Berlin/München, Deutschland (Weltexpress). Irgendwann hat Ulrich (Uli) Hoeneß die Öffentlichkeit wissen lassen, er sei „ein leidenschaftlicher Demokrat“. Das ist ein erstaunliches Bekenntnis des heute 66-Jährigen, der seit fast vier Jahrzehnten als Gesicht des FC Bayern München, als Macher des Fußball-Rekordmeisters gilt. Er fühlte sich – und aktuell wohl noch immer – bei seinem Tun demokratisch legitimiert. Weil er über all die Jahre mit seiner Art der Führung – Mia san mia und mia bin i – bei vereinsinternen Versammlungen und Wahlen nahezu uneingeschränkt bestätigt wurde.
Auf den Kern demokratischer Prozesse – das Zulassen auch gegenteiliger Meinungen und deren Einbeziehen in die Entscheidungsfindung zum demokratischen Konsens – hat der einstige Nationalspieler im Präsidentenamt wenig Wert gelegt. So fiel er auf der Jahreshauptversammlung (JHV) in der Vorwoche aus allen Wolken, als ein Redner fein säuberlich allerlei Kritikpunkte auflistete.
Vorwürfe von Klüngel und Korruption, Vetternwirtschaft und Gutsherrenart
Zuvor hatte der 33-jährige Steuerfachmann Johannes Bachmayr unter anderem die Vetternwirtschaft bei der Wurstbelieferung des Stadions mit Produkten aus der Firma des Hoeneß-Sohnes oder die Zusammenarbeit bei Trainingslagern und Trikotsponsoring mit dem katarischen Emirat moniert.
Er rügte die Trainerwahl von Niko Kovac und die des Sportdirektors Hasan Salihamidzic. Auch die Schmähung des nach England abgewanderten Verteidigers Juan Bernat auf der missglückten Pressekonferenz im Oktober wurde benannt. Und ganz massiv griff der Redner schließlich den Präsidenten im Fall der früheren Bayern-Ikone Paul Breitner an. Jenem hatte Hoeneß ausrichten lassen, er sei derzeit nicht erwünscht auf der VIP-Tribüne oder besser gesagt Ehrentribüne. Auslöser dafür waren scheinbar Breitners kritische Äußerungen im Regionalprogramm Bayern 3 zum Erscheinungsbild des FCB auf der erwähnten Pressekonferenz.
Auf die Aussperrung reagierte der frühere WG-Kollege von Hoeneß auf seine Art: Das Bayern-Urgestein Breitner gab die zwei auf Lebenszeit gültigen Ehrenkarten zurück und erklärte, dass er sich künftig die Karten kaufen werde.
„Das Stadion ist nicht Ihr Stadion und der FC Bayern München ist nicht Ihr Bayern München. Und der FC Bayern ist keine One-Man-Show“, rief der junge Mann zum Abschluss seiner 10-minütigen Ausführungen unter Beifall in den Saal.
Eine Feststellung, eine Forderung, die Hoeneß bis ins Mark zu treffen schien. Nach den verbalen Entgleisungen auf der ominösen Pressekonferenz („…das war verbesserungsbedürftig – keine gute Tagesform“) hatte er sich vorgenommen, sich künftig sachlicher zu äußern. Doch auf die Vorhaltungen Bachmayrs wusste er keine Entgegnung. Er bezeichnete die durchaus nachvollziehbaren Vorwürfe als eine Ansammlung von Unwahrheiten und überhaupt mag er keine Diskussion auf solchem Niveau führen.
Die Botschaft auf einer Nordkorea-Flagge
Aus einem Block der 1700 Anwesenden erntete der wortgewaltige Bayern-Patron dafür Pfiffe und Buhrufe („Feigling, Lügner“). Eine Nordkorea-Flagge über einem Ausgang mit der Botschaft „not my President“ dokumentierte auch ohne Wortmeldung eine bisher in dieser Form nie erlebte Anti-Hoeneß-Fraktion im Forum.
