Toulouse, Frankreich (Weltexpress). Mit neuartigen Monstermaschinen erweitert die südfranzösische Metropole die Anzahl ihrer Attraktionen.
Die Kraft des Mythos ist ungebrochen. Seine Bilder wirken nach von der Antike bis zur Neuzeit. Denn noch immer verfügt der Mythos über das Potenzial, sich mit seinen Inhalten tief unten in der menschlichen Seele Raum zu schaffen. Und über die Jahrtausende hinweg Ängste zu schüren oder aber Hoffnungen zu wecken.
Unvergessen ist beispielsweise der Mythos des Minotaurus, der aus seinem unheimlichen Labyrinth heraus Leben einforderte und zerstörte. Demgegenüber Ariadne, die mit ihrem Faden dazu beitrug, das Untier zur Strecke zu bringen und das von ihm ausgehende menschliche Leid zu beenden. Die Erlösung in diesem konkreten Fall darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass heute andere Untiere und Labyrinthe zu überwinden sind.
Hüter des Tempels
Und diese sind womöglich ganz anders als jene von damals. So erweist sich der Mythos als wandlungsfähig, und zwar so, dass er die Menschen immer noch in ihrem Innersten berührt. Von dieser Einsicht geht der französische Konstrukteur Francois Delacrozière aus, der den Minotaurus in eine Furcht erregende Monstermaschine verwandelt. Und Ariane in eine mächtige Spinne, die allenthalben ihre klebrigen Fäden verteilt.
Bei ihrem Zug durch die Straßen von Toulouse geht zwar von ihrem befremdlichen Erscheinungsbild immer noch ein albtraumhafter Schauder aus. Doch haben sich die Episoden des Drehbuchs im Vergleich zum antiken Vorbild merklich geändert. Nachts möchte man den beiden Monstern keinesfalls allein begegnen. Doch längst wird bei den Einzelepisoden ein Großes Finale in Aussicht gestellt, bei dem der Minotaurus als „Hüter des Tempels“ auftritt. Eine Funktion, die ihn sogleich als weniger gefährlich erscheinen lässt.
Wächter der Halle
Nach ihrem Erstauftritt sind die beiden mythologischen Figuren dazu ausersehen, das ganze Jahr über eine „Halle der Maschine“ zu bewachen. Sie enthält eine Sammlung alter und neuer Konstruktionen im Da-Vinci-Stil, mit deren Hilfe die Legenden der französischen Luftfahrt geehrt werden sollen. Allen voran der Postflieger und Autor Antoine de Saint-Exupéry, der bedauerlicher Weise noch in den letzten Weltkriegsmonaten über dem Mittelmeer abgeschossen wurde.
So steht die „Halle der Maschine“ nicht zufällig am Rande derselben Start- und Landebahn, von der aus St. Exupéry und die anderen Flugpioniere vor genau einhundert Jahren das erste Mal abhoben. Das allerdings war, wie man weiß, erst der Beginn. Denn der hier eingeschlagene Weg führte weiter zur zivilen Luftfahrt, die in Toulouse als einer der Airbus-Produktionsstätten über einen ausgezeichneten Ruf verfügt.
Raumschiff Erde
Und doch steht Toulouse zugleich auch für die Fortsetzung der zivilen Luftfahrt. Denn außerhalb der Stadt findet sich die „Cité de l’Espace“, die sich mit ihren Sammlungen und Versuchsanordnungen den Themen der Raumfahrt und der Astronomie widmet. Im Eingangsbereich des Museumskomplexes findet sich das Modell einer in der europäischen Raumfahrt erfolgreichen Ariane-Rakete, die ihrerseits an den alten Ariane-Mythos erinnert.
Das Innere der Ausstellungshalle lädt alle an der Raumfahrt Interessierten ein zum Mitgestalten am Computer. Ein Angebot, das sich Weltraum-Enthusiasten natürlich nicht zweimal sagen lassen. Hier erfährt man das Wichtigste über das Funktionieren einer Abschussrampe, über das „Raumschiff Erde“ sowie die Geheimnisse des Mondes. Natürlich dürfen da auch ein Observatorium und eine Anlage zur Wettervorhersage nicht fehlen. Und wo sonst hätte man je die Gelegenheit, eine russische Raumstation aus nächster Nähe zu erforschen?
Märtyrer und Heiliger
Neben den Pionieren der Luft- und Raumfahrt in den letzten hundert Jahren gibt es eine Legende ganz anderer Art. Diese ist den Einwohnern der Stadt besonders ans Herz gewachsen, handelt es sich doch um den Märtyrer St. Sernin, der einst von einem Stier in den Straßen von Toulouse zu Tode geschleift wurde. Eine Todesart, die von Anfang an tiefes Mitgefühl bei den Einwohnern der Hauptstadt der südfranzösischen Region Languedoc-Roussillon/Midi-Pyrénées auslöste.
Sie errichteten ihrem Heiligen eine wunderbare Basilika genau an jener Stelle, an der der Stier endlich von seinem Opfer abließ. Der weiße Turm zeigt noch heute allen Pilgern an, wo sie sich auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela den Segen des St. Sernin zusprechen lassen können.
Fassaden des Zeitgeistes
So hat sich die Stadt an der Garonne im Verlauf der Jahrhunderte gemausert zu einer ansehnlichen südfranzösischen Metropole. Dabei ist heute noch den Fassaden der jeweilige Zeitgeist ihrer jeweiligen Entstehung anzusehen, erklärt Stadtführerin Céline, die sich in ihrem Wirkungbereich natürlich bestens auskennt. Die Geschichte reicht zurück bis in die Zeit der Katharer, die hier in ihren Ursprüngen noch keinerlei Verfolgung zu erdulden hatten.
Alle Wege jedoch führen zurück zum Platz des Kapitols, dem die breit angelegte Rathausfassade aus dem 19. Jahrhundert Maß und Form verleiht. In seinem Inneren ist das Rathaus ausgeschmückt mit üppigen Wandmalereien, unter anderem aus der Geschichte und dem Leben der Stadt. So entpuppt sich Toulouse schnell als ein Ort, den man in seiner Reiseplanung eine angemessene Beachtung schenken sollte.
Reiseinformationen „Toulouse“:
Anreise: Direktflüge mit Lufthansa ab München und Frankfurt, mit Easy Jet und Ryan Air ab Berlin; Umsteigeflüge mit Air France/KLM ab Düsseldorf, Frankfurt, München, Hannover; oder mit Bahn / Bus / PKW; Die Mitnahme eines ID-Dokuments ist auch im Schengen-Raum immer empfehlenswert.
Reisezeit: Ganzjährig; besonders attraktiv ist das Sommerhalbjahr.
Unterkunft: Grand Hotel de l‘Opera, www.grand-hotel-opera.com/en/, direct an der Place du Capitole; oder: Hotel des Beaux Arts; Mama Shelter; Le Grand Balcon
Auskunft: Fremdenverkehrsamt Toulouse: www.toulouse-tourismus.de
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Dr. Bernd Kregel ist eine Erstveröffentlichung im WELTEXPRESS.