstoff hingewiesen.
Der Verband wertete den Vorfall nicht als Dopingverstoß, sondern als Medikamentenmissbrauch. Johaug wurde vom Verband vorläufig zwei Monate gesperrt. Die norwegische Antidoping-Agentur verhängte eine 13-monatige Wettkampfsperre. Der Welt-Sportgerichtshof CAS erhöhte dies auf 18 Monate. Und verhinderte so Johaugs Start bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang, nachdem sie auch die WM 2017 in Falun nur am TV-Gerät erleben durfte.
Ihr Ansehen in der Öffentlichkeit und in den Medien, die beide normalerweise kritischer als in Deutschland mit Dopingaffären umgehen, hatte kaum gelitten. Auch die Sponsoren strichen keine Zuwendungen – bei ihrem Talent und Eifer hätte sie Doping nicht nötig. Und in der aktuellen Weltcupsaison distanzierte die Rückkehrerin die Gegnerschaft souveräner denn je. Es war also die richtige Entscheidung, den doppelstöckigen Wachs-Truck mit ihrem Konterfei zu versehen. Norge Skilanglauf – da ist T. Johaug!
Gehören deutsche Skiläufer oder Vertreter anderer Sportarten zum Kundenkreis des Eigenblut-Spezialisten Mark S.?
Bei der Dominanz der Norweger im Skilanglauf auf breiter Front – bei den Männern um den Dreifach-WM-Gewinner Johannes Klaebo siegten sie in allen Rennen -, sowie teilweise im Biathlon der Männer ( J. und T. Boe) sowie neuerdings im Eisschnelllauf (Gold in Pyeongchang) fragen sich amdere Sportnationen, ob mehr dahinter steckt als übermäßig viele Talente (bei 5 Millionen Einwohnern limitiert) und effektive Leistungssportstrukturen nebst Einbeziehung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Mensch und Material.
Wie ist es möglich, so werden sich nicht nur in Seefeld ertappte österreichische Langläufer (6. im Teamsprint) fragen oder zwei Esten und ein Kasache, dass die Norweger so viel schneller laufen, wo sie doch im Gegensatz zu uns angeblich nicht zu verbotenen Mitteln greifen?
Ausgelöst die Antidoping-Razzien in Österreich und Deutschland hatte ein ARD-Report, in dem der österreichische Langläufer Johannes Dürr über seine Erfahrungen mit Doping in seiner Sportart berichtete. Sein persönliches Fazit nach zwei Dopingsperren: Ohne Dopingmittel ist die Weltspitze im Skilanglauf nicht erreichbar!
Bei den Razzien wurden fünf geständige Sportler sowie ein Arzt und zwei Helfer vorläufig festgenommen. Dürr hatte beim kaum nachweisbaren Doping mit Eigenblut auf Infusionen bei München und in Oberhof berichtet. Die estnischen Sportler gaben Berlin und Frankfurt/M. an, wo die Zugabe des angereicherten Eigenbluts vorgenommen wurde.
In der Praxis des Erfurter Sportmediziners Mark S., der u.a. zuvor als Mannschaftsarzt in Radsport-Profiteams tätig war, wurden ca. 40 mit Tarnnamen versehene Blutbeutel sichergestellt.
Alfons Hörmann, Präsident des Sportdachverbandes DOSB und zuvor Chef des Deutschen Skiverbandes, beeilte sich zu versichern, deutsche Spitzenathleten gehörten nicht zur Klientel des Erfurter Mediziners – jetziger Kenntnisstand! Mark S. scheint der Mittelpunkt eines Netzwerkes für Eigenblut-Doping zu sein. Peter Schröcksnadel, Präsident des wahrlich gebeutelten Skiverbandes Austria, schien erleichtert, dass Ermittler ihm verraten hätten, dass die präparierten Blutbeutel auch zu deutschen Sportlern führen würden.
Denkbar auch, dass sich Topathleten anderer Metiers das Know-how von Mark S. bei der nicht ganz billigen Eigenblutbehandlung – Kosten um die 5000 Euro – zunutze gemacht haben. Auffällig wie die frappierende Überlegenheit der Norweger im Skilanglauf ist beispielsweise, dass die deutschen Triathleten seit einem Jahrzehnt den Iron Man auf Hawai beherrschen. Wo die Ausdauerfähigkeiten nicht nur bis maximal 90 Minuten (50 km Skimarathon), sondern über rund acht Stunden gefragt sind.
Die norwegischen Langläufer mit Therese Johaug und Johannes Klaebo an der Spitze dürften eher nicht zur Kundschaft von Mark S. zählen. Sie haben ihre eigenen Mittel und Methoden. Ob illegale oder legale, das können nur die Protagonisten oder ihre Betreuer sagen.