Tags darauf verblüffte Hoeneß mit seiner Wahrnehmung, es sei von einem ganz kleinen Teil, vor allem von dem Herrn Bachmayr, „der Versuch unternommen, meinen tadellosen Ruf als Manager, Vorstand und Präsident zu beschädigen“.
Ein Selbstzeugnis eines Egozentrikers!
Bachmayr, so mutmaßte Hoeneß, sei fremdgesteuert. Und Teil einer Kampagne gegen ihn, die insbesondere von „Bild“ und „Sport-Bild“ betrieben werde.
Zum Eklat mit seinem einstigen, engen Weggefährten Breitner, der seinen Vertrag als Markenbotschafter, „der ihm in acht Jahren zwei Millionen Euro als Honorar eingebracht hatte“, nach einem Streit mit Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern AG, hingeworfen hatte, erklärte Hoeneß, dass es da keine Versöhnung geben werde. Der Bruch sei geschehen, als Hoeneß nach Verbüßung seiner Gefängnisstrafe aus dem Gefängnis kam. Das wäre es gewesen und seither hätte er mit Breitner kein Wort mehr gewechselt. Da wäre auch nichts mehr zu kitten. Breitner habe den Rubikon überschritten und werde vom Täter zum Opfer gemacht.
Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer bot vergebens seine Dienste an, das Verhältnis zweier erwachsener Mannsleute zu kitten. Ex-Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff meinte ohne Kenntnis von Details, die Beiden kämen ihm wie kleine Kinder vor.
Interessant, dass Rudi Völler, Ex-Nationalspieler und heute Boss bei Bayer 04, Verständnis für Hoeneß zeigte: Breitner habe in seiner Tätigkeit als Kolumnist viele Kollegen und Menschen sehr verletzt.
Insider vermuten, der Bruch hänge mit Breitners öffentlicher Prognose zusammen, Hoeneß werde nach dem Gefängnisaufenthalt wegen Steuerhinterziehung beim FC Bayern wohl keinen Fuß mehr in die Tür bekommen. Das habe Hoeneß ihm nie verziehen, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Im Sommer Groß-Offensive bei Transfers
Dass ihn auch die Anwürfe auf der JHV getroffen haben, verdeutlicht tags darauf diese Aussage. „Ich habe jetzt vierzig Jahre daran gearbeitet, dass der FC Bayern das ist, was er geworden ist. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich hoffe, dass sich das wieder ändert, sonst ist das nicht mehr mein FC Bayern“, erklärte Ulrich Honeß.
Den ewigen Optimisten im Bayern-Lager machte er bei neun Punkten Rückstand auf Borussia Dortmund mit dem Hinweis, dass in der Meisterschaft „noch nicht die Messe gesungen ist“, Mut.
Er stellte sich wie der vier Jahre jüngere Bayern-Vorstandsvorsitzende Rummenigge demonstrativ hinter Trainer Kovac und die Mannschaft. Ziel in „diesem schwierigen Jahr“ sei mindestens Rang vier und die Qualifikation für die Champions League. Ja, der Name des Ex-Bayern-Torhüters Oliver Kahn spiele in den Überlegungen für die künftige Führungsebene eine Rolle. Aber nicht in den nächsten Monaten, was Spekulationen in Richtung Rummenigge-Nachfolge auslöste. Dessen Vertrag läuft in zwei Jahren aus.
Auf dem Transfersektor kündigte Hoeneß eine von den Fans schon lange erhoffte Offensive mit hochkarätigen Verpflichtungen im kommenden Sommer an. Die Kasse dafür sei gut gefüllt.
Leute, die es gut mit Hoeneß meinen, rieten ihm nach all den jüngsten Vorkommnissen, sich in Würde aus der präsidialen Verantwortung zu verabschieden und nicht sein Lebenswerk zu beschädigen.
Ob der demokratische Autokrat im Süden der Bundesrepublik sich diese Empfehlung zu eigen macht, scheint in den kommenden Monaten bedeutsamer als das Meisterschafts-Ergebnis des Rekordmeisters.